Die Wiederbelebung der Wiener Nahversorgung
Wirtschaft. Grätzel, die wirtschaftlich zu kämpfen haben, werden künftig mit 3,5 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Für das Pilotprojekt wurden sechs Grätzel ausgewählt – sie befinden sich (fast ausschließlich) in den Außenbezirken.
Wien. Die rot-schwarze Achse zwischen der Stadt und der Wirtschaftskammer Wien, die Bürgermeister Michael Ludwig so gern beschwört, war am Montag wieder deutlich zu sehen. Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke und Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien, präsentierten gemeinsam eine neue Aktion zur Revitalisierung der Nahversorgung. Konkret von „Geschäftsquartieren“, wie es Hanke formuliert.
Damit werden kleine Betriebe in einem Grätzel bezeichnet. Und die Grätzel liegen Ludwig, wie er laufend betont, besonders am Herzen.
66 Prozent mehr Fördergeld
Die neue Förderung umfasst 3,5 Millionen Euro jährlich und ist eine Weiterentwicklung der bestehenden Nahversorgungsförderung. Diese mit 1,4 Millionen Euro dotierte Förderung wurde mit der jetzigen Reform um 66 Prozent erhöht, die Förderung auch anders gestaltet: „Mit der Reform gehen wir bewusst weg von der Gießkanne, hin zu gezielter Förderung der Wiener Grätzel“, meinte Hanke: „Wir sorgen dafür, dass Menschen in Wien, trotz großer Konkurrenz aus dem Onlinehandel, attraktive Nahversorgungsangebote nützen können.“
Denn die Nahversorgung sei ein wichtiger Teil der hohen Wiener Lebensqualität. Ruck fasst das so zusammen: „Die neuen Förderungen sprechen gezielt einzelne Unternehmen an, die mit ihren Ideen und Konzepten ihr Gebiet aufwerten wollen.“
Die Details: 500.000 der 3,5 Millionen Euro fließen in die direkte Entwicklung der ersten sechs Stadtquartiere, die am Montag präsentiert wurden. 1,2 Millionen Euro gehen in die Erhöhung der bestehenden Nahversorgungsförderung. Und mit 1,8 Millionen Euro wird die Unterstützung im Rahmen der Initiativen zur Geschäftsbelebung bestritten.
In dem neuen Konzept finden sich sechs Geschäftsquartiere. Also Bereiche, in denen die lokale Wirtschaft besonders gefördert wird. Unterstützt werden heuer die Einzugsbereiche der äußeren Favoritenstraße, der Simmeringer Hauptstraße, Hernalser Hauptstraße, Döblinger Hauptstraße, das Zentrum Floridsdorf und das Gebiet rund um die Praterstraße.
Paradigmenwechsel
Unterstützt werden in diesen Gebieten Initiativen, die „für die Entwicklung einer lebenswerten Stadt, und einer leistungsfähigen Nahversorgung, wesentlich sind“, wurde betont. Konkret wurden (in diesem Zusammenhang) die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und umweltgerechte Mobilität genannt. Das große Ziel: Neue Kundengruppen sollen angesprochen werden. Es sei aber auch ein Lernprozess nach der Coronapandemie gewesen, hielt Hanke fest. Die Pandemie habe eine Stadt der kurzen
Wege erforderlich gemacht – auch darauf habe man reagiert.
An der Liste der geförderten Gebiete ist ein Paradigmenwechsel zu sehen, den Ludwig eingeleitet hat: Es werden nicht mehr ausschließlich innerstädtische Einkaufsstraßen gefördert, sondern (hauptsächlich) Einkaufsgebiete in den Außenbezirken. Damit löst Ludwig sein Versprechen zu Amtsantritt ein, dass er den Fokus stärker auf die Außenbezirke legen wird, die unter Michael Häupl wenig bedacht wurden – Ludwig war der Kandidat der Außenbezirke bei der Kampfabstimmung über die Häupl-Nachfolge.
Unterstützt wird die neue Initiative mit einer Image-Kampagne der Wiener Wirtschaftskammer, gekennzeichnet mit dem Logo „Meinkaufsstadt“. Das Wortspiel setzt auf die Kampagne auf „Wer Wien liebt, kauft in Wien ein.“Anders formuliert: Mit Lokalpatriotismus gegen Internetriesen wie Amazon. (stu)