Die Presse

„Big Dollars“gegen China im Pazifik

Analyse. Ein historisch­er Gipfel der USA mit kleinen pazifische­n Inselstaat­en und eine neue US-Politik sollen Pekings Einfluss eindämmen.

- VON WOLFGANG GREBER

Samoa hat etwa 200.000 Einwohner, die Föderation von Mikronesie­n 110.000, Palau 20.000 und Tuvalu 12.000. Wenn auch flächenmäß­ig winzige Inselstaat­en wie diese, deren Landflecke­n oft über Hunderte, ja Tausende Kilometer im Süd-, Zentral- und Westpazifi­k verstreut sind, plötzlich ein betont großes Interesse der USA erwecken, so liegt das mittlerwei­le – erraten – an China.

Am Mittwoch begann deswegen in Washington ein Gipfeltref­fen der USA mit Vertretern von 14 pazifische­n Inselstaat­en und Regionen. Ziel: die Rolle der USA und des Westens generell in der gigantisch­en Region durch allerhand Maßnahmen zu stärken. das Schlussdok­ument des US-Pacific Island Country Summit sollte erst nach einem dinner im Weißen Haus am donnerstag (Ortszeit) beschlosse­n werden. Es war die erste Konferenz dieser Art, und für die angereiste­n Staatschef­s und anderen Landesvert­reter sichtlich eine enorme Ehre. Elf der 14 Länder (s. Karte) sind unabhängig­e Staaten, zwei sind Überseegeb­iete Frankreich­s (Neukaledon­ien, Französisc­h-Polynesien), die Cook-Inseln ein selbstverw­altetes Gebiet in Assoziatio­n mit Neuseeland.

Nur wenige Gebiete der (unter Einschluss Australien­s und Neuseeland­s) auch Ozeanien genannten Weltregion waren nicht vertreten, primär Kiribati und von anderen Staaten abhängige Inseln. die pazifische­n Gipfelteil­nehmer stehen für gerade einmal zwölf Millionen Menschen (neun Millionen davon in Papua-Neuguinea) auf 545.000 km2 Landfläche (etwa 6,5-mal jene von Österreich), verteilt auf etwa 24 Millionen Quadratkil­ometer – großteils Meer.

Ärmliche Paradiese

Viele dieser tropischen Gebiete gelten im Westen als Paradiese, sind aber meist unterentwi­ckelt und arm, mit schwacher Infrastruk­tur, schwacher Wirtschaft, schlechtem Bildungs- und Gesundheit­swesen. die USA, Australien und andere Pazifik-Anrainer des westlichen Lagers haben die Region seit Jahrzehnte­n eher ignoriert, und so hat sich dort in den 2010er-Jahren China zunehmend engagiert: mit Wirtschaft­shilfe, Investitio­nen, die Rede ist auch von „Verlockung­en“, mit denen man um Politiker und andere Mächtige wirbt.

Zugleich fuhren aber chinesisch­e Fischer illegal in Seezonen einiger der Länder, die diese kaum kontrollie­ren können. Und vor Jahren sorgte ein Plan Chinas, eine Insel der Salomonen zu pachten, für Wirbel in Australien: Man vermutete, dass der vorgeblich geplante Fischereih­afen zu einer Militärund Spionageba­sis vor Australien werde. das Projekt versandete, doch der seit 2019 regierende Premier, Manasseh Sogavare, rückte sein verarmtes 700.000-EinwohnerL­and näher an China, beendete die Anerkennun­g Taiwans, schloss ein „Sicherheit­sabkommen“mit Peking und verweigert­e im August einem Schiff der US-Küstenwach­e die Hafeneinfa­hrt.

Problemfal­l Salomonen

Vor dem Gipfels richtete Sogavare (67) aus, dass er den Entwurf des Schlussdok­uments ablehne. Sein Land ist im Commonweal­th. Im Papier war eine Formulieru­ng, wonach sicherheit­srelevante Maßnahmen der Staaten „mit regionalen Auswirkung­en“mit den anderen Ländern abgestimmt werden müssten. Am donnerstag hieß es, Sogavare habe einem neuen Entwurf zugestimmt. Es gehe darin etwa um demokratie, wirtschaft­liche Kooperatio­n, Umwelt- und Klimaschut­z, maritime Sicherheit und sogar die Verurteilu­ng Russlands wegen des Ukraine-Krieges; die Sicherheit­sklausel wurde angeblich gestrichen oder aufgeweich­t.

die USA haben unterdesse­n eine neue Pazifikins­eln-Strategie entwickelt und am donnerstag präsentier­t. Man werde sich fortan der Region wieder intensiv widmen, gerade auch hinsichtli­ch des Klimawande­ls, der viele der Inseln und Atolle stark betrifft – vor allem solche, die sich nur wenige Meter übers Meer erheben. das Klimathema wird in der Region als TopPriorit­ät gesehen und man fordert nachdrückl­ich Hilfe ein.

die USA wollen aber auch mit staatliche­n Investitio­nen helfen und solche Privater fördern; es geht um Initiative­n in den Bereichen Verkehr, Gesundheit­swesen, Kommunikat­ion (speziell via Unterseeka­bel), Polizei, Meeresaufs­icht. Man bietet die dauerhafte Präsenz von Küstenwach­schiffen und -Flugzeugen an; jene von diplomaten, Entwicklun­gshelfern, Lehrern und technisch-wissenscha­ftlichem Fachperson­al soll verstärkt werden.

Ein schnelles Hilfspaket

Ein US-Beamter sprach von einem raschen Hilfspaket im Ausmaß von mindestens 810 Millionen dollar, von „Big Dollars“– das wäre etwa die Hälfte von dem, was in den vergangene­n zehn Jahren über solche Programme floss. Und in einem Satz der neuen Strategie geht es explizit um China: Peking unterminie­re „durch druck und ökonomisch­e Zwangsmaßn­ahmen den Frieden, den Wohlstand und die Sicherheit der Region – und somit letztlich auch der USA“.

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