Mit altem Ziegelgold durch neue Krisen
Wiener Zinshausmarkt. Mehr Transaktionen, mehr private Käufer, Green-Building-Features und neue „Lieblingsbezirke“.
Wir sind wie die Pfadfinder“, meint Eugen Otto von Otto Immobilen zur Entwicklung auf dem Zinshausmarkt bei der Präsentation des aktuellen Marktberichts. „Es ist auch für uns spannend, in welche Richtung es geht.“Auf den ersten Blick wirkt die Assetklasse so stabil, als hätten weder der Krieg in der Ukraine, Pandemie, Inflation noch Klimakrise Einfluss auf das Wiener Zinshaus. Mit dicker Ziegelmauer, solider Holzbalkendecke, potenziell (raum)klimafittem Doppelfenster und ausbaufähigem Dachboden steht es schließlich – definiert man es wie im Bericht – seit längstens 1848, mindestens 1918 fest auf dem Wiener Boden. „Faktum ist, dass ein Zinshaus ein sehr krisenresistentes Investment ist, das hat die Vergangenheit gezeigt“, sagt Markus Arnold, CEO von Arnold Immobilien.
Private vermehrt als Käufer
„Es verkörpert das Grundbedürfnis nach dauerhaften Werten“, meint auch Franz Pöltl, GF der EHL Investment Consulting. „Die Investoren suchen in erster Linie Stabilität. Das macht Zinshäuser, die traditionell als langfristiges Investment
gelten, in Krisen besonders attraktiv.“Jedenfalls im Vergleich zu anderen Formen, sein Geld quasi in Sicherheit zu bringen. So gab es im ersten Halbjahr 2022 in allen Bereichen Zuwächse und Steigerungen gegenüber dem Vorjahr: sowohl was die Zahl der Verkäufe betrifft (plus 36 Prozent) als auch das Verkaufsvolumen (plus vier Prozent). Insgesamt wird der gemeinsame Umsatz von Assetdeals und Sharedeals im ersten Halbjahr 2022 im Bericht mit 1,1 Mrd. Euro beziffert. Auch die Preissteigerungen in den einzelnen Bezirken lagen im Schnitt unverändert im zweistelligen Prozentbereich.
Auf den zweiten Blick sind neue Strömungen zu bemerken: Es werden wieder mehr ganze Häuser verkauft (siehe Infokasten), Objekte mit Green-Building-Features werden gefragter, und rund 46 Prozent der Käufe wurden von Privaten getätigt – um elf Prozentpunkte mehr als 2021. Private Verkäufer gab es zu knapp 30 Prozent, um 17 Prozentpunkte weniger als 2021. Insgesamt ist das Angebot an Häusern gesunken – vor allem Private überlegen sich in diesen Zeiten einen Verkauf sichtlich länger. Die gleichzeitig starke Nachfrage hat dazu geführt, dass die Mindest
preise deutlich zugelegt haben: plus 22 Prozent im 12. Bezirk, plus 19 im 8. Bezirk. Die niedrigsten Einstiegspreise sind immer noch außerhalb des Gürtels zu finden, mittlerweile wird kein Zinshaus in einem durchschnittlichen Zustand unter 2275 Euro/m2 verkauft.
Neue Hotspots
Bei den Verkäufen zeigten der 9. und 16. Bezirk mit plus 325 Prozent und plus 355 Prozent die stärksten Zuwächse. Insgesamt kam es in zwölf der 23 Wiener Bezirke zu Steigerungen der Transaktionsanzahl. In neun Bezirken war das Gegenteil der Fall, in der Donaustadt gingen die Verkäufe sogar
um 89 Prozent zurück. Das Transaktionsvolumen stieg in 13 Bezirken im Vergleich zum Vorjahr, mit Stichtag 16. August 2022 wurde in drei Bezirken (1030: 142 Mio. Euro, 1120 und 1180: je 105 Mio. Euro) ein Verkaufsvolumen von über 100 Mio. Euro beobachtet. In der Josefstadt wurde mit 18 Mio. Euro mehr als das Doppelte des Vorjahrs umgesetzt, ebenso mit elf Mio. Euro in Simmering und 24 Mio. Euro im Döbling. Der erste Bezirk schert aus: Hier nahm das Volumen um 54 Prozent ab.
„Käufer, die ein gutes Gespür für den Markt haben, kaufen jetzt zu“, sagt dazu Arnold. „Die derzeitige Situation ist nur ein temporärer
Zustand und mittelfristig, die Entwicklung wird wieder auf Vorkrisenniveau und darüber hinaus zielen“, schätzt er die Situation ein. Zu bedenken sei, dass sich auch Privateigentümer zunehmend mit der Zukunftsfitness ihres Objekts auseinandersetzen müssen. „Ein Wechsel etwa des Heizungssystems ist bei Bestandsobjekten besonders herausfordernd“, weiß Pöltl. Und ist einer der Gründe, warum derzeit Private verkaufen.
Wärmepumpe als Must-have?
Die Unsicherheit ob der Möglichkeiten bei der Implementierung nachhaltiger Energie im Zinshaus kennt man auch bei Otto Immobilien:
„Wir lernen gerade, welche technischen Möglichkeiten es in Wien etwa bei Wärmepumpen gibt, welche Dienstleister was machen können.“Ein aktuelles Projekt im 9. Bezirk mit Wärmepumpe im Keller und PV auf dem Dach soll in einem Jahr in Betrieb sein. „Alles kann man mit einem Zinshaus nicht machen“, meint Otto. „Aber bei unserem Pilotprojekt wollen wir sehen, was geht.“In Zukunft werden Green-Building-Features jedenfalls zunehmende wichtiger werden. Und wie geht es sonst weiter? „Eine leichte Abflachung der bisher steil nach oben steigenden Preiskurve ist schon im Bereich des Möglichen.“
ALTBAU IM FIABCI AWARD
Die Nutzung von Zinshäusern ändert sich: Einst zu Wohnzwecken gebaut, ist die gemischte Nutzung mit Wohnen, Arbeiten und Gemeinschaftsflächen im (Zinshaus-)Altbau angekommen. Was Altbauten für ein Potenzial haben, zeigen auch die Finalisten der gleichnamigen Kategorie beim Fiabci Prix d’Excellence Austria, aus denen am 20. Oktober der Sieger gekürt werden wird. Der Award bewertet Bauwerke in ihrem gesamten Kontext: neben Projektqualitäten und -innovationen auch Auswirkungen auf unmittelbare Umgebung, Vorbildwirkung oder Impulsgeber. www.fiabci.at Aktueller Zinshaus-Marktbericht: www.otto.at/marktberichte