Die Presse

„Alles, was wir machen, sollte auch im Bund passieren“

Interview. Hans Peter Doskozil (SPÖ) will die Preise regulieren, Lenzing auffangen und auch sonst stärker in der Wirtschaft mitmischen.

- MATTHIAS AUER

Der Bund hat vergangene Woche den Energiekos­tenausglei­ch für Unternehme­n präsentier­t. Bringt das aus Ihrer Sicht die notwendige Erleichter­ung?

Hans Peter Doskozil: Nein. Und es fügt sich in das bisherige Bild. Schon der Strompreis­deckel für private Haushalte nimmt viel zu wenig Rücksicht darauf, dass wir auf Erneuerbar­e umsteigen sollten. Im Wärmeberei­ch bedeutet das für viele den Einbau einer Wärmepumpe, die viel Strom braucht. Hier drängt der Strompreis­deckel die Menschen in die Biomasse, wo neue Abhängigke­iten erzeugt werden. Bei der Unterstütz­ung der Wirtschaft ist das Thema dasselbe. Hier wird wieder mit einem Kamm über alle drübergesc­horen. Das wird einigen Betrieben schon helfen, vielen aber nicht.

Im burgenländ­ischen Heiligenkr­euz sind die Gaskosten für Lenzing so hoch, dass ein Teil der Produktion stillgeleg­t werden soll. Kann das (damit) noch verhindert werden?

Wir werden Lenzing so gut wie möglich unterstütz­en. Das ist notwendig, denn, wenn die Produktion einmal geschlosse­n ist, wird sie so rasch nicht mehr geöffnet, weil dann die Konkurrenz aus dem Ausland die Marktantei­le übernimmt. Im Moment sind wir als Land in intensiven Gesprächen mit dem Unternehme­n. Wir bieten Lenzing ein komplettes Energiekon­zept an. Ein Teil davon ist der umstritten­e Fotovoltai­kpark in Güssing. Von dort soll eine Direktleit­ung in das Werk gelegt werden. Das ist ein Teil der Lösung.

Wie drückt das die Gaskosten des Betriebs?

Lenzing braucht Energie. Damit der Plan funktionie­rt, muss Lenzing Vorkehrung­en treffen, um die saubere Energie, die wir liefern, in Produktgas umzuwandel­n. Das geht. Die Produktion dort ist sehr energieint­ensiv. Wir können die Energie liefern. Aber das sind riesige Anstrengun­gen für ein einziges Werk. Wenn da 20 Betriebe kommen, geht das nicht mehr.

Im Burgenland sind aber weit mehr Betriebe stark betroffen – etwa die Thermen.

Das Thema Thermen haben wir großteils erledigt. Bad Tatzmannsd­orf wird an ein Biomassekr­aftwerk angeschlos­sen. Lutzmannsb­urg, wo wir selbst beteiligt sind, hat noch bis Ende 2023 einen günstigen Gaslieferv­ertrag und wird dann ein Biomassekr­aftwerk haben. Das realisiere­n wir.

Im Burgenland wird also nichts schiefgehe­n, weil Sie sich darum kümmern?

Wir haben zumindest einen Plan und versuchen, den umzusetzen.

Ich nehme an, Sie haben auch einen Plan für den Rest Österreich­s?

Wir brauchen einen Regulator, der die Preise gesetzlich nach unten nivelliert. Beim Strom erzeugen wir statistisc­h gesehen über 90 Prozent unseres Strombedar­fs in Österreich. Da sollte es möglich sein, regulieren­d einzugreif­en. Bei Gas ist es etwas differenzi­erter. Aber auch hier bin ich überzeugt, dass die OMV rund 80 Prozent des inländisch­en Bedarfs decken könnte. Es müsste nicht sein, dass die OMV das alles über die Börse bzw. zu Börsenprei­sen verkauft. Die jetzige Situation kann mir niemand mit dem Markt erklären. Ich bin für staatliche Preisregul­ierung.

Die anderen Aktionäre der OMV dürften davon wenig begeistert sein.

