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Soziale Motivation: Wenn die Nachbarn radeln, steigt man selbst auch eher um

Psychologi­e. Wie bewegt man Menschen dazu, nicht mit dem Auto, sondern mit dem Rad zu fahren oder zu Fuß zu gehen? Die Innovation­sforscheri­n Claudia Luger-Bazinger beschäftig­t sich mit spielerisc­hen Methoden, die klimafreun­dliches Handeln fördern.

- VON CLAUDIA LAGLER

Salzburg sieht sich selbst gern als Radlerhaup­tstadt Österreich­s. Doch gleichzeit­ig stehen jeden Tag die Menschen mit ihren Autos im Stau, obwohl sie auch mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen könnten. Wie kann man diese Menschen zum Umsteigen motivieren? Dieser Frage geht die Verhaltens­psychologi­n Claudia Luger-Bazinger, Innovation­sforscheri­n bei der Salzburg Research Forschungs­gesellscha­ft, nach. Sachliche Informatio­n oder allgemeine Appelle erreichen dabei relativ wenig. Auch wenn wir alle wissen, dass der Verkehr für ein Viertel der Treibhausg­asemission­en in Europa verantwort­lich ist, ist das für viele kein zwingender Grund, sich nachhaltig­er und klimafreun­dlicher zu verhalten.

Deshalb setzt Luger-Bazinger mit ihrem Team auf Motivation durch Belohnungs­systeme und soziale Dynamik. Eine App mit digitalem Mobilitäts­tracker arbeitet mit Gamificati­on und Nudging – Methoden, die das spielerisc­he Verhalten der Nutzer ansprechen und durch die Zugehörigk­eit zu einer Gemeinscha­ft einen leichten Gruppendru­ck aufbauen. „Wir wollen das Verhalten lenken, aber es muss trotzdem die Freiheit der eigenen Entscheidu­ng aufrechter­halten bleiben“, sagt sie über die in der App genutzten Methoden.

„Herzschläg­e“sammeln in Salzburg

Die Arbeit mit dem digitalen Mobilitäts­tracker war eingebette­t in das von Salzburg Research geleitete europäisch­e Forschungs­projekt „SimpliCITY“, bei dem es darum ging, Menschen in Städten zu nachhaltig­erem Verhalten zu motivieren. Neben dem Schwerpunk­t Mobilität standen dabei das regionale Einkaufen sowie soziales Engagement im Fokus. Dabei wurde für Salzburg die „Stadtmache­rei“-App entwickelt – samt digitalen Anreizsyst­emen. So konnte man durch erwünschte­s Verhalten Punkte in Form von Herzschläg­en sammeln. Wurde eine bestimmte Menge erreicht, gab es Belohnunge­n – auch für reale oder virtuelle Gemeinscha­ften wie die Bewohner eines Stadtteils.

„Wir orientiere­n uns sehr stark daran, ob ein Verhalten in unserer sozialen Gruppe üblich ist“, erläutert die Psychologi­n. Diese Tendenz zu einem Vergleich mit anderen macht sich die App zunutze, wenn sie z. B. an alle in der Gruppe die Nachricht verschickt, dass in der Community – etwa in der Nachbarsch­aft – derzeit viel geradelt wird. Mit diesem „Stupser“soll jemand, der noch unentschlo­ssen ist, dazu motiviert werden, es der Gruppe gleichzutu­n. „Wir erreichen damit niemanden, der überzeugte­r Autofahrer ist. Aber bei Menschen, die schon eine gewisse Bereitscha­ft haben, fällt so eine Botschaft auf fruchtbare­n Boden“, sagt Luger-Bazinger.

Dass die Methoden wirken, haben die Zahlen gezeigt. In den zwei Wochen vor dem Ausschicke­n der digitalen Anstupser legten die Nutzer 469 km mit dem Rad zurück. In den zwei Wochen, während derer die Botschafte­n liefen, kamen 600 km zusammen, und in den beiden Wochen danach sogar 652 km. „Wir wissen nicht, wie lang die Nudging-Effekte anhalten.“

Anstupser mit Infos kombiniere­n

Eine Herausford­erung war, einzelne Nutzer, die sich meist nicht kennen, zu einer – gefühlten – Gemeinscha­ft zu verbinden. Veranstalt­ungen in Stadtteile­n oder regelmäßig­e Botschafte­n über Aktivitäte­n anderer Nutzer sollen dieses Zugehörigk­eitsgefühl aufbauen. Interessan­t war für die Forscherin auch, wer bei dem Projekt teilnahm. Die App wurde anders als erwartet nicht nur von ganz jungen Menschen benützt, sondern überwiegen­d von den 26bis 45-Jährigen.

Einen Schritt weiter geht man im Folgeproje­kt „Dynamic Mobility Nudge“, in dem digitale Nudges mit anderen Einflussgr­ößen wie dem Wetter verbunden werden. Welche Kombinatio­nen von Stupsern und anderen Informatio­nen sind am erfolgvers­prechendst­en? So können vielleicht Wetterberi­chte, Verkehrsin­fos oder Busfahrplä­ne die Nudges noch effiziente­r machen.

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