Zeichen setzen für faire Spielregeln!
Postings. Ein Unternehmen verlangte die Herausgabe von Userdaten, um zu wissen, welche Person auf einem Internetportal Kritisches über die Firma schrieb.
Wien. Frauen hätten es in diesem Unternehmen schwer. Überhaupt müsse man über diese Firma sagen: „außen hui und innen pfui“. Mit Bewertungen wie diesen sah sich ein österreichisches Unternehmen in einem deutschen Onlineportal zur Bewertung von Arbeitgebern konfrontiert.
Die Behauptungen seien falsch, erklärte die Firma. Um rechtliche Schritte wegen Kreditschädigung einleiten zu können, verlangte sie die Herausgabe der Userdaten. Aber hat das Unternehmen ein Recht darauf zu erfahren, wer hinter der Bewertung steckt?
Der User (oder vielleicht doch eher die Userin?) hatte nicht mit Kritik am Unternehmen gespart. „Als Frau hat man keine Aufstiegschancen. Ganz schlechte Karten hat man als junge Frau“, hieß es. Dies wurde auch anhand von Beispielen illustriert: „Kollegin mit fachspezifischer Ausbildung und mehr Berufserfahrung wurde bei der Besetzung eines Jobs nicht in
Betracht gezogen. Männlicher Kollege im annähernd gleichen Alter, aber eben mit weniger Berufserfahrung und Quereinsteiger, hat den Job angeboten bekommen. Eine andere Kollegin hat sich aktiv um einen Job beworben... Sie war zu jun g! Jetzt sitzt ein junger Mann auf diesem Posten.“
Werden Vorschläge angehört?
Auch abgesehen von Geschlechterfragen kommt die Firma suboptimal weg. „Leider werden Vorschläge nicht gehört bzw. erst nach einer Kündigungswelle“, heißt es. Aber auch Positives ist zu lesen: So gebe es eine „moderne Büroeinrichtung“und „in den einzelnen Abteilungen ist der Zusammenhalt sehr gut“. Nachsatz: „Leider ist das zwischen den verschiedenen Abteilungen nicht so.“
Die Firma erklärte vor Gericht, dass man entgegen der Bewertung Vorschläge von Mitarbeitern immer anhöre. Eine Kündigungswelle habe es nie gegeben, Frauen würden nicht ungleich behan delt werden. Man unterstütze ein Frauen
Netzwerk, und für Mütter gebe es sogar eigene Arbeitszeitmodelle.
Das Jobportal entgegnete, es liege in der Natur der Sache, dass Arbeitgeber mit kritischen Bewertungen nicht einverstanden seien. Die Bewertung sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Wenngleich der Fall vor österreichischen Gerichten verhandelt wurde, war wegen des Sitzes des Onlineportals deutsches Recht anwendbar. Das Landesgericht Linz erklärte, es handle sich bei den Äußerungen nicht um überschießende Werturteile. Der oder die Postende habe ein differenziertes Bild des Unternehmens gezeichnet. Man müsse dies als zulässigen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung werten.
Auch das Oberlandesgericht Linz und der Oberste Gerichtshof (6 Ob 180/21w) ließen die Firma abblitzen. Die konkrete Kritik erfülle keinen Tatbestand nach dem deutschen Strafge setz, wie etwa Verleumdung. Daher sei das Onlineportal auch nicht zur Herausgabe der Userdaten verpflichtet.
Es gibt Momente im Leben, in denen einige ein Zeichen setzen müssen, damit sich für viele eine Situation zum Besseren wendet. Mit dieser berechtigten Hoffnung hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag die unentgeltliche „Erste Anwaltliche Auskunft“vorerst ausgesetzt. Ich unterstütze dies, auch wenn es zum Leidwesen derer geschieht, die gerade rechtliche Unterstützung brauchen. Warum? Weil die Politik Verschiebungen im Rechtsstaat nicht sehen und korrigieren möchte.
Das Justizministerium blockiert notwendige Inflationsanpassungen der Tarife für die professionelle Arbeit im Interesse der Bevölkerung sowie Anpassungen bei der Pauschalvergütung für erbrachte Verfahrenshilfe. Die letzte Erhöhung gab es 2016, seither betrug die Inflation 20 Prozent. Bürgerinnen und Bürger, die sich erfolgreich in einem Zivilverfahren durchgesetzt haben, bekommen immer noch entlang eines sechs Jahre alten gesetzlichen Richtwerts ihre Verfahrenskosten ersetzt. Damit zahlen auch Prozesssieger drauf!
Eine Ungerechtigkeit, die auch die Rechtsanwaltschaft trifft. Es ist unvermeidbar, gestiegene Kosten an Mandantinnen und Mandanten weiterzugeben, weil der Staat säumig ist, wenn es um die korrekte „Belohnung“für Erfolge vor Gericht geht. Aber auch ein zweiter Aspekt ist uns wichtig: Die Pauschalvergütung für Verfahrenshilfen fließt in die anwaltliche Pensionsvorsorge und wurde zuletzt im Jahr 2020 angepasst. Schon damals wurde die Inflation nicht voll abgegolten.
Wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vertreten einen stolzen, freien Berufsstand. Jedes Ungleichgewicht auf der Waage der Justitia kann jedoch nicht von uns allein austariert werden. Dies hat die Politik nun endlich zur Kenntnis zu nehmen.