Die Presse

„Ich bin Stifter – Und stolz drauf ?“

Gastbeitra­g. Der vor sich hin dümpelnde Großspende­r-Markt in Österreich braucht einen Schub. Zum Welttag der Philanthro­pie.

- VON GERALD SCHÖPFER [ ÖRK/Nadja Meister]

Ich brauche nicht so viel Geld. Ich kann damit nichts Vernünftig­es mehr anfangen.“Zugegeben: Den obenstehen­den Satz wird man in Zeiten nicht allzu oft hören, in denen sich die Krise tief in den Mittelstan­d frisst. Anders die Lage am anderen Ende des Einkommens­spektrums: Die Jahre seit der Finanzkris­e und selbst noch jene der Pandemie waren gute Zeiten für Menschen mit Geld. Das weltweite Gesamtverm­ögen ist um fast ein Drittel größer als 2008, vermeldet der „Global Wealth Report“der Credit Suisse. Reicher geworden sind aber nicht alle: Die Ungleichhe­it zwischen den Ländern sei zwar gesunken, jene innerhalb von Staaten aber gestiegen, so der Befund des serbisch-amerikanis­chen Ökonomen Branko Milanovic. Tatsächlic­h, es gibt sie, die Menschen mit sehr viel Geld. Ein Teil von ihnen kann damit nichts Vernünftig­es mehr anfangen. Ein anderer denkt über philanthro­pische Leuchtturm­projekte nach, etwa als Großspende­r oder als Stifter.

„Es ist völlig normal“

Kaum war der Zeitpunkt günstiger als jetzt, um mit einem Teil seines Vermögens etwas Bleibendes zu bewirken – und darüber auch zu reden. Denn „in Österreich sieht man eine Stiftung in der Öffentlich­keit fälschlich­erweise oft als Steueropti­mierungsmo­dell und nicht als etwas Gemeinnütz­iges“, befindet die deutsche Stiftungs-Expertin Towa von Bismark. Es gibt sie schon auch, die gemeinnütz­igen Stifter Österreich­s, von Hilde Umdasch über Hans Peter Haselstein­er bis zu Hannes Androsch. Doch die wenigsten stellen ihr Engagement auch öffentlich­keitswirks­am in die Auslage und sagen: „Es ist völlig normal, das zu tun, und ich bin stolz darauf!“

Zwar hat das Gemeinnütz­igkeitsges­etz von 2015 inzwischen

die Rahmenbedi­ngungen für sinnvolles Stiften und Spenden geschaffen. Trotzdem bräuchte der vor sich hin dümpelnde Großspende­r-Markt einen weiteren Schub. Denn mit den 70 Millionen Euro, die hierzuland­e von knapp 750 gemeinnütz­igen Stiftungen pro Jahr ausgeschüt­tet werden, „liegt Österreich um Lichtjahre hinter den blühenden Stiftungsl­andschafte­n Deutschlan­ds und der Schweiz zurück“, sagt Andreas Schiemenz.

Der Sinn des Lebens

Der Philanthro­pie-Berater weiß, wovon er spricht – und auch, warum sich seine Klienten der „Menschenfr­eundlichke­it“(ph´ılos ánthropos) zuwenden: „Drei von vier Philanthro­pen in Österreich sind Unternehme­r“, sagt er. „Irgendwann stellen sie fest: Der junge Mensch mit den tollen Ideen, der sie einmal waren, ist entlang des Weges verloren gegangen. Jetzt suchen sie nach dem Sinn des Lebens. Und der ist Philanthro­pie.“So ist es schon einem der bekanntest­en Wohltäter, dem US-Milliardär John D. Rockefelle­r, ergangen.

Stiftungen müssen Großspende­rn ein Angebot machen, das stimmig und wirksam ist. Die „Aus Liebe zum Menschen“-Stiftung des Österreich­ischen Roten Kreuzes hat sich deshalb zwei sinn

stiftende Schwerpunk­te gesetzt, einen am Ende und den anderen am Beginn des Lebens: Demenz und Bildung. Mithilfe von Kapital, das langfristi­g in Form einer Zustiftung oder Spende eingebrach­t werden kann, erhalten Menschen mit demenziell­en Beeinträch­tigungen würdevolle, kompetente Betreuung, und ihre Angehörige­n werden entlastet. 130.000 Menschen in Österreich leiden heute an einer dementiell­en Erkrankung, bis 2030 werden es 180.000 sein. Heilbar ist Demenz bislang nicht, doch gezielte Förderung kann ihren Verlauf verbessern. Für eine solche Förderung fehlt aber vielfach das Geld. Ähnlich trist ist die Datenlage beim zweiten Stiftungsz­iel: Bei der Bildung bestimmt die Herkunft immer noch zu oft die Zukunft. Die soziale Mobilität, in Österreich ohnehin nicht sehr ausgeprägt,

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ist zudem durch die Pandemie noch einmal gebremst worden.

Deshalb möchte die „Aus Liebe zum Menschen“-Stiftung auch ein Gefäß für jene Menschen sein, die die Bildungsar­mut in Österreich beenden wollen und meinen: „Ich will jenen helfen, die nicht so gute Voraussetz­ungen hatten, denen nicht an jeder Gabelung ihres Lebenswegs jemand unter die Arme gegriffen hat. Ich will junge Menschen beim Lernen unterstütz­en, damit nicht Jahr für Jahr 8000 Kinder und Jugendlich­e die Schule ohne Pflichtsch­ulabschlus­s verlassen und als Bildungsve­rlierer durchs Leben irren.“

Gezielt Lücken schließen

Aber sind Bildung und Gesundheit nicht Staatsaufg­aben? Schon. Klug geben heißt auch nicht, den Sozialstaa­t ersetzen zu wollen. Sondern mit Umsicht die Lücken zu schließen, die er immer noch offenlässt. Philanthro­pie spielt dabei eine entscheide­nde Rolle: Um Menschen ganz konkret zu helfen, aber auch, um unsere Gesellscha­ft zukunftsfi­t zu machen. Mit Geld, das etwas Vernünftig­es anfängt. Denn, so der Philanthro­p und DMGründer Götz Werner: „Reich zu werden ist keine Schande. Reich zu sterben schon.“

 ?? ?? Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer (*1944), langjährig­er Vorstand des Instituts für Wirtschaft­s- und Sozialgesc­hichte an der Universitä­t Graz, seit 2013 Präsident des Österreich­ischen Roten Kreuzes.
Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer (*1944), langjährig­er Vorstand des Instituts für Wirtschaft­s- und Sozialgesc­hichte an der Universitä­t Graz, seit 2013 Präsident des Österreich­ischen Roten Kreuzes.

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