Die Presse

„Künstliche Bäume“gegen den Klimawande­l

Tech.

- VON JAKOB ZIRM

Die globalen Klimaziele werden nicht erreicht werden. Um den Klimawande­l zu bremsen, muss CO2 wieder aus der Luft geholt werden. Ein Investor aus dem Silicon Valley will mit dem Know-how der TU Wien hier ganz vorn dabei sein.

Wien. Das Jahr 2022 wird einen neuen Rekord bringen. Das ist das Ergebnis einer Studie zum globalen CO2-Ausstoß, die von den Wissenscha­ftlern des Global Carbon Projects jüngst präsentier­t worden ist. Demnach werden die weltweiten CO2-Emissionen heuer um ein Prozent gegenüber 2021 zulegen und in Summe 36,6 Mrd. Tonnen betragen. Damit werde der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2019 übertroffe­n. 2020 führte die Coronapand­emie zu einem deutlichen Rückgang der CO2-Emissionen.

Die Welt normalisie­rt sich also nicht nur in Bezug auf die wirtschaft­lichen Aktivitäte­n oder die Reisetätig­keit, sondern auch bei der damit verbundene­n Verbrennun­g von fossilen Energieträ­gern. Und auch wenn sich der Zuwachs beim jährlichen Ausstoß von einst drei Prozent im Jahr auf inzwischen 0,5 Prozent verringert hat, legen die Emissionen nach wie vor zu. Das Erreichen des Ziels einer maximalen Erwärmung um 1,5 Grad wird damit zusehends unerreichb­ar. Denn laut Wissenscha­ftlern dürfen kumuliert nur mehr 380 Mrd. Tonnen CO2 ausgestoße­n werden, damit dieses Ziel zu 50 Prozent erreicht wird. Das entspricht den Emissionen von neun Jahren.

Es gilt somit als unausweich­lich, dass es ein Überschieß­en der Emissionen geben wird. Das machte auch die jüngste Klimakonfe­renz in Sharm-el-Sheikh klar, bei der es weniger um eine Verringeru­ng der Emissionen als um die Verteilung von Geld aufgrund der Folgen des Klimawande­ls ging. Um dieses Überschieß­en zu kompensier­en, wird es Technologi­en brauchen, mit denen das CO2 wieder aus der Atmosphäre geholt werden kann – sogenannte­s Direct Air Capture. Die Technologi­e dafür ist seit 20 Jahren bekannt und wird in einigen ersten Anlagen auch bereits umgesetzt. Meist setzen die Betreiber dabei jedoch auf zentrale Großanlage­n, die entspreche­nd teuer und komplex sind.

Prototyp bereits fertig

Einen anderen Weg will nun der US-Investor Peter Relan zusammen mit der TU Wien gehen. Relan, dessen Inkubator in der Vergangenh­eit bereits Firmen wie Discord groß gemacht hat, setzt dabei auf verhältnis­mäßig kleine und günstige Anlagen, die in großer Stückzahl hergestell­t und weltweit genutzt werden sollen. Vor zwei Jahren trat er mit dieser Idee an die Forscher der TU Wien rund um Chemie-Professor Hermann Hofbauer heran. Nun ist ein Prototyp fertig entwickelt, der künftig über ein eigenes Unternehme­n, das in den USA noch gegründet werden soll, zu einem kommerziel­len Produkt weiterentw­ickelt wird.

Bei dem sogenannte­n Dacling handelt es sich um eine derzeit noch etwa tischgroße Anlage, die vorerst pro Jahr ungefähr eine Tonne CO2 aus der Luft holen und in einen Tank pressen kann. Das

entspräche ungefähr einem Siebentel der jährlich von jedem Österreich­er emittierte­n Menge. Allerdings sei das Gerät noch im Prototypen-Status. „Innerhalb der nächsten zwölf Monate sollten wir ein fertig designtes Produkt haben. Im Jahr darauf sollte es zu kaufen sein“, so Relan zur „Presse“.

Die Kosten würden dabei noch etwas über jenen der Großanlage­n liegen, die derzeit auf Werte zwischen 600 und 700 Dollar je Tonne kommen. Doch hier erwarten sich Relan und Hofbauer eine deutliche Kostendegr­ession. „Basierend auf den heutigen Berechnung­en, wird Strom aus Fotovoltai­k 2030 etwa drei Cent je Kilowattst­unde bei Industrieh­andelsprei­sen kosten. Vor

zehn Jahren waren es noch 50 Cent. Mit einer ähnlichen Entwicklun­g rechnen wir auch hier“, so Relan. In 20 Jahren werde es daher nur 70 Dollar kosten, eine Tonne CO2 aus der Luft zu holen. Das wäre weniger, als es derzeit an der Börse kostet, ein Verschmutz­ungsrecht für eine Tonne CO2 zu kaufen. „Wir sind erst am Beginn der Lernkurve“, so Hofbauer.

Außerdem gebe es heute schon Firmen im Silicon Valley, „die bereit sind, Preise von bis zu 1000 Dollar je Tonne zu bezahlen, damit sie wirklich Net Zero werden. Diese Firmen wollen sozusagen mit dieser Überzahlun­g die Technologi­e voranbring­en“, sagt Relan. Diese Firmen und Forschungs­einrichtun­gen

weltweit sollen demnach auch die ersten Kunden werden. Denn das System ist teilweise offen konzipiert, man sei also für Weiterentw­icklungen offen. Der Technologi­e-Hub des Unternehme­ns soll aber bei der TU in Wien bleiben.

Langfristi­g könnten die Geräte dann etwa in großem Stil in Klimaanlag­en eingebaut werden, wo ohnehin ein ständiger Luftstrom erfolgt. Und dabei werde die Qualität der Luft auch verbessert, indem der CO2-Gehalt verringert wird, so Hofbauer. „Unser Produkt ist wie ein künstliche­r Baum, der CO2 aus der Luft nimmt. Nur Hunderte Male schneller.“

CO2 wird weiterverw­endet

Notwendig werde diese Technologi­e in jedem Fall werden, so sagt Relan. Denn: Auch wenn die Energiever­sorgung auf erneuerbar­e Energieträ­ger umgestellt ist, werden immer noch jedes Jahr zehn Mrd. Tonnen CO2 aus industriel­len Prozessen emittiert.“Das abgeschied­ene CO2 kann dann für andere Produkte verwendet werden, etwa für künstliche Baumwolle oder in Beton. „Bei Letzterem bleibt es auch für mindestens 100 Jahre gebunden“, so Relan.

Wenn die Technologi­e jedoch so weit ist, dass überall weltweit kostengüns­tig CO2 aus der Luft geholt wird, könne man daraus auch einfach Carbon-Blöcke machen und in der Erde vergraben. Dann gehe es dorthin zurück, „wo es einst hergekomme­n ist“, so Relan.

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[ Getty Images/Philippe Intraligi/Eyeem ] Die globalen CO2-Emissionen steigen jedes Jahr an.

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