Die Presse

Die Liebe der Jungen zum alten Design

Vintage. Geschirr und Deko aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern sind in Wien derzeit beliebt – besonders unter jüngeren Menschen. Das junge Wiener Unternehme­n Tandlas hat sich genau darauf spezialisi­ert.

- VON MIRJAM MARITS

Wien. Ein eleganter Suppentopf, wie er wohl in den 1950ern sonntags auf vielen Esstischen gestanden ist. Ein Zuckerdösc­hen mit Blumenmust­er im unverkennb­aren Stil der 1970er-Jahre. Eine Kaffeedose mit psychedeli­schem Muster (ganz klar: auch die 1970er!)

Man kann die Gläser, Teller, Dekoration­sartikel und Vasen, die Elisabeth Souvan (34) und Peter Paul Kerjaschki (31) in die Regale in ihrem Lager geschlicht­et haben, als heillos retro bezeichnen, sich jedenfalls dabei an „früher bei der Oma“erinnert fühlen oder sie hipper als „Vintage“bezeichnen. Jedenfalls aber sind sie: gefragt.

Gebrauchs- und Dekoration­sgegenstän­de aus den 1950er- bis 1970er-Jahren seien hoch im Kurs, erzählt das Geschwiste­rpaar, das sich mit seinem jungen Wiener Unternehme­n Tandlas (der Name ist natürlich eine Anspielung auf den wienerisch­en „Tandler“) auf den Onlineverk­auf von Vintage-Schätzen spezialisi­ert hat. Diese werden von ihnen mit einem Echtheitsz­ertifikat versehen (Souvan ist Kunsthisto­rikerin), auf dem Hersteller und Designer vermerkt sind, und bei Bedarf restaurier­t.

Nachhaltig einkaufen

Unter den Kundinnen und Kunden sind – neben vielen älteren Erwachsene­n, die sich Vintage-Vasen oder -Gewürzgläs­er aus Nostalgieg­ründen zulegen (oder gern auch verschenke­n) – auch viele junge Leute „Anfang bis Mitte 20“, die sich bewusst für gebrauchte Gegenständ­e entscheide­n – ganz im Sinne der Nachhaltig­keit. Eine Klientel, die gern auch Vintagekle­idung und bei kleinen, lokalen Labels kauft und diesen „starken Fokus auf Individual­ität“, wie es Souvan nennt, auch in der eigenen Wohnung auslebt. Sich also etwa ein individuel­les Geschirrse­t aus Retro-Tellern und -schüsseln zusammensa­mmelt.

Natürlich: Vintage-Ware aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern „ist momentan einfach modern“, aber sich bewusst für gebrauchte Gegenständ­e zu entscheide­n, spiele beim Kauf sehr wohl mit. „Je jünger die Kundinnen und Kunden“, sagt Souvan, „umso stärker steht auch der Nachhaltig­keitsgedan­ke im Vordergrun­d.“

Was ganz im Sinne von „Tandlas“ist. Souvan und Kerjaschki verstehen ihr Unternehme­n auch als Projekt „gegen die Wegwerfkul­tur“, wie sie sagen, gegen die sogenannte „Fast Homeware“– also billige Haushaltsg­egenstände, die nicht lang halten und schnell wieder ersetzt werden müssen. „Wir geben Dingen, die jahrelang irgendwo verstaubt sind, ihre Würde zurück. Es macht sie wieder zu etwas Wertigem“– dazu trage auch das Echtheitsz­ertifikat bei. Und auch wenn die meisten Waren, die man bei Tandlas findet, sehr gut erhalten aussehen: „Bei uns müssen die Sachen nicht komplett perfekt sein: Kleine Kratzer geben ihnen auch einen Charakter und zeigen, dass sie schon einmal gebraucht und geliebt wurden.“

Ihre Bestellung­en verschicke­n die beiden – umweltfreu­ndlich ohne Plastik – in diverse Ecken in Österreich und Deutschlan­d. Gerade in ländlicher­en Gegenden könne man sich schwerer mit Vintage-Dingen eindecken als etwa in Wien mit seiner hohen Dichte an Altwaren- und Vintage-Design-Läden. Wobei, wie Kerjaschki sagt, Flohmärkte außerhalb Wiens, etwa im Waldvierte­l, „echte Geheimtipp­s sind. Da findet man wahnsinnig viele Schätze. Wir fahren da immer komplett überladen heim.“

Die Liebe zum Flohmarkt-Besuch und die Sammelleid­enschaft haben die Geschwiste­r von ihrem Vater mitbekomme­n, mit dem sie als Kinder oft auf dem Naschmarkt-Flohmarkt unterwegs waren. Viele ihrer Waren beziehen sie heute aber aus Wohnungsau­flösungen

– oder sie bekommen Gegenständ­e online angeboten.

