Kein Hybrid aus dem Lehrbuch
Fahrbericht. Eine interessante Variante von Hybridtechnik zeigt Honda im neuen Civic – es ist aber auch gut, wenn einen das gar nicht interessiert: Als Musterbeispiel von Ergonomie ist dies ein Auto, das man einfach gern fährt.
Wien. Die einfache Lösung ist selten die richtige für Honda. Was hat man nicht alles zum ersten Mal gesehen und bestaunt bei der Marke, wir denken spontan an Allradlenkung (Prelude) und die Ventilsteuerung VTEC samt der dazugehörigen lustigen Hochdrehzahlautos. Mit dem hybriden Insight war Honda in vielen Ländern vor dem Prius auf dem Markt, und als man in Europa meinte, Diesel sei die Zukunft, baute Honda eben Dieselmotoren, die gleich zu den allerbesten zählten, anstatt sie für diesen (global gesehenen) Bonsaimarkt einfach zuzukaufen, wie das Toyota bei BMW tat. Hondas erstes Elektroauto: auch gegen den Strich gebürstet – nicht mit der größten, sondern mit der kleinsten Batterie. Weil man’s für richtig hält.
Großer Vierzylinder
Ein Hybrid aus dem Schulbuch ist der neue Civic auch nicht gerade. Nicht einmal jenes „e:HEV“-System, wie es in den Modellen Jazz und H-RV erst kürzlich debütiert hat, hat man für den neuen Civic übernommen. Das Prinzip zwar schon, der Vierzylinder ist aber ein komplett neu entwickelter Zweiliter (statt 1,5 Litern).
Was die Arbeitsweise des elektrifizierten Antriebsstrang angeht, steuern wir ja auf eine Hochblüte an Vielfalt zu, und Honda, wie sich das für die Ingenieursmarke geziemt, steuert seine eigene Vorstellung bei. Zunächst haben wir da erwähnten Vierzylinder als Direkteinspritzer, besonders sparsam im schon gut bekannten Atkinson-Zyklus laufend – der Hersteller nennt 41 Prozent Wirkungsgrad, was tatsächlich Dieselgefilde wären.
Dazu zwei E-Motoren, von denen einer, viel leistungsfähiger als der Benziner, die meiste Zeit den Antrieb übernimmt, und der andere als Generator fungiert und die Verbrenner-Energie in Strom für Vortrieb und Batterie (1,05 kWh) verwandelt. Der Verbrenner treibt auch direkt an, wenn es sinnvoll ist, wie auf der Autobahn, und er tut dies tatsächlich direkt, nämlich ohne Getriebe. Über die Schwäche bei ungünstiger Drehzahl hilft alleweil der E-Motor hinweg.
Kein Getriebe
So weit, so ungewöhnlich. Das Beste am neuen Civic ist aber, dass man all das komplett vergessen kann. Es ist ein Auto, das offenbar nach Zen-Prinzipien gebaut wurde: Ziel ist innere Ruhe – und nicht die Kenntnis, welcher Motor gerade was macht. Vom Verbrenner hört man kaum etwas, und was man hört, klingt gut – null rachitisch, wie es manchmal bei Hybriden vorkommt. Zudem gibt es kein Orgeln der Drehzahl mangels des sonst so typischen CVT-Getriebes.
Das Fahrgefühl ist elektrisch – geschmeidig, schön ansprechend und mühelos beim Anfahren –, nur dass keine Batterie leer werden kann und man nicht nach Ladesäulen Ausschau halten muss.
In elfter Generation scheint der Civic sein Mojo wiedergefunden zu haben, als kompakte Fließhecklimo mit günstigem Packaging: Die übersichtliche Karosserie wurde um 31 mm länger, was hauptsächlich der Aerodynamik dient, der Radstand um 35 mm, was zur Gänze dem Fußraum im Fond zugutekommt. Dort können auch größere Erwachsene dauerhaft ordentlich sitzen, nur beim Einsteigen heißt es Kopf einziehen, denn die Dachlinie fällt coupéhaft eilig ab. Dass die Hochvoltbatterie unter den Rücksitzen liegt, merkt man an einer kleinen Hutze zur Entlüftung – und allenfalls daran, dass man ein Haucherl höher sitzt, großvolumiges Haupthaar kann am Dachhimmel streifen.
Was das Interieur und speziell das Cockpit angeht, empfiehlt sich der Civic für einen Sonderpreis.
Ergonomie ist der Marke heilig, hier beginnt schließlich entspanntes und sicheres Autofahren, und der Civic kann als Musterbeispiel dienen – wie schön alles zur Hand geht, wie gut sich anfühlt, was man dreht, drückt, schiebt oder anderweitig bedient. Unaufdringliche, zuverlässige Fahrassistenz trägt zur Entlastung statt zur Verwirrung mit komplizierter Handhabe und Fehlalarmen bei, wie wir es anderswo oft erleben.