Die Presse

Mit altem Ziegelgold durch neue Krisen

Wiener Zinshausma­rkt. Mehr Transaktio­nen, mehr private Käufer, Green-Building-Features und neue „Lieblingsb­ezirke“.

- VON DANIELA MATHIS

Wir sind wie die Pfadfinder“, meint Eugen Otto von Otto Immobilen zur Entwicklun­g auf dem Zinshausma­rkt bei der Präsentati­on des aktuellen Marktberic­hts. „Es ist auch für uns spannend, in welche Richtung es geht.“Auf den ersten Blick wirkt die Assetklass­e so stabil, als hätten weder der Krieg in der Ukraine, Pandemie, Inflation noch Klimakrise Einfluss auf das Wiener Zinshaus. Mit dicker Ziegelmaue­r, solider Holzbalken­decke, potenziell (raum)klimafitte­m Doppelfens­ter und ausbaufähi­gem Dachboden steht es schließlic­h – definiert man es wie im Bericht – seit längstens 1848, mindestens 1918 fest auf dem Wiener Boden. „Faktum ist, dass ein Zinshaus ein sehr krisenresi­stentes Investment ist, das hat die Vergangenh­eit gezeigt“, sagt Markus Arnold, CEO von Arnold Immobilien.

Private vermehrt als Käufer

„Es verkörpert das Grundbedür­fnis nach dauerhafte­n Werten“, meint auch Franz Pöltl, GF der EHL Investment Consulting. „Die Investoren suchen in erster Linie Stabilität. Das macht Zinshäuser, die traditione­ll als langfristi­ges Investment

gelten, in Krisen besonders attraktiv.“Jedenfalls im Vergleich zu anderen Formen, sein Geld quasi in Sicherheit zu bringen. So gab es im ersten Halbjahr 2022 in allen Bereichen Zuwächse und Steigerung­en gegenüber dem Vorjahr: sowohl was die Zahl der Verkäufe betrifft (plus 36 Prozent) als auch das Verkaufsvo­lumen (plus vier Prozent). Insgesamt wird der gemeinsame Umsatz von Assetdeals und Sharedeals im ersten Halbjahr 2022 im Bericht mit 1,1 Mrd. Euro beziffert. Auch die Preissteig­erungen in den einzelnen Bezirken lagen im Schnitt unveränder­t im zweistelli­gen Prozentber­eich.

Auf den zweiten Blick sind neue Strömungen zu bemerken: Es werden wieder mehr ganze Häuser verkauft (siehe Infokasten), Objekte mit Green-Building-Features werden gefragter, und rund 46 Prozent der Käufe wurden von Privaten getätigt – um elf Prozentpun­kte mehr als 2021. Private Verkäufer gab es zu knapp 30 Prozent, um 17 Prozentpun­kte weniger als 2021. Insgesamt ist das Angebot an Häusern gesunken – vor allem Private überlegen sich in diesen Zeiten einen Verkauf sichtlich länger. Die gleichzeit­ig starke Nachfrage hat dazu geführt, dass die Mindest

preise deutlich zugelegt haben: plus 22 Prozent im 12. Bezirk, plus 19 im 8. Bezirk. Die niedrigste­n Einstiegsp­reise sind immer noch außerhalb des Gürtels zu finden, mittlerwei­le wird kein Zinshaus in einem durchschni­ttlichen Zustand unter 2275 Euro/m2 verkauft.

Neue Hotspots

Bei den Verkäufen zeigten der 9. und 16. Bezirk mit plus 325 Prozent und plus 355 Prozent die stärksten Zuwächse. Insgesamt kam es in zwölf der 23 Wiener Bezirke zu Steigerung­en der Transaktio­nsanzahl. In neun Bezirken war das Gegenteil der Fall, in der Donaustadt gingen die Verkäufe sogar

um 89 Prozent zurück. Das Transaktio­nsvolumen stieg in 13 Bezirken im Vergleich zum Vorjahr, mit Stichtag 16. August 2022 wurde in drei Bezirken (1030: 142 Mio. Euro, 1120 und 1180: je 105 Mio. Euro) ein Verkaufsvo­lumen von über 100 Mio. Euro beobachtet. In der Josefstadt wurde mit 18 Mio. Euro mehr als das Doppelte des Vorjahrs umgesetzt, ebenso mit elf Mio. Euro in Simmering und 24 Mio. Euro im Döbling. Der erste Bezirk schert aus: Hier nahm das Volumen um 54 Prozent ab.

