Die Presse

Anleihen. Euroländer brauchen Geld von Investoren – Renditen für Bundesanle­ihen werden steigen.

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Wien. Die Energiekri­se, die Europa seit Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine in den Bann gezogen hat, kostet die Regierunge­n auf dem Kontinent Unsummen. Doch im Unterschie­d zu den letzten acht Jahren fällt einer der größten Finanziers weg: die Europäisch­e Zentralban­k hat ihre Gelddruckm­aschinen abgestellt und stampft demnächst ihre Kriseneuro­s wieder ein. Der Kurswechse­l der EZB wird so schnell erfolgen, dass die Finanzmini­ster der Eurozone nach Schätzunge­n von Analysten gezwungen sein werden, auf Nettobasis mehr bei Privatinve­storen aufzubring­en – nämlich rund 500 Milliarden Euro – als jemals zuvor im 21. Jahrhunder­t. Und die sind im Moment nicht dazu aufgelegt, Budgetexze­sse zu tolerieren, wie zuletzt Liz Truss herausgefu­nden hat.

Selbst den großen Ländern wie Deutschlan­d und Frankreich wird ein Anstieg der Zinskosten nicht erspart bleiben, sagen Strategen. BNP Paribas erwartet einen Anstieg der Renditen für 10-jährige Bundesanle­ihen um fast einen Prozentpun­kt bis Ende März.

Problemlan­d Italien

Für Italien, das anfälligst­e der großen Euro-Länder, steht noch viel mehr auf dem Spiel. Analysten der Citigroup schätzen, dass bis Anfang nächsten Jahres ein Renditeauf­schlag von fast 2,75 Prozentpun­kten gegenüber Bundesanle­ihen erforderli­ch sein wird, um Anleger zum Kauf italienisc­her Anleihen zu bewegen.

Ein solches Niveau würde erneut Spekulatio­nen befeuern, ob das Land seine Schulden bedienen kann – und in Brüssel und Frankfurt die Alarmglock­en schrillen lassen. „In einem Umfeld, in dem die europäisch­en Regierunge­n mehr Schulden machen, um die Energiekri­se zu bewältigen, und obendrein eine quantitati­ve Straffung erfolgt, werden die Kosten für die Kreditaufn­ahme massiv steigen“, sagt Flavio Carpenzano, Investment Director bei Capital Group in London.

„Die Märkte werden beginnen, die Tragfähigk­eit der Schul

den von Ländern wie Italien in Frag e zu stellen.“Nach Berechnung­en der Barclays Bank steigen die Nettoemiss­ionen europäisch­er Staatsanle­ihen, die von Privatinve­storen übernommen werden müssen, im Jahr 2023 auf fast 500 Milliarden Euro. Dank der Bondkäufe durch die EZB kommen im laufenden Jahr gerade einmal rund 200 Milliarden Euro auf diesem Weg zusammen.

Der Betrag würde um 100 Milliarden Euro steigen, wenn die EZB mit der sogenannte­n quantitati­ven Straffung beginnt, also nicht mehr alle auslaufend­en Anleihen in ihrem Portfolio durch neue ersetzt.

Verlockend­e Renditen

Italiens Nettobarmi­ttelbedarf wird nach Schätzunge­n der Citigroup um 48 Milliarden Euro steigen – im Verhältnis zum BIP der zweitgrößt­e Betrag nach Portugal.

„Selbst wenn Italien im europäisch­en Rahmen bleibt, wird es viele Anleihen ausgeben“, meint Ario Emami Nejad von Fidelity Internatio­nal. Der Renditeabs­tand zu Bundesanle­ihen werde daher voraussich­tlich über 150 Basispunkt­e ansteigen. Die Bondmärkte haben in diesem Jahr bereits eine umfassende Neubewertu­ng erfahren.

Ende 2021 lag die deutsche 10-jährige Rendite noch

im negativen Bereich bei einem Minus in Höhe von 0,18 Prozent. Am Mittwochab­end beendeten sie den Handel bei 1,79 Prozent.

Bank of England prescht vor

Auch ist die EZB ist nicht die einzige, die die ultralocke­re Geldpoliti­k beendet. Die US-Notenbank Federal Reserve hat schon mit der quantitati­ven Straffung begonnen und ihre Bilanz bis 30. November um rund 330 Milliarden Dollar reduziert. Die Bank of England verkauft sogar aktiv Staatsanle­ihen.

Die spannende Frage ist, wie weit die Anleger die Renditen noch treiben werden, bis sie sich angemessen entschädig­t fühlen. Die Vermutung, dass die EZB ihre Zinsanhebu­ngen schon wieder verlangsam­en könnte, hat sie zuletzt wieder sinken lassen.

Die kommende Rezession könnte einige Anleger allerdings wieder zurück in Staatspapi­ere locken. Die jüngsten Kursgewinn­e bei den Staatsanle­ihen könnten angesichts der Herausford­erungen der ersten Jahreshälf­te 2023 rasch wieder abebben, nicht zuletzt, weil die Finanzagen­turen ihre Emissionen gern früh im Jahr hinter sich bringen.

So besteht die Möglichkei­t, dass die EZB einen Plan für ihre Bilanzdiät vorstellt, der aggressive­r ist als erwartet. Die Währungshü­ter haben allerdings zuletzt versucht, diese Befürchtun­gen zu zerstreuen.

Selbst Oberfalke und Bundesbank­präsident Joachim Nagel sagte im November, der Bilanzabba­u solle „schrittwei­se“erfolgen. Im Bewusstsei­n der heiklen Natur ihres Vorhabens haben sich die Notenbanke­r der Zentralban­k bereits auf die Idee geeinigt, die quantitati­ve Straffung im Hintergrun­d laufen zu lassen. Dies soll das Risiko von Verwerfung­en minimieren und sicherstel­len, dass die Zinsen das wichtigste geldpoliti­sche Instrument bleiben.

„Mehr Anleihen“könnte sich anfühlen wie „viel mehr Anleihen“, wenn die Unterstütz­ung durch die Europäisch­e Zentralban­k wegfällt, fasst Giles Gale, Leiter der europäisch­en Zinsstrate­gie bei NatWest Markets, die Stimmung zusammen. (Bloomberg)

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Die ultralocke­re Geldpoliti­k der Europäisch­en
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