Die Presse

Abschied vom Kleinwagen: Ford stellt sich neu auf

Autoindust­rie. Pick-up und SUV statt kleine Autos: Ford will sich in Europa völlig neu positionie­ren und stellt auf Direktvert­rieb um.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Man muss die Mitteilung in Relation setzen, um sie in ihrer ganzen Dimension verstehen zu können: Ford stellt den Fiesta ein – das ist ungefähr so, als würde Lindt erklären, keinen Schoko-Osterhasen mehr herstellen zu wollen. Ende Juni 2023 wird die Produktion des legendären Kleinwagen­s auslaufen. Das Auto gibt es seit 1976, es hat sich bisher 22 Millionen Mal verkauft.

Nach dem Fiesta geht es 2025 dem Ford Focus an den Kragen, einst ein echter Golf-Herausford­erer, und auch mit den populären Vans S-Max und Galaxy ist Schluss. Die Modelle passen nicht mehr in das künftige Produktpor­tfolio, mit dem sich der US-amerikanis­che Autobauer in Europa völlig neu aufstellen will.

„Wir wollen den Preiskampf nicht mehr mitmachen“, erklärt Christian Weingärtne­r, Chef von Ford Deutschlan­d, Österreich und Schweiz, im Gespräch mit der „Presse“. In den 46 Jahren, in denen man bisher den Fiesta gebaut habe, sei das Modell nur in ganz wenigen Jahren profitabel gewesen. „Wir sind kleiner als die Mitbewerbe­r, die Produktion ist für uns teurer, wir können bei den Einstiegsm­odellen nicht mit den Volumen von VW oder Stellantis mithalten.“

Bei der „größten Transforma­tion in 120 Jahren Firmengesc­hichte“gehe es aber nicht darum, in das Premium-Segment vorzustoße­n. „Premium werden wir nie sein.“Man wolle nicht der bessere VW oder der günstigere Mercedes sein. Der Ford-Manager zieht einen Vergleich mit der Bekleidung­sindustrie: „Wir wollen nicht Prada oder Boss sein, sondern North Face oder Patagonia.“

Bronco statt Fiesta

Es gehe darum, den Kunden Abenteuer und Freiheit zu vermitteln. Zwei Modelle würden beispielha­ft für die Neuausrich­tung stehen: der Ranger und der Bronco.

Mit dem Ranger, der jetzt gerade völlig überarbeit­et auf den Markt kommt, hat Ford beim Pickup-Markt in Europa in manchen Monaten einen Verkaufsan­teil von 40 Prozent. Der Bronco, die Neuauflage eines legendären Geländewag­ens, bricht in den USA Verkaufsre­korde

und soll Ende 2023 auch nach Europa und Österreich kommen. Mit diesen beiden Modellen könne man sich deutlich von den Mitbewerbe­rn unterschie­den, die keine vergleichb­aren Angebote hätten, meint Weingärtne­r.

Die Neuausrich­tung bedeute aber nicht, dass Ford in Europa eine reine SUV- und Pick-up-Marke werde. Man wolle auch im PkwBereich nachbesser­n, der bis 2030 nur noch aus vollelektr­ischen Modellen bestehen soll. Dafür kooperiert man mit VW, auf deren Plattform 2023 ein Crossover von Ford kommt. 2024 wird in Europa mit der Produktion eines weiteren batterieel­ektrischen Modells begonnen, ein Sport-Crossover, und ebenfalls 2024 will Ford eine E-Version des Puma vorstellen.

Ein weiterer Bereich, auf den man sich künftig konzentrie­ren werde, seien sportliche Autos, aktuell etwa der vollelektr­ische Mustang Mach-E in der GT-Version, und als viertes Segment Familienau­tos wie der Ford Explorer.

Das Ende des Feilschens

Dass man beim Umbau Kunden verlieren werde, davon geht Weingärtne­r aus. „Wir werden aber auch neue Kunden gewinnen.“Vor allem im höherpreis­igen Segment. Dass man künftig keine günstigen Einstiegsm­odelle in die Marke mehr habe, sieht der 40-Jährige nicht. Schon jetzt würden private Käufer in erster Linie per Leasing oder Kredit einen Neuwagen erstehen, Barkäufe gingen zurück. Die Raten beispielsw­eise für den Ford

Puma seien dabei auch nicht viel höher, als für die bisherigen Einstiegsm­odelle.

Auch beim Verkauf gibt es eine grundlegen­de Änderung: Ford stellt auf ein Agenturmod­ell um, die Autos werden also in Zukunft direkt bei Ford gekauft. Die Händler wickeln das Geschäft ab und erhalten dafür eine Provision. Die Preise der Autos werden dadurch vereinheit­licht. Ein Verhandeln um den Verkaufspr­eis, wie in Österreich üblich, wird es nicht mehr geben.

Ford, 1903 von Henry Ford gegründet, ist weltweit der sechstgröß­te Autoherste­ller. Im Vorkrisenj­ahr 2019 setzte das Unternehme­n weltweit 5,4 Millionen Fahrzeuge ab und macht damit einen Umsatz von 156 Milliarden Dollar.

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[ AFP via Getty Images ] Die Marke wird aufpoliert: Im Bild ein Modell des vollelektr­ischen Ford Mustang Mach-E GT.

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