Innovation braucht keine Mindestgröße
Start-ups.
Künstliche Blutgefäße, Genanalysen zur Lifestyle-Ernährung und -Kosmetik, Rotalgen gegen Coronaviren und eine Hautkrebs-Früherkennungs-App: Auch kleinere Unternehmen sind in der medizinischen Forschung sehr aktiv.
Die Folgeerkrankungen von Diabetes, die oft durch Probleme mit den Blutgefäßen verursacht werden, beschäftigen das Innsbrucker Biotechnologieunternehmen Angios Biotech, gegründet von Gregor Wick, dem Genetiker Josef Penninger und dem Molekularbiologen David Hoffmann. Der neuartige Ansatz: im Labor Blutgefäß-Organoide für Transplantationen züchten. Die Technologie basiert laut Wick auf der Arbeit aus Penningers Labor, an der sich Angios Biotech die Exklusivrechte gesichert hat. Die Vision: spezielle Zellen zu verwenden, die theoretisch in alle Patienten transplantierbar sind und die es ermöglichen, einen Vorrat an Blutgefäßen auf Abruf verfügbar zu haben. Neben der Versorgung von diabetischen Wunden drängt sich für gezüchtete Blutgefäße die Verwendung zu Testzwecken auf. So könnten Tierversuche, bei denen untersucht wird, ob experimentelle Medikamente Blutgefäße schädigen, zum Teil ersetzt werden.
Für den Laien nicht naheliegend, aber in direktem Konnex steht der zweite Forschungsschwerpunkt
von Angios Biotech. „Im diabetischen Auge leckt Flüssigkeit aus löchrigen Blutgefäßen, was zur Erblindung führen kann. Hier haben wir Antikörper, die helfen sollen, diese Löcher wieder zu schließen und den Fortschritt der Erkrankung zu stoppen“, erklärt Wick. Entwickelt werden diese Antikörper mit dem kanadischen Partner Abcellera. In etwa vier Jahren ist eine klinische Studie am Menschen geplant.
Gene und Ernährung
In gänzlich anderen Bereichen ist das Salzburger Biotech-Unternehmen Novogenia tätig. Gründer Daniel Wallerstorfer und sein Team beschäftigen sich mit Genanalysen zur Ernährungsgenetik. „Wir geben Antworten auf die Fragen, wie der Körper aufgrund der Gene auf Lebensmittelbestandteile reagiert und wie man sich aufgrund dieser Erkenntnisse ernähren soll“, erklärt er und leitet daraus ein Geschäftsmodell ab: „Wir bieten personalisierte Nahrungsergänzung, wie Vitamine und Mineralstoffe, die auf Basis des individuellen genetischen Bedarfs eigens angefertigt werden, an.“Auf diesem Gebiet – und bei der Herstellung personalisierter Kosmetik – ist man europäischer Marktführer. 720.000 Genanalysen führt Novogenia pro Jahr durch, hinzu kommen 700.000 medizinische Genanalysen, die Aufschluss über die individuelle Funktion von Medikamenten und deren mögliche Nebenwirkungen geben. Das Unternehmen definiert sich „beinahe als Softwareunternehmen mit Biotech-Fokus“, so Wallerstorfer: „Alle Auswertungen basieren auf enorm umfangreichen Algorithmen, die Empfehlungen aus den genetischen Daten erstellen. Im Bereich KI arbeiten wir an einem System, das lernt, die 26 Millionen wissenschaftlichen Publikationen auszuwerten.“
Rotalgen fesseln Viren
Auch am allgegenwärtigen Thema Corona wird in Österreich weiter eifrig geforscht. Das niederösterreichische Start-up Marinomed setzt im Kampf gegen Coronaviren auf Rotalgen aus den Küstengewässern der Philippinen und hat bereits eine Reihe an Produkten auf den Markt gebracht, die bei respiratorischen Infektionen Viren blockieren. Unternehmensgründer Andreas Grassauer: „Der Wirkstoff in
Carragelose-Nasensprays oder in einer Lutschpastille ist ein molekularer Faden, der das Virus umwickelt. Damit bleibt es nicht haften und kann sich nicht weiter ausbreiten. Ist ein Patient bereits infiziert, wird die Ausbreitung unterbunden und eine schwere Erkrankung vermieden.“Der Firmenchef verweist auf klinische Studien, zuletzt bei Sars-Cov2, die die Wirkungsweise bewiesen haben. „Es ist unserer Substanz egal, ob das ein Coronavirus aus dem Jahr 2019 ist oder eine Omikron-Variante“, erläutert Grassauer, „Daten haben bewiesen, dass es keinen Unterschied in der Wirksamkeit gibt. Das gilt auch für Influenza- oder Rhinoviren, das sind lästige Schnupfenviren.“Auf der Suche nach einem passenden Wirkstoff, der diese Entwicklung möglich machte, stieß man aus Zufall auf die Rotalge Eucheuma spinosum.
Einen Durchbruch bei der Früherkennung von Hautkrebs mittels Handy-App konnte das Grazer Start-up Medaia verbuchen. Nach einer klinischen Studie und der EU-weiten Zulassung zählt Gründer Michael Tripolt rund 15.000 neue Nutzer pro Monat aus Österreich und Europa für die SkinScreener-App. Laut einer klinischen Studie erreicht die App eine Genauigkeit von 95 Prozent. „Das ist bei der Hauttumor-Erkennung mit künstlicher Intelligenz im internationalen Vergleich sehr gut“, so Tripolt. Zukunftsmärkte sieht er in Afrika und vor allem in Australien.