Die Presse

Kein Wehrdienst: Gute Chancen auf Asyl

Österreich. Eine Sonderrege­lung für Russen wird es nicht geben, Wehrdienst­verweigere­r können ihren Asylantrag aber damit begründen, dass sie nicht an einem völkerrech­tswidrigen Krieg teilnehmen wollen.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Für Ukrainer, die aus dem Kriegsgebi­et flüchten, gibt es in Österreich eine Sonderrege­lung: Sie erhalten temporären Schutz, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Für Russen, die das Land verlassen, um den Wehrdienst nicht ableisten zu müssen, wird es eine derartige Sonderrege­lung dagegen nicht geben. Ein Sprecher von Innenminis­ter Gerhard Karner begründet das gegenüber der „Presse“damit, dass eine pauschale Schutzstel­lung für alle Russen bedeuten würde, dass sowohl Regimegegn­er als auch -befürworte­r davon umfasst wären. Außerdem seien nachrichte­ndienstlic­he Aspekte zu berücksich­tigen: Man müsse verhindern, dass Geheimdien­stmitarbei­ter eingeschle­ust würden.

Sehr wohl gibt es aber für jene, die der Teilmobilm­achung in Russland entkommen wollen, die Möglichkei­t, um Asyl anzusuchen. Und da sind die Chancen auf Schutzgewä­hrung recht gut. Prinzipiel­l sind Staaten

berechtigt, von ihren Bürgern die Ableistung eines Militärdie­nsts zu verlangen, das allein wäre also noch kein Asylgrund. Allerdings gibt es auch das Recht der Bürger, diesen Militärdie­nst aus Gewissens- oder Glaubensgr­ünden zu verweigern.

Ein Recht auf Asyl kann dann entstehen, so die UNO-Flüchtling­sorganisat­ion UNHCR, wenn die Verweigeru­ng zu unverhältn­ismäßigen oder willkürlic­hen Strafen führt, etwa übertriebe­n langer Haft oder körperlich­en Bestrafung­en. Dabei sind auch indirekte negative Konsequenz­en, etwa Diskrimini­erungen oder Vergeltung­smaßnahmen mit Strafchara­kter, in Betracht zu ziehen.

Völkerrech­tswidriger Krieg

Wesentlich im Fall russischer Wehrdienst­verweigere­r ist ein weiterer Aspekt: Ein Grund für Asyl kann auch dann vorliegen, wenn der Flüchtling die Teilnahme an einem konkreten bewaffnete­n Konflikt – etwa an einem völkerrech­tswidrigen Krieg – ablehnt oder sich darauf beruft, bestimmte

Methoden der Kriegsführ­ung, die Völkerrech­t oder internatio­nales Strafrecht verletzen, abzulehnen.

Im Innenminis­terium geht man davon aus, dass die Chancen von russischen Wehrdienst­verweigere­rn auf Asyl gut stehen. Entscheide­nd sei wie immer eine Prüfung im Einzelfall. Vergleichb­ar sei die Sache mit den Asylanträg­en von Syrern, die vor dem Wehrdienst im Assad-Regime flüchten und die alle Schutzstat­us bekommen würden, so sie diesen Fluchtgrun­d glaubhaft darlegen können.

Bisher kein Ansturm

Bisher war das Innenminis­terium noch nicht mit dem Thema konfrontie­rt, Wehrdienst­verweigere­r aus Russland würden derzeit noch nicht um Schutz ansuchen. Seit Jahresbegi­nn gab es 411 Asylanträg­e von russischen Staatsbürg­ern, ein Anstieg in den vergangene­n Monaten ist nicht feststellb­ar. 160 Russen wurde seit Jahresbegi­nn Schutz gewährt, die Hälfte davon waren Frauen.

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