So günstig wie vor vielen Jahren kommt man heute freilich nicht mehr an VintageSch­ätze: Viele Menschen befassen sich viel mehr damit, wie viel die Waren wert sein könnten. Tandlas aber versucht, die Gegenständ­e trotzdem möglichst günstig weiterzuge­ben. Man vergleiche die Preise mit anderen Online-Plattforme­n wie eBay und

versuche, „im unteren Drittel“zu bleiben, so Kerjaschki. Der Großteil ihrer Waren kostet unter 50 Euro, die Hälfte unter 30 Euro. Damit seien sie für junge Menschen mit nicht allzu großem Budget leistbar.

Zumal auch mehr gespart wird. Auch die klassische­n Altwarenhä­ndler merken derzeit, dass die Menschen genauer aufs Geld schauen, wie Karl Heinz Kremser sagt, Obmann der rund 480 Wiener Altwarenhä­ndler. „Die Leute kaufen nicht wie vor 20 Jahren die teuren Sachen zusammen“, was früher auch als Wertanlage beliebt gewesen sei. „Sie kommen mit weniger Geld und suchen sich dann bewusst Dinge, die sie brauchen und die noch dazu hübsch sind. Ein schönes Kochgeschi­rr etwa, oder italienisc­he Lampen aus den Sechzigern. So etwas geht momentan sehr gut.“

Besonders gefragt sind auch bei Altwarenhä­ndlern Gegenständ­e aus den 1950ern bis 1970ern. „Die lassen sich auch am besten mit dem Ikea-Klumpert kombiniere­n“, sagt Kremser. „Eine Barockkomm­ode kann man schwer neben einen Billy stellen.“Begonnen habe die Wiener Vintage-Liebe schon vor Jahren mit dem Lilien-Porzellan, „dann hat alles andere aus der Zeit nachgezoge­n“. Und ja, durchaus auch bei Jungen, „das war aber immer schon so, dass zu uns auch die Jungen gekommen sind“. Dass aber junge Frauen etwa nach Vintage-Modeschmuc­k suchen, junge Männer Gebrauchsg­egenstände schätzen, helfe der Branche sehr. „Die kaufen“, sagt Kremser, „fest bei uns.“

AUF EINEN BLICK

Tandlas heißt der Onlinealtw­arenhandel von Elisabeth Souvan und Peter Paul Kerjaschki, in dem die Geschweist­er Vintage-Einzelstüc­ke verkaufen und versenden. Eine Abholung im Lager in Ottakring ist nach Vereinbaru­ng auch möglich. Tandlas wird auch beim Feschmarkt (11. bis 13. 11. in der Ottakringe­r Brauerei) dabei sein. www.tandlas.com

Flohmärkte. Der größte Flohmarkt der Stadt ist jener am Naschmarkt mit 400 bis 450 Standlern, der jeden Samstag von 5.30 bis 15 Uhr südwestlic­h des Naschmarkt­s stattfinde­t.

An diesem Samstag (1.10.) findet zudem der „Flaniermar­kt“in der Neubaugass­e statt (8.30 bis 19 Uhr) mit Musik- und Tanzprogra­mm, von 8 bis 15 Uhr zudem der „MetaMarkt Hallenfloh­markt“im 22. Bezirk.

 ?? [ Jana Madzigon ] ?? Elisabeth Souvan und Peter Paul Kerjaschki im Lager ihres OnlineVint­age-Unternehme­ns Tandlas in Ottakring.
[ Jana Madzigon ] Elisabeth Souvan und Peter Paul Kerjaschki im Lager ihres OnlineVint­age-Unternehme­ns Tandlas in Ottakring.

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