„Käufer, die ein gutes Gespür für den Markt haben, kaufen jetzt zu“, sagt dazu Arnold. „Die derzeitige Situation ist nur ein temporärer

Zustand und mittelfris­tig, die Entwicklun­g wird wieder auf Vorkrisenn­iveau und darüber hinaus zielen“, schätzt er die Situation ein. Zu bedenken sei, dass sich auch Privateige­ntümer zunehmend mit der Zukunftsfi­tness ihres Objekts auseinande­rsetzen müssen. „Ein Wechsel etwa des Heizungssy­stems ist bei Bestandsob­jekten besonders herausford­ernd“, weiß Pöltl. Und ist einer der Gründe, warum derzeit Private verkaufen.

Wärmepumpe als Must-have?

Die Unsicherhe­it ob der Möglichkei­ten bei der Implementi­erung nachhaltig­er Energie im Zinshaus kennt man auch bei Otto Immobilien:

„Wir lernen gerade, welche technische­n Möglichkei­ten es in Wien etwa bei Wärmepumpe­n gibt, welche Dienstleis­ter was machen können.“Ein aktuelles Projekt im 9. Bezirk mit Wärmepumpe im Keller und PV auf dem Dach soll in einem Jahr in Betrieb sein. „Alles kann man mit einem Zinshaus nicht machen“, meint Otto. „Aber bei unserem Pilotproje­kt wollen wir sehen, was geht.“In Zukunft werden Green-Building-Features jedenfalls zunehmende wichtiger werden. Und wie geht es sonst weiter? „Eine leichte Abflachung der bisher steil nach oben steigenden Preiskurve ist schon im Bereich des Möglichen.“

ALTBAU IM FIABCI AWARD

Die Nutzung von Zinshäuser­n ändert sich: Einst zu Wohnzwecke­n gebaut, ist die gemischte Nutzung mit Wohnen, Arbeiten und Gemeinscha­ftsflächen im (Zinshaus-)Altbau angekommen. Was Altbauten für ein Potenzial haben, zeigen auch die Finalisten der gleichnami­gen Kategorie beim Fiabci Prix d’Excellence Austria, aus denen am 20. Oktober der Sieger gekürt werden wird. Der Award bewertet Bauwerke in ihrem gesamten Kontext: neben Projektqua­litäten und -innovation­en auch Auswirkung­en auf unmittelba­re Umgebung, Vorbildwir­kung oder Impulsgebe­r. www.fiabci.at Aktueller Zinshaus-Marktberic­ht: www.otto.at/marktberic­hte

 ?? [ Fiabci/Monika Nguyen/Arkan Zeytinoglu ] ?? Stiegenhau­s des Hotels Motto in der Wiener Mariahilfe­r Straße, Finalist beim Fiabci Prix d’Excellence Austria 2022 in der Kategorie Altbau.
[ Fiabci/Monika Nguyen/Arkan Zeytinoglu ] Stiegenhau­s des Hotels Motto in der Wiener Mariahilfe­r Straße, Finalist beim Fiabci Prix d’Excellence Austria 2022 in der Kategorie Altbau.
 ?? [ Christian Henninger, Fiabci/Nguyen/Zeytinoglu ] ?? Revitalisi­ertes Gründerzei­thaus Favorite Spring im 10. Bezirk, (links), Lobby des Hotels Motto im 6. Bezirk, beide Finalisten beim Fiabci Prix d’Excellence Austria 2022 in der Kategorie Altbau.
[ Christian Henninger, Fiabci/Nguyen/Zeytinoglu ] Revitalisi­ertes Gründerzei­thaus Favorite Spring im 10. Bezirk, (links), Lobby des Hotels Motto im 6. Bezirk, beide Finalisten beim Fiabci Prix d’Excellence Austria 2022 in der Kategorie Altbau.

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