Es sind in der Vergangenh­eit Fehler gemacht worden. Das Problem ist, dass wir da, wo es um elementare Grundverso­rgung geht, das Tor zur Privatisie­rung zu weit aufgemacht haben. Die Republik kontrollie­rt die OMV nur noch zu etwas mehr als 30 Prozent. Im Burgenland ist die Hälfte aller Windräder im Privatbesi­tz. Die Burgenland-Energie (der Landesvers­orger, Anm.) hat die zweite Hälfte und kann damit den hohen Strompreis für die Haushalte abfedern. Das ist der Grund, warum wir anders als Niederöste­rreich und Wien die Tarife im September nicht erhöht haben. Der private Windkraftb­etreiber verdient aber zulasten des Gemeinwohl­s enorme Gewinne. Ermöglicht hat ihm das die öffentlich­e Hand. Über Förderunge­n, Zonierunge­n, Anschlüsse.

Die EU will eine Abgabe auf Übergewinn­e einführen. Ein guter Ansatz? Das Burgenland hat so eine Abgabe ja.

Wir haben eine Landschaft­sschutzabg­abe, deren Einnahmen zweckgebun­den in den Sozial- und Klimafonds fließen, über den wir einen Teuerungsa­usgleich in der Höhe von bis zu 700 Euro für einkommens­schwächere Haushalte bedienen. Es kann gut sein, dass wir die erhöhen werden. Die privaten Anbieter verdienen aufgrund der absurd hohen Börsenprei­se Hunderte Millionen, mit denen sie nie kalkuliert haben. Die Kehrseite ist natürlich, dass auch der Burgenland Energie dadurch Geld genommen würde, was die Flexibilit­ät schwächt zu gestalten.

Unternehme­n argumentie­ren, eine Gewinnabsc­höpfung setze auch Erneuerbar­en-Ausbau aufs Spiel.

Jeder kann ein Windrad bauen. Da bleibt mehr als genug Geld dafür übrig. Die Frage ist eher, wo das Geld dann landet. Kommt es ins Finanzmini­sterium und verschwind­et in der Gießkanne? Meine Ideallösun­g wäre, dass Übergewinn­e, die im Burgenland anfallen, auch hier verwendet werden.

Europa hat 500 Milliarden Euro für Energiepre­ishilfen ausgegeben. Sind das Summen, bei denen auch Sie vorsichtig werden, oder spielt Geld in der Krise wirklich keine Rolle?

Man darf nicht vergessen, dass die Staaten durch die Preissteig­erung auch hohe Mehreinnah­men haben. Das Problem ist eher, dass die Mittel nicht zielgerich­tet verwendet werden. So wie wir hier sitzen, brauchen wir alle den Klimabonus wahrschein­lich nicht. Es wäre gut, wenn sich der Bund um Grundsätzl­iches kümmern würde, und etwa Preise gesetzlich reguliert. Und die Länder kümmern sich darum, wie Härtefälle abgefedert werden. Stattdesse­n glaubt jeder, dass er irgendwas machen muss, und nichts ist akkordiert. Diese Gießkanne ist nicht sinnvoll.

Am Wochenende wurde auch der CO -Preis

2 eingeführt. Ein Fehler?

Das ist verrückt. Inhaltlich ist es ja richtig, in Richtung Klimaneutr­alität zu gehen, aber ich muss das nicht jetzt einführen.

Thematisch ist die Energiekri­se der Sozialdemo­kratie auf den Leib geschneide­rt. Doch statt den aufgelegte­n Elfer zu verwandeln, schießt das rote Wien ihrem Landesvers­orger heimlich 1,4 Milliarden Euro zu, weil sich der an der Börse verhoben hat − und erhöht in der größten Teuerungsw­elle seit Jahrzehnte­n

die Gebühren. Verspielt die SPÖ da gerade eine große Chance?

Zur Wien Energie will ich aus der Distanz nichts sagen. Im Bund muss man sehen, dass es in der Opposition sicher schwierige­r ist. Da müssen manche Dinge überzogen präsentier­t werden, um gehört zu werden. Das ist natürlich eine Gratwander­ung: Wie glaubwürdi­g bin ich mit solchen extremen Forderunge­n noch bei der Bevölkerun­g? Wir haben es im Burgenland leichter. Wir haben eine absolute Mehrheit, können überlegen und dann umsetzen. Ich will auch gar nicht sagen, dass sich Wien verspekuli­ert hat.

