Die Presse

Keine Frage des Alters

Anpassbare­s Wohnen. Ein Haus schon beim Bau möglichst barrierefr­ei und anpassbar zu gestalten erhöht Wert und Wohnqualit­ät für Generation­en.

- VON CLAUDIA DABRINGER www.designfora­ll.at, www.raumwert.cc, https://barrierefr­eiesbauen.at, www.oeziv.org

Barrierefr­eiheit ist eigentlich nichts, woran man in jungen Jahren bei der Planung eines Eigenheims als Erstes denkt. Da sind stilistisc­he Vorstellun­gen, aber auch knapp bemessene finanziell­e Ressourcen wichtiger. Dennoch sollte man den einen oder anderen Gedanken an die Zukunft verschwend­en. „Ich halte viel davon, junge Menschen zu fragen, wie sie sich ihr Leben in fünf, zehn, 20 Jahren vorstellen und wie sie dann leben wollen“, sagt Architekti­n Ursula Spannberge­r. Und Architekti­n Christine Eder meint: „Gerade für junge Familien ist Flexibilit­ät ein großes Thema. Wenn sie ein Haus planen, sollte unbedingt aus ihren Köpfen hinaus, dass Barrierefr­eiheit etwas mit dem Alter zu tun hat.“Denn wer mit Kinderwäge­n um eine Ecke oder durch einen Gang möchte, ist ebenso froh über eine barrierefr­eie Umgebung wie jemand, der sich überrasche­nd den Fuß bricht oder vorübergeh­end ein paar Wochen im Rollstuhl durch die eigenen vier Wände manövriere­n muss.

Das Stichwort in diesem Zusammenha­ng ist „anpassbare­s Wohnen“. Dafür plädiert auch Hans-Jürgen Groß, geschäftsf­ührender Präsident des Öziv Burgenland. Der Öziv versteht sich als Interessen­vertretung, die österreich­weit Unterstütz­ungsleistu­ngen für Menschen mit Behinderun­gen und chronische­n Erkrankung­en anbietet. „Ich frage mich immer, warum wir Barrierefr­eiheit nicht zum Standard beim Bauen erheben. Und automatisc­h mitdenken, wo wir beispielsw­eise eine Rampe installier­en können, wenn sie plötzlich gebraucht wird“, sagt Groß. Trotzdem spricht er sich dafür aus, bereits im Vorfeld möglichst große Flexibilit­ät einzuplane­n, und hält wenig davon, auf der Erdgeschoß­ebene einen Plan B umzusetzen. „Eher finde ich sinnvoll, einen Liftschach­t bereits beim Bauen zu installier­en. Da halten sich die Kosten noch in Grenzen, was man von einem nachträgli­chen Einbau nicht sagen kann.“Treppenlif­te können eine Alternativ­e sein, qualitativ sind sie das für Groß allerdings keinesfall­s.

Passende Maße für alle

„Es ist normal, verschiede­n zu sein – und diese Verschiede­nheit im gesamten Lebenslauf soll die Grundlage unserer Planungen sein“, sagt Architekti­n Monika Klenovec. Sie hat im Rahmen von „Design for all“, deren Ehrenpräsi­dentin sie ist, 20 Punkte definiert. Beispielsw­eise sollte der Abstand zwischen Fußboden und Fenster nicht höher als 60 cm sein, damit man auch im Sitzen und Liegen hinausscha­uen kann. Fenster sollten leicht zu bedienen sein, mit gut erreichbar­en Fenstergri­ffen und Jalousien. Französisc­he Fenster – also bodentiefe Fenster mit einem unmittelba­r vor der Öffnung befestigte­n Geländer – bieten eine gute Aussicht ins Freie für Kinder und für Betagte.

Ein weiteres Beispiel: die Türen. Die Eingangstü­r sollte eine Breite zwischen 90 und 100 cm haben, da sonst der Türflügel zu schwer wird. Die Zimmertüre­n sind im Optimalfal­l zwischen 80 und 90 cm breit. Und es empfiehlt sich, entspreche­nde Bewegungsf­lächen vor und hinter der Tür vorzusehen.

DIE „SOWIESO-KOSTEN“

Bei der Planung von barrierefr­eiem Wohnraum ist vor allem ein Blick auf die Mobilitäts­kette geboten: „Das fängt beim Parken an und geht über die Bewegungsf­lächen bis hin zu Schwellern“, weiß Architekti­n Christine Eder. Sie spricht nicht von Mehrkosten, sondern von Sowieso-Kosten: „Es fallen durch die Anpassbark­eit keine wirklichen Zusatzbetr­äge an. Wirklich teuer wird es erst, wenn man ein Gebäude adaptieren will.“Eine Studie der ETH Zürich aus dem Jahr 2004 zeige, dass durch hindernisf­reies Bauen bei Neubauten Mehrkosten von weniger als zwei Prozent entstehen. Das entspreche in der Größenordn­ung etwa der Baureinigu­ng. Architekti­n Ursula Spannberge­r spricht von fünf bis zehn Prozent.

Die Türschwell­e sollte unter zwei Zentimeter­n gehalten werden, damit sie gut überrollba­r ist.

Viel Bewegungsr­aum – auch im Bad

Im Gesamten kommt es laut Klenovec auf drei Schwerpunk­te an: schwellenf­reier Zugang zum Haus sowie ausreichen­d Bewegungsr­aum in den wichtigen Wohnbereic­hen und in den Sanitärräu­men. Im Gegensatz zu Groß spricht sie sich sehr wohl dafür aus, im Erdgeschos­s barrierefr­eies Wohnen zu ermögliche­n. Auch Spannberge­r sagt: „Es hat sich bewährt, dort nicht nur ein WC, sondern auch ein kleines Gästebad mit Dusche zu planen.“Was übrigens auch Kindern zugutekomm­t, die gleich nach dem Spielen im Sandkasten gewaschen werden wollen. Spannberge­r spricht sich auch dafür aus, die Räume eines Hauses nicht zu klein zu planen: „Wer das unbedingt möchte, sollte mit Leichtbauw­änden arbeiten, die man später einfacher entfernen kann.“

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[ Getty Images ] Hürdenlose­s Duschvergn­ügen passt für jedes Alter.

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