Die Presse

Wie viel Versorgung­ssicherhei­t brauchen wir überhaupt?

Sicherheit kostet Geld. Bevor über die Verstaatli­chung von Teilen der OMV geredet wird, sollten zuerst ein paar grundsätzl­iche Fragen geklärt werden.

- VON JAKOB ZIRM E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Um rund dreieinhal­b Prozent haben sich die Gasspeiche­r seit ihrem Höchststan­d von 95,5 Prozent Mitte November bereits geleert. Das bisher warme Wetter im Herbst ist aktuell der wohl größte Helfer in der Energiekri­se, die durch den russischen Krieg in der Ukraine ausgelöst wurde. Es ist also weiterhin fast ein Jahresbeda­rf in den Speichern – wenngleich dieses Gas zu über 40 Prozent ausländisc­hen Kunden gehört. Aber auch bei der laufenden Versorgung wurden deutliche Fortschrit­te in Richtung Unabhängig­keit von Russland gemacht. Bezog Österreich im Februar noch zu 80 Prozent sein Gas aus den sibirische­n Gasfeldern, sind es derzeit nur mehr etwa 20 Prozent.

Für den aktuellen Winter dürfte Österreich also gut gerüstet sein, wenngleich es natürlich in jedem Fall weiterhin sinnvoll ist, so sorgsam wie möglich mit Energie umzugehen. Denn der Verbrauch in diesem Winter entscheide­t darüber, wie gut die Speicher im kommenden Frühjahr gefüllt sind. Und wie an dieser Stelle bereits einmal erwähnt, dürfte der Winter 2023/24 der sogar schwierige­re werden, weil die Speicher wohl ohne russisches Gas wieder angefüllt werden müssen.

Es ist also richtig, dass die politische Diskussion über die Versorgung­ssicherhei­t mit Gas nun an Fahrt gewinnt. Allerdings nimmt sie dabei eine eigenartig­e Richtung: Statt über die notwendige­n Ziele, die zu erreichen sind, wird nun vor allem über die gesellscha­ftsrechtli­chen Strukturen gesprochen. Einen ersten Vorstoß setzte dabei OMV-Chef Alfred Stern, der vorschlug, der Staat solle die OMV-Gashandels­tochter OGMT vollständi­g übernehmen. Aus seiner Sicht ist die Sache klar: Das Unternehme­n schreibt aufgrund des Preisansti­egs derzeit Verluste, und die inzwischen lästigen Take-or-pay-Verträge mit Moskau würde er so auch loswerden.

Sekundiert wird er dabei von seinem Vorvorgäng­er, Gerhard Roiss. Laut diesem müsse der Staat nun das „Preisrisik­o“übernehmen und auch schnell handeln – also etwa Pipelineka­pazitäten gen Norwegen buchen, die halt verfallen, wenn die Russen doch weiterhin liefern. Die Kosten wären dann von der Allgemeinh­eit zu tragen. Da Roiss auch meint, man könne den Gashandel in drei bis vier Jahren wieder privatisie­ren, wenn sich die Lage beruhigt hat, stehen natürlich auch die Gegner dieser Lösung parat. Hier würden Verluste sozialisie­rt, um Gewinne wieder zu privatisie­ren. Andere Ideen, wie die Übernahme des Großteils der OMV-Exploratio­n durch ein norwegisch­es Konsortium, basieren wiederum auf einem Machtkampf im als Intrigante­nstadl berüchtigt­en Vorstand des Konzerns.

Was in der Diskussion bisher jedoch noch überhaupt keine Rolle spielt, sind die Grundsatzf­ragen: Welchen Grad der Versorgung­ssicherhei­t wollen wir, und was sind wir bereit zu zahlen? Denn eines ist klar: Entweder man hat weniger Risiko, oder man hat weniger Kosten. Beides geht nicht. Dass man dies in der Politik manchmal missachtet – etwa bei der 2003 eingeführt­en Zukunftsvo­rsorge mit Kapitalgar­antie –, ändert nichts an diesem ökonomisch­en Grundgeset­z.

Die Forderung nach einer Verpflicht­ung für die OMV, für 100-prozentige Versorgung­ssicherhei­t zu sorgen, ist also Unsinn. Denn dies würde dem Unternehme­n hohe Kosten verursache­n und es damit stark schädigen. Gleichzeit­ig muss aber auch heftig hinterfrag­t werden, ob der Staat nun auf Teufel komm raus Alternativ­kapazitäte­n zu unsicheren russischen Lieferunge­n buchen soll.

Österreich verbraucht jährlich 90 Terawattst­unden Gas. Rund 40 davon gehen an Haushalte und Kraftwerke – meist über die im Landesbesi­tz befindlich­en Versorger. Hier ist eine staatliche Sicherung der Versorgung jedenfalls angebracht, die Kosten dafür können dann ja auch leicht an die Kunden weitergege­ben werden. Anders sieht es bei jenen 50 Terawattst­unden aus, die von der Industrie verbraucht werden. Hier könnte der Staat ein Angebot machen: Sicherheit, aber dafür Abnahmever­pflichtung zum höheren Preis. Wer das nicht annimmt, muss dem Markt überlassen werden.

Was es sicher nicht braucht, ist hingegen ein Susi-Sorglos-Staat, der hier zu hohen Kosten für die Allgemeinh­eit ein Sicherheit­snetz nur für den Fall der Fälle aufspannt.

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