Staatsschutz warnt: „Hohe zweistellige Zahl“an Gefährdern
Jahresbilanz. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst warnt auch vor Anschlägen auf Weihnachtsmärkte.
Wien. Nach einjährigem Bestehen der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) steht insbesondere der Bereich Rechtsextremismus und islamistischer Extremismus stark im Vordergrund. Man habe Sorge, weil „wir wissen, dass wir in Österreich definitiv eine hohe zweistellige Zahl von Personen haben, die bereit wären, auch Gewalttaten zu vollziehen“, sagte der Direktor der DSN, Omar Haijawi-Pirchner, am Mittwoch im Innenministerium.
Im neuen Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz ist es vorgesehen, sogenannte Fallkonferenzen vorzunehmen, wenn eine Person am Übergang zwischen Haft und Freiheit steht. „Wenn eine Person bekanntermaßen eine riskante Prognose hat, sind Maßnahmen zu setzen. Im letzten Jahr wurden 28 Fallkonferenzen durchgeführt“, sagte Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit.
Darüber hinaus warnte Haijawi-Pirchner vor der Gefahr terroristisch motivierter Anschläge auf Adventmärkten. „Insbesondere in der Weihnachtszeit kann es jederzeit zu einem Anschlag kommen“, erklärte der Direktor. Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge auf Weihnachtsmärkten verübt wurden, sei es umso wichtiger, diese Gefahr im Fokus zu behalten. Die DSN müssten die Polizisten und Veranstalter vor Ort entsprechend sensibilisieren, „indem wir darauf hinweisen, welche Möglichkeiten die Täter haben“. Aber „es gibt derzeit keinen konkreten Hintergrund dafür, dass ein Adventmarkt in Österreich Ziel eines Terroranschlags werden könnte“.
Technische Probleme bei Überwachung
Das größte Problem dabei sei die Überwachung der Kommunikation im technischen Bereich. „Wir sehen, dass Täter im Terrorismusbereich heute nicht mehr das normale Mobiltelefon verwenden, um zu kommunizieren. Sie verwenden Messengerdienste, die teilweise ganz neu auf dem Markt sind, die uns gar nicht bekannt sind. Als Sicherheitsbehörde traben wir hier immer hinterher, wenn es um die Überwachung geht“, sagt Haijawi-Pirchner. Technisch habe die DSN derzeit keine Möglichkeit, „Kommunikationsüberwachung zu betreiben“. Hier müsse die DSN weiterhin ihre Forschungsarbeit leisten.
Denn im nächsten Jahr wird wieder „eine sehr hohe Anzahl“an verurteilten Straftätern entlassen werden, die im Bereich des Extremismus eine Herausforderung sei. Zusammen mit der Justiz will man bei den Entlassungs- bzw. Fallkonferenzen frühzeitig festlegen, welche Maßnahmen im Einzelfall implementiert werden müssen. „Der Worst Case, der auch in einigen Fällen eingetreten ist, sind Personen, die entlassen werden und gleichzeitig wieder in den Fokus des Verfassungsschutzes rücken, weil die Bedrohungslage doch so hoch ist. Das gab es schon“, erklärte der DSN-Direktor. Es habe aber auch genauso Fallkonferenzen gegeben, in denen eine erfolgreiche Deradikalisierung festgestellt werden konnte.
Im Nachrichtendienst ist dazu eine sogenannte strategische Prävention eingerichtet, in der Vereine oder Organisationen eingebunden und Präventionsmodelle gemeinsam entwickelt werden. Im Staatsschutz sensibilisiert man als Prävention frühzeitig Zielgruppen wie etwa Jugendliche, um auf die Gefahren des Extremismus aufmerksam zu machen. Hierbei gehe es um alle Extremismusarten.
Aktuell eine große Herausforderung stellen für die Ermittler radikalisierte Jugendliche (derzeit etwa zehn Personen unter 15 Jahren) dar. „Wesentlich ist, dass wir in allen Fällen sehen, dass eine zerrüttete Kindheit und Verzweiflung da sind. Letzteres führt dann zur Radikalisierung“, so der DSN-Direktor.
Das bundesweite Netzwerk zur Extremismusprävention und Deradikalisierung wird weiter von der DSN gefördert. Im vergangenen Jahr sind dort 2500 Hinweise bei der Extremismus-Meldestelle eingegangen. Anfang 2020 hatte der damalige Innenminister und heutige Kanzler, Karl Nehammer, den Auftrag zur Reform des Österreichischen Verfassungsschutzes gegeben. Hintergrund waren auch Vorkommnisse im damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gewesen, etwa eine später für rechtswidrig erklärte Hausdurchsuchung 2018 und dadurch entstandene Nachteile in der internationalen Zusammenarbeit. Das umstrittene BVT wurde am 1. Dezember 2021 durch die DSN abgelöst.
Insbesondere in der Weihnachtszeit kann es jederzeit zu einem Anschlag kommen.
Omar Haijawi-Pirchner, DSN-Direktor