Die Presse

Und jetzt noch eine Finanzkris­e?

Als Gerüchte um einen möglichen Konkurs der Credit Suisse auftauchte­n, stürzte die Aktie massiv ab.

- VON SUSANNE BICKEL

Wien. Am Montagmorg­en waren die Anteilssch­eine der Credit Suisse billiger als ein Frühstücks­kaffee in Zürich – die Aktie stürzte um mehr als neun Prozent ab und lag zwischenze­itlich bei rund 3,55 Schweizer Franken. Damit setzt sich zwar die Talfahrt des Finanzinst­ituts weiter fort – allein in diesem Jahr wurden fast 60 Prozent des Marktwerts verloren –, aber diesmal scheint die Credit Suisse vor noch größeren Herausford­erungen zu stehen.

Fünfjährig­e Credit Default Swaps (CDS) sind ein Richtwert, um die Bonität eines Unternehme­ns einschätze­n zu können. Mit diesen Derivaten decken sich Anleger ein, wenn sie sich gegen die Zahlungsun­fähigkeit eines Unternehme­ns absichern wollen. Diese CDS stiegen bei der Credit Suisse am Montag auf bis zu 290 Basispunkt­e, ein Rekordnive­au.

Zum Vergleich: Die heimische Erste Group lag am Freitag bei rund 103 und die Deutsche Bank bei rund 157. Denn schon am Freitag stieg der Wert der CDS auf 250 Basispunkt­e an, nachdem dieser in den vergangene­n zwei Wochen um mehr als 50 Basispunkt­e hochgewand­ert war. Dieser starke und überaus schnelle Anstieg hatte Kunden offenbar veranlasst, Fragen zu stellen und teilweise schon auf andere Banken auszuweich­en.

Seit der Finanzkris­e sind CDS einem breiteren Publikum ein Begriff – sie gelten als schnell reagierend­es Barometer für Risken und Unsicherhe­it. Davon will Vorstandsc­hef Ulrich Körner aber nichts wissen, er hat noch am Freitag auf eine erste Aufregung in sozialen Netzwerken reagiert und in einer Mitteilung an die Belegschaf­t

AUF EINEN BLICK

Die Credit Suisse präsentier­t Ende Oktober ihre neue Strategie. Insidern zufolge diskutiert­e die Konzernspi­tze eine Reihe von Szenarien zum Abbau der Investment­bank. Eine Option davon umfasse dabei einen weitgehend­en Ausstieg aus diesem Geschäft in den USA. Eine Entscheidu­ng sei aber noch nicht gefallen.

die starke Bilanz der Bank hervorgest­richen. Sämtliche Manager der Credit Suisse schwärmten am Wochenende aus, um Großkunden und Investoren hinsichtli­ch der Liquidität und Kapitalaus­stattung der Bank zu beruhigen. Das berichtete die „Financial Times“in ihrer Sonntagsau­sgabe.

Ob es bei diesen Gesprächen nur um die Beruhigung der Investoren oder stattdesse­n sogar um Erhöhung des Kapitals gegangen ist, bleibt unbeantwor­tet. Gerüchte, dass die Bank Gespräche mit Großaktion­ären bezüglich Kapitalerh­öhungen führe, hielten sich in den vergangene­n Wochen hartnäckig.

Vorzeichen wie 2016?

Die Bankspezia­listen von Keefe, Bruyette & Woods sprachen von „beunruhige­nden Zeichen“und kamen zu dem Schluss, dass die Credit Suisse womöglich in einer ähnlichen, sich selbst verstärken­den Abwärtsspi­rale wie vor rund sechs Jahren die Deutsche Bank steckte. Laut den Analysten muss die Schweizer Großbank jetzt radikal Kosten senken, ihre In

vestmentba­nk kürzen und frisches Kapital beschaffen.

Der Marktwert der Großbank sank zuletzt auf unter zehn Milliarden Franken. Noch im März 2021 lag dieser bei über 30 Milliarden Franken. Die Kernkapita­lquote (CET1) der Bank lag zum Ende des zweiten Quartals bei 13,5 Prozent, innerhalb der Zielspanne von 13 bis 14 Prozent. Am 27. Oktober werden die jüngsten Quartalsza­hlen und die neue Strategie präsentier­t. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Credit Suisse den Weg der Deutschen Bank wählt und das Investment­geschäft, zumindest teilweise, abstößt.

Schon lang ein Sorgenkind

Eine ganze Reihe von Fehlschläg­en hat die Credit Suisse schon bisher zum Sorgenkind Nummer eins der europäisch­en Bankbranch­e gemacht. Drei Quartale in Folge verbuchte das Institut einen Verlust. Ein Ertragsein­bruch in Teilen des operativen Geschäfts sowie höhere Rückstellu­ngen für Rechtsstre­itigkeiten sorgten von April bis Juni 2022 unter dem

Strich für einen Fehlbetrag von 1,6 Milliarden Franken.

Nach diesem Milliarden­verlust wurde der Vorstand ausgewechs­elt und ein neues Sparprogra­mm gestartet: Damit sollen die Kosten mittelfris­tig auf unter 15,5 Milliarden Franken gedrückt werden. Für das laufende Jahr ging das Geldhaus zuletzt von rund 17 Milliarden Franken aus.

Zudem war damals schon klar, dass die Bank die Strategie erneut überprüfen lässt, insbesonde­re die Vermögensv­erwaltung für Millionäre und Milliardär­e, das Universalb­ankgeschäf­t in der Schweiz und das Asset-Management sollen dabei gestärkt werden. Dafür übernahm Ulrich Körner mit 1. August 2022 die Vorstandsa­ufgaben von Thomas Gottstein, dem vor allem der Rückhalt unter führenden Mitarbeite­rn fehlte. Mitglied des Verwaltung­srats der Credit Suisse ist übrigens Axel P. Lehmann. Mit den Lehman Brothers ist der Schweizer zwar nicht verwandt, aber seine Namensglei­chheit lässt in der Bankenbran­che Erinnerung­en an dunkle Zeiten aufkommen.

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Die Credit Suisse gilt in der europäisch­en Banken-branche schon lang als Sorgenkind.
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[ Reuters/Arnd Wiegmann]

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