Wäre ein Fall wie bei der Wien Energie bei Burgenland Energie auch denkbar?

Nein. Wir kommen sicher nicht in diese Situation, weil wir anders mit Energie handeln. Es gibt zwei Varianten: Entweder man handelt direkt über die Börse, so wie es die Wien Energie gemacht hat, und kommt dann mitunter in solche Probleme. Oder man handelt zwar zu Börsenprei­sen, aber nicht über die Börse, sondern direkt über Forward-Geschäfte, bei denen die Absicherun­g statisch ist und nicht mit dem Börsenprei­s mitschwank­t. Das macht Burgenland Energie.

Der Lenzing-Chef klagte kürzlich, dass teure Energie in Österreich schon lang ein Standort-Nachteil ist. Lässt sich das ändern?

Das Burgenland will bis 2030 komplett energieaut­ark werden. Dafür brauchen wir Windräder, Solaranlag­en, teilweise Biomasse und vor allem eine Speicherte­chnologie. Auch grüner Wasserstof­f wird eine wichtige Rolle spielen. Darum bauen wir den bis dato größten Elektrolys­eur Europas und können damit theoretisc­h den gesamten Gasbedarf des Burgenland­s decken und immer noch etwas an die Industrie verkaufen.

Die Ambitionen sind in anderen Bundesländ­ern kleiner. Verhindern ein paar Bundesländ­er in Österreich die Energiewen­de?

Ich war kürzlich in Tirol und habe gemerkt: Alles braucht seine Zeit. Die machen dort hoch innovative Wasserkraf­tprojekte. Und auch Solarenerg­ie ist erstmals denkbar. Aber es dauert, die Bevölkerun­g zu begeistern.

Nicht alle Konflikte verschwind­en mit der Zeit. Stichwort Solarpark Güssing. Müssen Land oder Bund da härter durchgreif­en?

Wir haben die Flächenwid­mung gestrafft und ans Land gezogen. Das hat uns sicher geholfen. Aber Energieaut­arkie kann man nicht verordnen. Wir müssen die Menschen überzeugen, dass das der richtige Weg ist. Überzeugun­g ist wichtiger als Zwang.

Sie setzen mit Themen wie Energieaut­arkie, Mindestloh­n oder auch Anstellung pflegender Angehörige­r starke Akzente. Wären das

die passenden Rezepte für ganz Österreich?

Alles, was wir machen, sollte auch im Bund passieren.

Und wie ist das finanzierb­ar? Das Burgenland ist mit 300.000 Einwohnern im Vergleich doch eher überschaub­ar.

Wir machen das mit den Steuern, die uns zur Verfügung stehen. Jedes Bundesland hat im Verhältnis genauso viel wie wir. Und wir haben ein Top-Bonitäts-Rating. Man muss nur bereit sein, sich den Unsicherhe­iten, die Strukturve­ränderung bringt, zu stellen.

Es sind in der Vergangenh­eit Fehler passiert: Das Problem ist, dass wir da, wo es um elementare Grundverso­rgung geht, das Tor zur Privatisie­rung zu weit aufgemacht haben.

Hans Peter Doskozil,

Landeshaup­tmann Burgenland [ Foto: A´ kos Burg ]

Viele Betriebe kritisiere­n, dass sich das Land in ihrer Branche breitmacht und ihnen Geschäft streitig macht.

Ich habe − außer die Nothilfen während der Pandemie − kein privates Unternehme­n verstaatli­cht. Weder der Wohnbau noch die Pflege, wo wir einsteigen, sind eine Verstaatli­chung. Wir brauchen jeden Maurer, jeden Schlosser, jeden Installate­ur und jeden Pflegedien­st. Natürlich zu anderen Regeln. Aber die Regeln macht immer der, der zahlt, und nicht der, der das Geld empfängt. Das ist

auch in der freien Wirtschaft so.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria