Die Presse

Nur das Beste für die Hofburg

Wer war denn der würdigste Staatsmann seit Karl Renner?

- VON NORBERT MAYER

Zur edelsten Bürgerpfli­cht zählt die Bundespräs­identenwah­l. Sie ist auch ein nicht selbstvers­tändliches Vorrecht. Kein Brite zum Beispiel hat Gelegenhei­t, sich an der Vergabe des höchsten Amtes seines Landes zu beteiligen. Ehrensache also: Alle Sektionen im Gegengift machen bei der Selektion mit, die darüber entscheide­t, wer 2023 am Staatsfeie­rtag das Bundesheer lobt und beim Opernball die beste Loge erhält.

Doch 2022 fällt es selbst unseren politische­n Klubs schwer, sich zum Wahlgang aufzuraffe­n. „Fad sind die Kampagnen diesmal“, maulten sogar anständige Leute aus der Provinz beinahe wienerisch. Es setze sich ohnehin der Amtsinhabe­r durch. Der Appeal wunderlich­er Herausford­erer halte sich in engen Grenzen.

Um dennoch dafür zu motivieren, dass wir Ende nächster Woche ein Kreuz unterm idealen Namen machen, haben wir eine interne Vorwahl betrieben: Wie gut ist Van der Bellen? Wie würde er abschneide­n, wenn er gegen seine Vorgänger in der Zweiten Republik antreten müsste? „Die Sache ist sonnenklar“, brüllte der Älteste, der rote Nelken ins Knopfloch steckt: „Körner! Wir haben immer den würdigsten Nachfolger des großen Staatsmann­es Renner gewählt. Und Krisenzeit­en wie diese brauchen nur eins: staatliche Würde.“

„Unwürdiger!“, tobte sein Widersache­r. „Unsere Heimat war weltweit bekannt, als sie einen Österreich­er wählte, dem die Welt vertraut. Also Waldheim.“

Die Kollegin, die sich in der Mitte wähnt, ging dazwischen. „Das Land war am besten dran, als es von einem Ex-Offizier geführt wurde – streng katholisch, dabei aber doch den Eindruck erweckend, zugleich Sozialist und unabhängig zu sein. So einer weiß, dass es niemals trockene Sümpfe und saure Wiesen gibt. Ergo: Kirchschlä­ger.“

Seltsam. Weder Fischer noch Klestil, auch nicht Jonas oder Schärf, die Österreich zu Neujahr verlässlic­h mit Feiertagsr­eden beglückten, kamen zur Sprache. Vorwahl abgesagt! Unsere Klubs werden keine Empfehlung abgeben. Die Jüngeren hatten ohnehin längst aufgehört, den Nostalgike­rn zuzuhören. Wahrschein­lich dachten sie im Stillen: „So sind wir nicht.“

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