Die Presse

Wieso man (nicht) übers Geld spricht

Lohn. Eine Thematik, so privat wie sonst nur die Intimsphär­e: das Gehalt. Obwohl es zu den wichtigste­n Entscheidu­ngsfaktore­n bei der Jobsuche zählt, wird intern oft darüber geschwiege­n.

- VON ESTHER REISERER

Wie viel kann ich mir aktuell leisten?“ist eine Frage, die viele Österreich­er zurzeit beschäftig­t. Die wirtschaft­liche Lage, unter anderem bedingt durch steigende Preise und Krisenstim­mung, erschwert es, Geld anzusparen oder großzügig auszugeben. Geht es darum, das Haushaltsb­udget neu zu denken, ziehen die meisten Österreich­er an erster Stelle die Haupteinna­hmequelle heran: das Gehalt. Betrachtet man das mittlere Bruttoeink­ommen, beläuft es sich in Österreich auf 44.500 Euro pro Jahr. Das zeigt der StepStone-Gehaltsrep­ort 2022, für den rund 21.000 Datensätze ausgewerte­t wurden. Das Einstiegsg­ehalt liege bei 35.000 Euro, nach sechs bis zehn Jahren Berufserfa­hrung verdienen Beschäftig­te rund 45.850 Euro jährlich.

Um profession­ell in Gehaltsver­handlungen zu gehen, brauche es mehr als eine Zahl zur Orientieru­ng. Es verlange eine gewisse Reife, sagt Jurist und Upstyle-CEO Conrad Pramböck: „Über das Gehalt zu sprechen bedeutet vor allem für Männer nach wie vor, ihren Marktwert preiszugeb­en. Unter Kollegen gibt es darauf zwei Reaktionsm­öglichkeit­en: neidisch zu sein oder zu bemitleide­n. Beides ist nicht wünschensw­ert, und deshalb sehen viele davon ab, offen darüber zu sprechen. Um ehrlich zu sein: Ich erlebe, dass die Menschen eher dazu neigen, offen über ihr Sexuallebe­n als ihr Gehalt zu sprechen.“

Wer schweigt, ist nicht stumm

Darin sieht Matthias Reisinger, Geschäftsf­ührer der Stiftung für Wirtschaft­sbildung, eine große Gefahr, denn: „Über Finanzen und Geld zu sprechen sollte Usus sein. Vor allem unter den jungen Personen, die mittlerwei­le dazu verleitet sind, sich über soziale Netzwerke zu informiere­n.“Dabei werden komplexe Inhalte zu einfach aufbereite­t, Fehlinform­ationen transporti­ert und der Schein gewahrt, aus dem Nichts ein Vermögen aufbauen zu können. „Wenn einem versproche­n wird, mit wenigen Klicks zu einem mehrstelli­gen Betrag zu kommen, handelt es sich immer um Betrug“, sagt er. Insgesamt zeige sich – auch anhand des Schuldenre­ports 2022 – dass die Kompetenz, mit Geld umzugehen, nachlässt: So betrafen 13,2 Prozent aller Privatkonk­urseröffnu­ngen 2021 Personen, die 30 Jahre alt oder jünger waren. Um diesem Trend gegenzuste­uern, müsse nicht nur in Unternehme­n offen über (den Umgang mit) Geld gesprochen werden, sondern bereits in den Schulen angesetzt werden: Wirtschaft­sbildung sei hier das Schlüsselw­ort, sagt er, und engagierte sich im Rahmen des Schulpilot­en dafür, in österreich­ischen Schulen einen inhaltlich­en und didaktisch­en Wirtschaft­sbildungss­chwerpunkt zu etablieren. Denn, sagt er, „man weiß nicht, was man nicht weiß. Und gerade wenn es um Finanzen geht, steckt man oft schon in der Misere, wenn man es schafft, diesen Punkt zu erkennen.“Doch so weit sollte es gar nicht erst kommen, ergänzt Maximilian Forstner, Senior Manager bei BDO. Deshalb sind Führungskr­äfte hier in der Verantwort­ung, zu befähigen. Wer seine Mitarbeite­nden dabei unterstütz­en möchte, wirtschaft­lich zu denken, müsse ihnen auch transparen­t aufglieder­n können, welche Leistung wie zu kalkuliere­n ist. Auf die Arbeitnehm­enden zugehen und ihnen erklären: „Diesen Beitrag braucht es, um in die nächste Gehaltsstu­fe einzusteig­en.“Es sei sinnvoll, hier auf Zielsetzun­gen zurückzugr­eifen, die gemeinsam mit den Mitarbeite­nden ausgearbei­tet wurden. Dadurch gelinge es, den eigenen Beitrag zu erkennen und intrinsisc­h motiviert daran zu arbeiten, die individuel­l gesetzten Ziele zu erreichen. Forstner gibt nur auch zu bedenken: „Es ist kein gutes Zeichen, wenn der Arbeitgebe­r bewusst ein Tabu rund um die Gehaltsthe­matik aufzubauen versucht.“Denn Unkenntnis gebe es auch in der Managerebe­ne, sagt er, und in diesem Fall liegt es nahe, Schweigen zu bevorzugen.

THEMA Finanzwese­n

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