„Ich führe emotional und natürlich“
Porträt.
Die Liechtensteinische Landesbank (Österreich) betreut per 2021 ein Vermögen von rund 33 Mrd. Euro und beschäftigt 250 Mitarbeitende. Den Aufsichtsrat leitet eine Frau: Natalie Flatz.
Es sei der Entschluss gewesen, Jus zu studieren, der ihre Karriere in Gang gesetzt hat. Obwohl ihr die Wahl zwischen Medizin und Rechtswissenschaften nicht leicht gefallen sei, sagt die 55-Jährige, heute ist sie froh darüber, in die Finanzdienstleistung eingestiegen zu sein. Natalie Flatz leitet die Division International Wealth Management und ist Vorsitzende des Aufsichtsrats der Liechtensteinischen Landesbank. Es sei ein Glücksfall gewesen, während ihres Gerichtspraktikums 2003 in den Liechtensteinischen Bankenverband einzusteigen und auf diesem Weg die Finanzbranche
THEMA
kennenzulernen. Seit elf Jahren ist die gebürtige Vorarlbergerin bei der LLB tätig und schätzt dort vor allem, „sich nicht verbiegen zu müssen“. Das sei ihr besonders wichtig, denn sie führe natürlich und emotional. Das bedeute nicht, keine Kontrolle über die Emotionen zu haben, sondern: „Man merkt mir an, wenn mich etwas ärgert. Und auch, wenn mich etwas freut. Die Mitarbeitenden sollten spüren können, woran sie sind, und haben nicht zu befürchten, mit unvorhersehbaren Reaktionen umgehen zu müssen.“Um Gefühle zeigen zu können, brauche es auch die Bereitschaft des Teams, respektvoll damit umzugehen.
In der Ruhe liegt die Kraft
Die Juristin führt direkt fünf Bereichsleiter und in der Division mehr als 250 Mitarbeitende. Sie versucht, Freiheiten zu geben und auf Fehler nur intern zu reagieren. „Ich stehe vor, hinter und neben meinem Team und wenn es drauf ankommt, bin ich bereit, meine Mitarbeitenden zu verteidigen.“Das bedeute nicht, Fehler ohne Konsequenzen zu akzeptieren, sondern sie untereinander zu klären. Um in leitender Funktion tätig
zu sein, müsse man lernen, Dinge und Situationen nicht zu „zerdenken“, sagt die erste Frau an der Spitze des Aufsichtsrats der LLB Österreich und meint damit ihre anfänglichen Zweifel, nicht gut genug zu sein. „Wenn ich heute etwas anders machen könnte, dann nicht mehr zu glauben, dass mein Umfeld von mir verlangt, immer 150 Prozent zu geben. Das ist nämlich in den meisten Fällen nicht so – diese Erwartung hat man nur an sich selbst.“Mehr in sich zu ruhen, empfehle sie allen Frauen.
Um sich in einer Männerdomäne durchzusetzen, sei für sie der beste Rat gewesen, sich nicht anzupassen. Bei dem Versuch, den anderen (besser) zu gefallen, betrüge man nur sich selbst. Denn: „Es gibt immer einen Grund dafür, es bis zu einem gewissen Punkt geschafft zu haben. Darauf gilt es zu vertrauen.“Vorbilder brauche es ihrer Meinung nach nicht, sondern Wegbegleiter. Sie selbst habe die Erfahrung mit einem ihrer ersten Arbeitskollegen gemacht. Ein Schweizer Jurist habe sie dabei unterstützt, ihre Leistung zu erkennen und sie „scheinen zu lassen“.
Act 26 kürzlich lanciert
Die Privatbank sieht sich auch in Zukunft „genau dort, wo wir jetzt sind“, sagt Flatz, „nicht in den Zahlen, dort möchten wir unseren Wachtumspfad fortsetzen, aber in der Strategie.“Anfang des Jahres habe man die Strategie Act 26 lanciert und sich dabei die Frage gestellt: „Sind die Märkte, die wir jetzt bedienen – auch für die nächsten fünf Jahre – die richtigen?“Die klare Antwort: Ja. Denn man folge der Devise, lieber etwas auszulassen, als „zu viel halb zu machen“. Nur in Bezug auf die Jungen habe sich einiges verändert: Es ist leichter für den Arbeitgeber zu fordern. War es früher nicht üblich, in Bewerbungsgesprächen nach geringer Auslastung zu fragen, erlebe sie es bereits in jedem zweiten Gespräch.
Wenn es um aktuelle Krisen geht, sagt sie: „Inflation und volatile Aktienmärkte betreffen alle Kunden, die investieren. Was wir tun in Krisensituation ist: ruhig zu bleiben.“Denn es bedarf gerade mehr Zeit, um zu erklären: „Warum sind die Märkte an diesem Punkt, und was ist unser Ausblick?“Es gebe einzelne Fälle, in denen Kunden nervös seien, jedoch könne niemand in die Zukunft schauen. Jeder habe selbst zu entscheiden, aktuelle Verluste zu realisieren oder der Anlagestrategie zu folgen. Die Verantwortung der Finanzdienstleister liege darin, über die wirtschaftliche Situation aufzuklären, Informationen weiterzugeben und Ruhe zu bewahren.
Finanzwesen