„Der nächste Winter wird noch schwieriger“
Energiekrise. Die EU segnet bereits vereinbarte Maßnahmen ab, um die überschießenden Strompreise zu bremsen. Doch in der Kardinalfrage, wie die Gaspreise gezügelt werden können, herrscht zu Beginn der Heizsaison Uneinigkeit.
Brüssel. Eine Pflicht zum Stromsparen, die Abschöpfung von Zufallsgewinnen der Energiewirtschaft im Ausmaß von jährlich bis zu 140 Milliarden Euro und eine Solidaritätsabgabe von mindestens 33 Prozent auf die Gewinne der Betreiber kalorischer Kraftwerke: In Windeseile segneten die Energieminister von 26 Mitgliedstaaten und Ungarns kremlfreundlicher Außenminister am Freitag in Brüssel drei große Maßnahmen zur Dämpfung der seit vorigem Jahr unaufhaltsam steigenden Strompreise ab.
„Das ist ein weiteres Puzzlestück, aber definitiv nicht das letzte“, sagte der tschechische Energieminister Jozef S´ıkela, der den Vorsitz des Rates führte, nach dessen Ende. „Wir müssen weiter arbeiten, wir sind in einem Energiekrieg mit Russland. Weitere, dringende und koordinierte Aktionen sind nötig.“Das betrifft vor allem die Frage nach Maßnahmen zur Zügelung der Gaspreise. In dieser Frage kamen die Minister nicht voran. Die Europäische Kommission soll nun eine Expertengruppe zusammenstellen, um Optionen dafür zu analysieren. „Wir wissen, dass dieser Winter schwierig wird. Und der nächste Winter wird noch schwieriger“, sagte Energiekommissarin Kadri Simson. Zumindest im Strommarkt besteht nun die Hoffnung, dass drei Maßnahmen greifen, sobald sie voraussichtlich Ende nächster Woche von den Mitgliedstaaten formal beschlossen und im Amtsblatt der EU veröffentlicht sind.
Pflicht zum Stromsparen
Erstens geht es ums Sparen. Zehn Prozent ihres gesamten Stromverbrauchs zwischen 1. Dezember und 31. März kommenden Jahres können die Mitgliedstaaten freiwillig, fünf Prozent ihres Verbrauchs in Spitzenzeiten müssen sie senken. Wie sie das machen, bleibt ihnen überlassen. Das soll die Nachfrage nach Gas dämpfen und damit auch die fatale Gas-Strom-Preis-Spirale durchbrechen.
Abschöpfung der Zufallsgewinne
Denn fast jedes Kind weiß es mittlerweile: Der Strompreis wird vom jeweils letzten zugeschalteten, teuersten Gaskraftwerk bestimmt. Das verschafft Stromversorgern, die auf erneuerbare Energie, Braunkohle, oder Kernkraft setzten, seit Monaten enorme Zufallsgewinne. Damit soll nun Schluss sein. Alles, was über 180 Euro pro Megawattstunde hinausgeht, sollen diese Erzeuger in einer zweiten am Freitag politisch beschlossenen Maßnahme an ihre Privatkunden sowie Klein- und Mittelbetriebe zurücküberweisen. 140 Milliarden Euro pro Jahr hatte sich die Kommission hieraus erwartet. Doch das letztlich angenommene Dokument gibt den Mitgliedstaaten zahlreiche Ausnahmemöglichkeiten, weshalb es offen ist, ob wirklich so viel Geld zur Dämpfung der Preiskrise erlöst werden kann. Gelten soll das ab 1. Dezember diesen Jahres bis Ende Juni 2023.
Abgabe für kalorische Kraftwerke
Wenn die Betreiber von kalorischen Kraftwerken (also solche, die mit Gas, Kohle, oder Öl laufen) Gewinne machen, die 20 Prozent über ihren durchschnittlichen Gewinnen seit dem Jahr 2018 liegen, so sollen die Mitgliedstaaten diese in Form einer Solidaritätsabgabe abschöpfen müssen. Diese dritte am Freitag beschlossene Maßnahme gilt zudem auch für Raffineriebetreiber. Diese Abgabe soll mindestens 33 Prozent betragen und auf Basis der geltenden nationalen Körperschaftsteuervorschriften berechnet werden. Das gilt für jenes Steuerjahr, das 2022 oder 2023 beginnt, und vorläufig auch nur vorübergehend. Wenn Mitgliedstaaten bereits vergleichbare Abgaben einheben, müssen sie keine neuen einführen.
Warten auf den Gaspreisdeckel
Erwartungsgemäß keine Einigung gab es auf die Einführung eines Höchstpreises für Gas. Nur für jenes, das zur Verstromung verwendet wird? Nur für russisches Pipelinegas? Oder für jegliches Gas, das in die EU importiert wird? Die besagte Arbeitsgruppe soll das Feld klären, nächsten Dienstag legt die Kommission zudem einen Aktionsplan vor. Simson erklärte, ein allgemeiner Gaspreisdeckel sei eine Möglichkeit – aber nur, wenn vorher eine ziemlich komplexe Struktur geschaffen werde, um das derzeitige, relativ freie Marktsystem zu ersetzen.
Jugend unter 30 skizziert ihre Vision für die Zukunft der EU
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