Björk bleibt die Waldfee unserer Wahl
Neues Album.
Björk legt mit dem manisch-depressiven Album „Fossora“– die „grabende Frau“– einmal mehr ein famos grenzwertiges Opus hin. Musikalisch überbordend, mit einer Stimme, die immer noch zu penetrieren vermag.
Es ist ihr zehntes Album und bereits das dritte, das die Schmerzen der Trennung von ihrem langjährigen Partner, Künstler Matthew Barney, im Jahr 2013 exorziert, was zuvor zu verzweifelten Liedern wie „Stonemilker“geführt hat. Aus pochendem Schmerz wurde mittlerweile Phantomschmerz. Und Björk ist aus den USA nach Reykjavik zurückgekehrt, nicht zuletzt, um mit ihren Zehen in der Heimaterde zu wühlen. „I just wanted to land on planet Earth and dig my toes into the soil“, sagt sie wörtlich.
„Fossora“steht für „grabende Frau“. Bei dieser Tätigkeit entdeckt sie die wundersame Welt der Pilze, die Björk als Nervensystem des Waldes bezeichnet. Ergo zelebriert sie in „Fungal City“das Mysterium des Waldes. „His capacity for love is enormous, his celebrational intelligence is ridiculous.“So sehr, dass es zu einer Polverschiebung innerhalb ihrer Persönlichkeit kommt. „His vitality repolarises me, my north-south swifts to east-west.“Liebliche Geigenpizzicati und Bassklarinettenbrummer ornamentieren diese schöne Waldfeenlyrik. Anderswo auf diesem einmal mehr musikalisch überbordenden Werk drückt die Beschäftigung mit der Erde aufs Gemüt. „Our roots are dug into sorrowful soil“heißt es im den Tod der Mutter beklagenden „Sorrowful Soil“.
Radikal neugierig wie eh und je
Die bald 57-Jährige, zweifache Mutter, seit Kurzem auch Großmutter, lässt sich von den grausamen Seiten des Lebenskreislaufs nicht unterkriegen. Ihre Neugier ist radikal wie eh und je, ihr musikalischer Ansatz vielseitig und vital. Die neuen Sounds sollen klingen, sagt sie, als wollte sie einen Dinosaurier in den Magen boxen. Und das tun sie auch, wenn Björk einen jahrhundertealten isländischen Folksong wie „Fagur Er ´ı Fjöro˜um“in kargem Arrangement interpretiert. Immer noch ist ihre Stimme in der Lage, richtiggehend zu penetrieren. Diesfalls, wenn es um den Einbruch der Kälte in den Fjord geht. „But when winter our way, one day does blow, I know of no worse place in this worldly space: men and creatures die.“Wundersam harmonisch klingt ihre alterslose Stimme hingegen in den warmen Wind der Bassklarinetten. Etwa auf „Victimhood“. „Felt the world owed me love“, ruft sie hier sehnend aus.
Abermals hat Björk in ihrer unbezähmbaren Neugier recht unwahrscheinliche Komplizen eingeladen, mit ihr zu singen, mit ihr zu musizieren. Darunter die norwegische Sängerin Emilie Nicolas und das aus Indonesien gebürtige Dubstep-Duo Gabber Modus Operandi, das auch schon beim Donaufestival in Krems zugange war. Fazit: Björk bleibt die Waldfee unserer Wahl.