Keine schlechte Wahl: AVdB wird wohl UHBP bleiben
Bei allem Respekt für den Amtsinhaber: Es irritiert, dass der zu Unabhängigkeit verpflichtete ORF mitunter wie ein VdB-Unterstützungskomitee agiert.
Vergangene Woche verhörte Armin Wolf also in der „ZiB 2“Dominik Wlazny, den jüngsten Anwärter aufs Präsidentenamt. Gut, jemand, der im Brotberuf Punkrocker und Kabarettist ist und als Kunstfigur Marco Pogo „Gras zum Bier, gönn es dir“knittelreimt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er dieser Aufforderung selbst nachgekommen ist. Ja, ist er, ein- oder zweimal. Das hat der studierte Arzt mit Alexander Van der Bellen gemein, der auch schon einmal gekifft hat, wie er im Wahlkampf 2016 bekannt hat. Wolfs Vernehmung gipfelte in dem als Frage getarnten Vorwurf, Wlazny könnte vor allem aus dem linksliberalen Spektrum so viele Stimmen abziehen, dass der amtierende Bundespräsident womöglich in eine Stichwahl mit Walter Rosenkranz müsse: „Wären Sie dann damit zufrieden?“Nach einem kurzen Exkurs zu Demokratieverständnis im Allgemeinen und Wahlrecht im Speziellen sagte Wlazny lächelnd, er könne ja selbst in die Stichwahl kommen.
Freilich wird der nächste Bundespräsident mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder Dominik Wlazny noch Walter Rosenkranz, Tassilo Wallentin noch Gerald Grosz, Michael Brunner, Heinrich Staudinger heißen, sondern wieder Alexander Van der Bellen. Das ist angesichts der großteils recht(s) skurrilen Wahlmöglichkeiten keine schlechte Option für unser parteipolitisch zutiefst gespaltenes und chatversifftes Land.
Anders als Joe Biden, sein um zwei Jahre älterer US-Kollege, der ebenfalls eine Wiederwahl anstrebt, hat UHBP (78) bisher nie den Anschein beginnender Altersvergesslichkeit erweckt. Er befindet sich wenn, dann eher in der A-Klasse italienischer Präsidenten: Der seit Februar 2015 amtierende Sergio Mattarella feierte am 23. Juli den 81. Geburtstag. So alt war Giorgio Napolitano bereits, als er 2006 in den Quirinalspalast einzog, neun Jahre später trat er – neunzigjährig – aus Altersgründen vorzeitig aus dem Amt zurück. Napolitanos Vorgänger, Carlo Azeglio Ciampi, war mit 86 also ein vergleichsweise junger Hupfer, als er 2006 – nach sieben Jahren im Amt – auf seine Wiederkandidatur verzichtete. Van der Bellen weiß stets, in welchem Land er sich befindet und an wen er seine oft humorgewürzten Reden adressiert. Er verwechselt den Iran nicht mit der Ukraine, sucht nicht das Gespräch mit toten Politikerinnen. All das kann man von Biden nicht behaupten. Zuletzt musste das Weiße Haus dessen in Tokio getätigte Zusage dementieren, die USA würden Taiwan notfalls mit Gewalt verteidigen. VdB tritt selten in ein Fettnäpfchen, sein fünf Jahre alter Kopftuchsager „Wenn das so weitergeht, bei dieser um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun“zählt dazu (nach wokem Regelwerk ist das Aufforderung zu kultureller Aneignung).
Dennoch ist es, bei aller Wertschätzung für den amtierenden Bundespräsidenten, einigermaßen irritierend, dass der zu Unabhängigkeit verpflichtete ORF mitunter wie ein VdB-Unterstützungskomitee agiert: subtil, indem etwa das „ZiB 2“Gespräch mit dem Bundespräsidenten aufgezeichnet wurde, während alle anderen Kandidaten live antanzen mussten. Penetrant wie am vergangenen Donnerstag, als im „ZiB 1“-Wahlkampftagebuch Arnold Schwarzeneggers Empfehlung für VdB ungekürzt ausgestrahlt wurde, als handle es sich um ein Werbevideo aus der Präsidentschaftskanzlei und nicht um eine neutrale ORF-Nachrichtensendung. Das zeugt in einer Zeit, in der an die 365.000 Menschen die Abschaffung der GIS-Rundfunkgebühren volksbegehrt haben, weder von übermäßig klugem Management noch von journalistischem Fingerspitzengefühl.
PS: Sollte Dr. Wlazny auch bei Nationalratswahlen antreten wollen, sollte er eine Umbenennung seiner Bierpartei ins Auge fassen. Selbst Menschen, die mit ihm sympathisieren, tun sich mit dem kindischen Parteinamen schwer.
Der nächste Bundespräsident wird weder Wlazny noch Rosenkranz noch Wallentin, Grosz, Brunner, Staudinger heißen.