Russland belastet Raiffeisenbanken in Milliardenhöhe
Landesbanken. Der Krieg in der Ukraine sorgt bei den Raiffeisenlandesbanken für Verluste. Denn der Wert ihrer RBI-Beteiligung verfällt.
Wien. Russland gilt der erste Satz im Finanzbericht. „Das 1. Halbjahr 2022 war insbesondere durch den Krieg Russlands in der Ukraine und die damit zusammenhängenden Unsicherheiten über die weitere geopolitische und wirtschaftliche Entwicklung geprägt“, schreibt die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien (RLB NÖ-Wien).
Sehr aufschlussreich ist das allerdings nicht. Seit Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert ist, schwebt das Damoklesschwert nicht nur über der Raiffeisen Bank International (RBI), sondern auch über ihren acht Landesbanken (RLB). Bisher profitierten sie von ihrer Beteiligungen an der Aktiengesellschaft. Denn bisher brachte die RBI-Russlandtochter kräftige Gewinne. Zusammen mit der Ukraine und Belarus erwirtschaftete die Region Russland im Geschäftsjahr 2021 knapp die Hälfte des gesamten RBI-Gewinns.
Doch nun werden ihre Beteiligungen zum Verhängnis. Aufgrund
der Sanktionen ist es fast unmöglich, das Geld abzuschöpfen. Viele Analysten gehen davon aus, dass das Russland-Geschäft verkauft wird. Nach sieben Monaten Krieg hätte man sich dazu auch eine klare Stellungnahme gewünscht. Doch die Banken bleiben zum Thema wortkarg.
Werteverfall von 910 Mio.
Doch ein paar Zahlen bringen nun Licht ins Dunkel – sie deuten an, wie groß der Schaden für das Raiffeisen-Imperium ist. Die RLB NÖWien beziffert den Werteverfall an ihrer RBI-Beteiligung mit 910 Millionen Euro. „Trotz eines sehr guten operativen Geschäftsverlaufs und positiver Kapitaleffekte durch die Aufwertung des russischen Rubels war eine deutliche Abwertung des Beteiligungsbuchwertes erforderlich“, heißt es vonseiten der RBL NÖ-Wien, die mit 22,6 Prozent größter Eigentümer der börsennotierten RBI ist. Das lässt das Betriebsergebnis im ersten Halbjahr 2022 mit 490,9 Millionen Euro in die roten Zahlen rut
schen. Im Halbjahr 2021 war es noch ein Gewinn von 152 Millionen Euro. Das ist besonders bitter, weil das Zinsgeschäft deutlich besser lief. Ohne das Impairment stünde ein Plus von 419,1 Millionen Euro in den Büchern.
Erstmals hatten sich die Russlandprobleme bei den Halbjahresergebnissen der RLB Steiermark und RLB Oberösterreich gezeigt, die jeweils rund zehn Prozent an der RBI halten. In der Steiermark nahm man eine Wertberichtigung in Höhe von 391,4 Millionen Euro vor. Damit blieb auch hier nur ein Verlust von 134,73 Millionen Euro. Die RLB OÖ wertberichtigte die RBI um 205,2 Millionen Euro. Damit war das Betriebsergebnis mit 222 Millionen Euro ebenfalls rot.
Insgesamt wurden also bisher Wertberichtigungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro öffentlich. Auch weitere Raiffeisenlandesbanken haben Beteiligungen an der RBI. Diese liegen jedoch jeweils unter vier Prozent.
Inwieweit es zu abermaligen Abwertungen kommt, hängt laut RLB NÖ-Wien „von der weiteren Entwicklung der Situation“und dem Kurs „des russischen Rubels“ab. Zuletzt hatte die RBI-Russlandtochter von der Rubel-Aufwertung gegenüber dem Euro profitiert, so dass sich das Eigenkapital im ersten Halbjahr auf 4,3 Milliarden Euro erhöhte.
Spannendes hält die Risikoauswertung parat. Die RBI berechnete zwei Planszenarien, um die Unsicherheit des Krieges darzustellen. „Auf Basis der aktuellen Beschlusslage wurde in beiden Szenarien von einem Verbleib in den Ländermärkten Russland und Belarus ausgegangen“, so die RLB NÖ-Wien. Das ist überraschend.
Zuletzt gingen Analysten von einem Verkauf des Russlandgeschäfts aus. „Die Szenarien unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Dauer des Krieges und inwieweit die nachhaltige wirtschaftliche Lage in den wesentlichen Ländermärkten der RBI durch den Krieg beeinflusst wird“, so die RLB.
Offene Fragen
Plant RBI in Russland zu bleiben? Anders als in den USA bekommt die zweitgrößte Bank des Landes zwar keinen Druck von der Regierung. Doch derzeit zeichnet sich keine politische Lösung ab, was die Möglichkeit zu bleiben deutlich erschwert. Damit bleiben wichtige Fragen unbeantwortet.
Wann verkauft RBI das Russlandgeschäft? Mögliche Szenarien werden von der RBI „analysiert sowie unterschiedliche strategische Optionen in Bezug auf Russland und Belarus evaluiert“, schreibt die RLB NÖ-Wien.
Falls es zu einem Verkauf kommt, wer käme als Käufer in Frage? Hier fällt der Blick vor allem auf die Gazprombank. Viele Alternativen neben der staatlichen Bank gibt es nicht. Am Markt kursierte ein Gerücht, dass die RBI Russia Aktiva mit der russischen VTB Europa tauschen und so Russland verlassen könnte. Doch viel Glaubwürdigkeit schenken Analysten dieser Variante derzeit nicht.
Kommt es zum Verkauf, wie hoch könnte der Preis sein? RBI ist derzeit unter Zugzwang und kann beim Preis nicht wirklich hoch pokern. Viel Auswahl gibt es nicht. Der Käufer dürfte politisch auserkoren werden. Das heißt also, der Käufer hat das Sagen. Das drückt den Verkaufspreis erheblich.