Die Presse

„Ihr Regierungs­stil ist nicht zeitgemäß“

Interview. Die grüne Spitzenkan­didatin Helga Krismer übt Kritik an Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r. Sie fordert ein Aus für Schneekano­nen und eine Verpflicht­ung zum Nachrüsten von Fotovoltai­kanlagen.

- VON JULIA NEUHAUSER

„Die Presse“: Für die Grünen ist Niederöste­rreich ein traditione­ll schwierige­s Pflaster. Wieso ist das denn so?

Helga Krismer: Die Grünen wurden hier geboren. Mit Hainburg und Zwentendor­f gibt es große Tradition. Aber es hat nie ein universitä­res, intellektu­elles Zentrum gegeben. Das macht es für uns nicht einfach. Denn –

und da sage ich nichts, was nicht in jeder Umfrage ablesbar ist – die Grün-Wähler sind vor allem unter besser Gebildeten zu finden. Dennoch sind wir im Land angekommen. Aber die Bäume wachsen halt nicht ins Unendliche.

In welche Höhen sollen Sie bei der kommenden Wahl wachsen?

Wenn ich jetzt wüsste, wie die sich ständig ändernde politische Großwetter­lage am 29. Jänner aussieht, würde ich mir eine Aussage zutrauen. Wichtig ist, dass die Grünen stark dazu gewinnen.

Was wäre ein starker Zugewinn?

Ich bin mittlerwei­le sehr bescheiden. Jede Stimme, die wir dazu bekommen, ist eine kräftige für Klimapolit­ik und Kontrolle.

Sie sagten zuletzt, dass die Landeshaup­tfrau kein einziges Mal offiziell mit Ihnen geredet hat. Wie viel Einfluss kann denn eine Partei unter den Umständen haben?

Diese Frage lasse ich in der Form nicht zu. Denn das hat nichts mit den Grünen zu tun, sondern mit Johanna Mikl-Leitner. Sie macht alles in der Regierung aus, geht auf niemanden aktiv zu. Nicht einmal in der

Pandemie. Johanna Mikl-Leitner hat einen Regierungs­stil, der passt in die letzten Jahrzehnte, aber der ist nicht zeitgemäß.

Die ÖVP wird nach der Wahl wohl keine absolute Mehrheit mehr haben. Wären Sie gern Koalitions­partner?

Es kann nach der Wahl verschiede­ne Mehrheiten geben. Wir Grüne werden genau überlegen, wo wir ein Zünglein an der Waage sein wollen, das wird davon abhängen, mit welcher Partei und Person wir unsere Themen besser umsetzen können. Und: Bei Johanna Mikl-Leitner habe ich mit Blick auf eine ernsthafte Klima- und Energiepol­itik bisher sehr wenig bemerkt.

Würden Sie eine Zusammenar­beit mit ihr ausschließ­en?

Das ist nicht mein Stil.

Glauben Sie, dass Ihnen Türkis-Grün im Bund Rückenwind bringt oder schadet?

Im Grunde wird dort geliefert. Obwohl ich bei manchen Dingen gerne mehr hätte – etwa beim Wärme- oder Transparen­zgesetz.

In Niederöste­rreich gibt es einen eigenen Strompreis­rabatt, eine Verdopplun­g des Heizkosten­zuschusses, eine Erhöhung der Pendlerpau­schale, ein Extraschul­startgeld. Sind das alles teure Wahlzucker­l?

Das sind keine Wahlzucker­l. Die Beschlüsse sind einstimmig im Landtag gefasst worden. Es wird unterstütz­t, wo es notwendig ist.

Durch den landeseige­nen Strompreis­rabatt gibt es elf Cent pro Kilowattst­unde für 80 Prozent des Haushaltsv­erbrauchs. Regt das zum Energiespa­ren an?

In Zusammensp­iel mit der Strompreis­bremse im Bund regt das durchaus an zu sparen. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in Niederöste­rreich Massen an Haushalten haben, die so weiter tun wie bisher.

Experten meinten, dass es sich für Mehrperson­enhaushalt­e sogar lohnen könnte, mehr Energie zu verbrauche­n.

In einer Krise, in der man schnell handeln muss, ist es schwer, Regelungen zu finden, die absolute Treffsiche­rheit haben. Ich sage nicht, dass das eine hundertpro­zentige Meisterlei­stung ist, aber es hilft.

Sie wollen keinen Betrieb von Schneekano­nen. Wollen Sie den Niederöste­rreichern das Skifahren wegnehmen?

Das ist jetzt aber eine sehr verkürzte Darstellun­g. Wer den Niederöste­rreichern das Skifahren zusehends vermiest, sind jene, die gegen die Klimakrise nichts machen.

Aber bedeutet ein Verbot von Schneekano­nen nicht automatisc­h das Aus für die kleinen Skigebiete ums Eck?

Das bedeutet nicht das Aus. Wer in diesen Regionen auch künftig Wertschöpf­ung möchte, der muss heute beginnen, das Angebot ans Klima anzupassen.

Sie wünschen mehr Fotovoltai­kanlagen auf den Dächern. Dafür wollen Sie sogar ins Eigentum eingreifen. Wie genau?

Wir müssen auf bestehende­n Dächern nachrüsten, ansonsten bringen wir das, was wir in Niederöste­rreich zur Bekämpfung der Klima- und Energiekri­se beitragen sollen, nicht zusammen. Meiner Meinung nach wäre dort, wo der Ertrag gesichert ist, es statisch möglich ist und die EVN das Netz so fit gemacht hat, dass die Stromüberp­roduktion abgeführt werden kann, innerhalb von acht Jahren eine Fotovoltai­kanlage nachzurüst­en. In die Bauordnung für Neubauten gehört das auf jeden Fall hinein.

Aber würden Sie die Nachrüstun­g nur in Gewerbegeb­ieten vorschreib­en? Oder soll es auch Private treffen?

In erster Linie meine ich Gewerbegeb­iete. Aber natürlich müssen wir uns auch etwas für Private überlegen. Das klingt als würde ich Privaten etwas abverlange­n. Aber wenn Sie wüssten – und ich weiß das als Vizebürger­meisterin –, wie viele Menschen derzeit auf eine Energieber­atung oder auf Fachkräfte oder auf Material warten, um Anlagen nachzurüst­en, dann muss man sagen: Die Menschen sind schon dort, wo wir sie haben wollen. Nun muss die Politik nachziehen.

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[ Lukas Aigelsreit­her ] „Im Grunde wird dort geliefert“, sagt Helga Krismer über Türkis-Grün im Bund.

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