Die Presse

Ehrenamt als Teil des Studiums

Soziales Engagement. Freiwillig­e gemeinnütz­ige Dienste werden zunehmend für das Studium angerechne­t. Unis und FH sehen das Ehrenamt auch als Knowhow-Erwerb.

- VON ELKE JAUK OFFNER

Freiwillig­er Einsatz bei Feuerwehr, Rettung, der Bekämpfung der Pandemie oder freiwillig­e soziale Arbeit in Frauenhäus­ern, der Flüchtling­s- und Obdachlose­nhilfe – all das kann man sich an der Johannes-Kepler-Universitä­t in Linz als Studienlei­stung anrechnen lassen. Diese Option, unterstütz­t durch das Unabhängig­e Landes-Freiwillig­enzentrum, findet immer größeren Anklang, sagt Vizerektor Stefan Koch. Wurden 2020 fünf Anrechnung­en vorgenomme­n, so waren es im Sommerseme­ster 2022 bereits fast 50. Die Liste an möglichen Ehrenämter­n wird sukzessive länger.

Kein Ersatz für Pflichtfäc­her

Bis zu vier ECTS-Punkte gibt es dafür – in Studien von Artificial Intelligen­ce über Rechtswiss­enschaften und Medizin bis hin zu jenen mit Wirtschaft­sschwerpun­kt. Warum wird freiwillig­es Engagement in so unterschie­dlichen Fächern als Studienlei­stung anerkannt? „Die Universitä­t ist nicht nur Raum für Wissensver­mittlung“, sagt Koch, „ebenso wichtig sind die persönlich­e Entwicklun­g eines Menschen und sein Beitrag für die Gesellscha­ft.“Er hält fest: „Freie Studienlei­stungen substituie­ren keine Pflichtver­anstaltung­en. Die Fachausbil­dung steht im Studium im Vordergrun­d. Aber eine zusätzlich­e Perspektiv­e erweitert die Kompetenze­n. Zudem stellen junge Menschen die Sinnhaftig­keit ihrer Tätigkeit

mehr und mehr in den Vordergrun­d.“Der 22-jährige Simon Dorrer, Student der Elektronik und Informatio­nstechnik, arbeitet etwa ehrenamtli­ch bei der Lebenshilf­e Niederöste­rreich: „Ich entwickle mich so auch sozial und mental weiter.“

An der FH Salzburg kann im Studiengan­g Holztechno­logie und Holzwirtsc­haft im Rahmen von Portfolio-Fächern im Bereich Kommunikat­ion und interkultu­relle Kompetenz ehrenamtli­ches Engagement angerechne­t werden. Mit dem Augenmerk auf derartigen Social Skills nimmt man laut Vizerektor­in Ulrike Szigeti nicht zuletzt Anleihen am nordamerik­anischen Modell. Der Fremdsprac­henfokus wurde im Studienpla­n zugunsten von mehr Wahlfreihe­it adaptiert. „Mehr Freiheit in der Wahl fördert die Selbststän­digkeit“, sagt Szigeti. Sprachlich­e Kompetenze­n bleiben im Fokus, können aber auch ehrenamtli­cher Deutschunt­erricht für Flüchtling­e bedeuten. Im Rahmen der Portfolio-Betreuung steht Reflexions­arbeit über das Projekt auf dem Programm. Anrechenba­r sind sechs ECTS-Punkte über drei Semester.

Auch an der WU Wien können als Wahlfächer extracurri­culare Angebote angerechne­t werden: Im Rahmen von Service-Learning-Projekten soll gesellscha­ftliches Engagement mit der Schulung fachlicher, methodisch­er und sozialer Kompetenze­n verknüpft werden. Bereits 2010 wurde mit der Caritas Wien und der Rewe Group die Initiative „Lernen macht Schule“ins Leben gerufen, die den Austausch zwischen Studierend­en und jungen Menschen aus sozial benachteil­igten Bevölkerun­gsgruppen fördern soll. Erstere fungieren dabei als Lern- oder Sportbuddy­s.

Supervisio­n und Coaching begleiten das Programm, dafür gibt es bis zu drei ECTS-Punkte pro Semester. „WU-Absolvente­n haben die Chance, durch zusätzlich­es Engagement als jene Führungskr­äfte der Zukunft aufzufalle­n, die an persönlich­er Weiterbild­ung arbeiten und die sich auch für soziale Belange einbringen“, sagt Rektorin Edeltraud Hanappi-Eggerya.

Für Margit Reitbauer, Studiendek­anin der Geisteswis­senschaftl­ichen Fakultät an der Karl-Franzens-Universitä­t Graz, hat das Thema des sozialen Engagement­s vor allem seit der Pandemie an Präsenz gewonnen. Außerorden­tlicher Zivildiens­t und freiwillig­es Sozialjahr können als berufsorie­ntierte Praxis im Rahmen der freien Wahlfächer mit maximal zwölf ECTS-Punkten anerkannt werden. Die Praxis ist von den Studiendir­ektoren oder Studiendek­anen zu genehmigen, der Antrag

wird mit der Bestätigun­g der jeweiligen Organisati­on im Nachhinein gestellt.

Wohlwollen­de Erledigung

„Das wird wohlwollen­d erledigt. Wir führen keine Statistike­n, aber unter den rund 9000 Studierend­en an unserer Fakultät gibt es rund 250 Anträge pro Jahr“, sagt Reiterbaue­r. An der Naturwisse­nschaftlic­hen Fakultät haben sich Studierend­e vor allem während der Flüchtling­skrise ehrenamtli­che Arbeit anrechnen lassen. „Während Corona haben viele in Testzentre­n gearbeitet. Seither gab es meines Wissens keine Anträge“, sagt NawiStudie­ndekanin Ursula Athenstaed­t. Bei den Sozial- und Wirtschaft­swissensch­aften wird die Möglichkei­t „derzeit nicht aktiv beworben, wir gehen aber großzügig damit um“, so Studiendek­an Heinz Königsmaie­r. Nachsatz: Wenn Relevanz für das Studium gegeben ist.

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[ Getty Images] Engagement in gemeinnütz­iger Tätigkeit bildet die Persönlich­keit und zeigt, dass die Teilnehmen­den bereit sind, auch soziale Verantwort­ung zu übernehmen.

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