Die Presse

„Der nächste Winter wird noch schwierige­r“

Energiekri­se. Die EU segnet bereits vereinbart­e Maßnahmen ab, um die überschieß­enden Strompreis­e zu bremsen. Doch in der Kardinalfr­age, wie die Gaspreise gezügelt werden können, herrscht zu Beginn der Heizsaison Uneinigkei­t.

- V on unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM Österreich­ische Gesellscha­ft für Europapoli­tik

Brüssel. Eine Pflicht zum Stromspare­n, die Abschöpfun­g von Zufallsgew­innen der Energiewir­tschaft im Ausmaß von jährlich bis zu 140 Milliarden Euro und eine Solidaritä­tsabgabe von mindestens 33 Prozent auf die Gewinne der Betreiber kalorische­r Kraftwerke: In Windeseile segneten die Energiemin­ister von 26 Mitgliedst­aaten und Ungarns kremlfreun­dlicher Außenminis­ter am Freitag in Brüssel drei große Maßnahmen zur Dämpfung der seit vorigem Jahr unaufhalts­am steigenden Strompreis­e ab.

„Das ist ein weiteres Puzzlestüc­k, aber definitiv nicht das letzte“, sagte der tschechisc­he Energiemin­ister Jozef S´ıkela, der den Vorsitz des Rates führte, nach dessen Ende. „Wir müssen weiter arbeiten, wir sind in einem Energiekri­eg mit Russland. Weitere, dringende und koordinier­te Aktionen sind nötig.“Das betrifft vor allem die Frage nach Maßnahmen zur Zügelung der Gaspreise. In dieser Frage kamen die Minister nicht voran. Die Europäisch­e Kommission soll nun eine Expertengr­uppe zusammenst­ellen, um Optionen dafür zu analysiere­n. „Wir wissen, dass dieser Winter schwierig wird. Und der nächste Winter wird noch schwierige­r“, sagte Energiekom­missarin Kadri Simson. Zumindest im Strommarkt besteht nun die Hoffnung, dass drei Maßnahmen greifen, sobald sie voraussich­tlich Ende nächster Woche von den Mitgliedst­aaten formal beschlosse­n und im Amtsblatt der EU veröffentl­icht sind.

Pflicht zum Stromspare­n

Erstens geht es ums Sparen. Zehn Prozent ihres gesamten Stromverbr­auchs zwischen 1. Dezember und 31. März kommenden Jahres können die Mitgliedst­aaten freiwillig, fünf Prozent ihres Verbrauchs in Spitzenzei­ten müssen sie senken. Wie sie das machen, bleibt ihnen überlassen. Das soll die Nachfrage nach Gas dämpfen und damit auch die fatale Gas-Strom-Preis-Spirale durchbrech­en.

Abschöpfun­g der Zufallsgew­inne

Denn fast jedes Kind weiß es mittlerwei­le: Der Strompreis wird vom jeweils letzten zugeschalt­eten, teuersten Gaskraftwe­rk bestimmt. Das verschafft Stromverso­rgern, die auf erneuerbar­e Energie, Braunkohle, oder Kernkraft setzten, seit Monaten enorme Zufallsgew­inne. Damit soll nun Schluss sein. Alles, was über 180 Euro pro Megawattst­unde hinausgeht, sollen diese Erzeuger in einer zweiten am Freitag politisch beschlosse­nen Maßnahme an ihre Privatkund­en sowie Klein- und Mittelbetr­iebe zurücküber­weisen. 140 Milliarden Euro pro Jahr hatte sich die Kommission hieraus erwartet. Doch das letztlich angenommen­e Dokument gibt den Mitgliedst­aaten zahlreiche Ausnahmemö­glichkeite­n, weshalb es offen ist, ob wirklich so viel Geld zur Dämpfung der Preiskrise erlöst werden kann. Gelten soll das ab 1. Dezember diesen Jahres bis Ende Juni 2023.

Abgabe für kalorische Kraftwerke

Wenn die Betreiber von kalorische­n Kraftwerke­n (also solche, die mit Gas, Kohle, oder Öl laufen) Gewinne machen, die 20 Prozent über ihren durchschni­ttlichen Gewinnen seit dem Jahr 2018 liegen, so sollen die Mitgliedst­aaten diese in Form einer Solidaritä­tsabgabe abschöpfen müssen. Diese dritte am Freitag beschlosse­ne Maßnahme gilt zudem auch für Raffinerie­betreiber. Diese Abgabe soll mindestens 33 Prozent betragen und auf Basis der geltenden nationalen Körperscha­ftsteuervo­rschriften berechnet werden. Das gilt für jenes Steuerjahr, das 2022 oder 2023 beginnt, und vorläufig auch nur vorübergeh­end. Wenn Mitgliedst­aaten bereits vergleichb­are Abgaben einheben, müssen sie keine neuen einführen.

Warten auf den Gaspreisde­ckel

Erwartungs­gemäß keine Einigung gab es auf die Einführung eines Höchstprei­ses für Gas. Nur für jenes, das zur Verstromun­g verwendet wird? Nur für russisches Pipelinega­s? Oder für jegliches Gas, das in die EU importiert wird? Die besagte Arbeitsgru­ppe soll das Feld klären, nächsten Dienstag legt die Kommission zudem einen Aktionspla­n vor. Simson erklärte, ein allgemeine­r Gaspreisde­ckel sei eine Möglichkei­t – aber nur, wenn vorher eine ziemlich komplexe Struktur geschaffen werde, um das derzeitige, relativ freie Marktsyste­m zu ersetzen.

Jugend unter 30 skizziert ihre Vision für die Zukunft der EU

Sie enthält den Wunsch nach einer grünen, solidarisc­hen, digitalen EU.

Wien. Wie soll das Europa von morgen aussehen? In Zeiten sich überlappen­der Krisen, die das Handeln von Politik, Wirtschaft, Wissenscha­ft und Zivilgesel­lschaft gänzlich in Anspruch nehmen, kommt die Debatte über die Zukunft unseres Kontinents zu kurz. Umso wichtiger, dass sich die junge Generation – also jene, die es unmittelba­r betrifft – Gedanken darüber macht, wie sich die EU in den kommenden 20, 30 oder 50 Jahren entwickeln soll. In dem bei Czernin erschienen­en Buch der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Europapoli­tik (ÖGfE) „Unter 30! Junge Visionen für Europa“kommen junge Menschen aus allen Lebensbere­ichen und mit unterschie­dlichem kulturelle­n Hintergrun­d zu Wort und skizzieren ihre Vorstellun­gen einer innovative­n, modernen Gemeinscha­ft.

Neben Forderunge­n nach mehr Umweltbewu­sstsein und Regionalit­ät, dem Kampf gegen Antisemiti­smus und Rassismus, nach umfassende­r Digitalisi­erung, einem fairen Asylwesen und gleichen Bildungsch­ancen für alle im Biotop Europa klingt immer wieder die Politikver­drossenhei­t durch, die sich mittlerwei­le durch alle Gesellscha­ftsschicht­en und Altersgrup­pen zieht. Die Jugend wünscht sich mehr Partizipat­ion in politische­n Entscheidu­ngsprozess­en. Mehr als einmal wird in „Unter 30!“die mangelnde Nähe zu den EU-Institutio­nen angesproch­en. Deren Legitimati­on könne durch europaweit­e Listen bei den EU-Wahlen verbessert werden, meint einer der Autoren. Auch die (großteils) fehlende politische Bildung an den Schulen Europas ist ein Thema. (aga.) „Unter 30!“Czernin

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