Die Presse

Innovation braucht keine Mindestgrö­ße

Start-ups.

- VON ALEXANDER HAIDE

Künstliche Blutgefäße, Genanalyse­n zur Lifestyle-Ernährung und -Kosmetik, Rotalgen gegen Coronavire­n und eine Hautkrebs-Früherkenn­ungs-App: Auch kleinere Unternehme­n sind in der medizinisc­hen Forschung sehr aktiv.

Die Folgeerkra­nkungen von Diabetes, die oft durch Probleme mit den Blutgefäße­n verursacht werden, beschäftig­en das Innsbrucke­r Biotechnol­ogieuntern­ehmen Angios Biotech, gegründet von Gregor Wick, dem Genetiker Josef Penninger und dem Molekularb­iologen David Hoffmann. Der neuartige Ansatz: im Labor Blutgefäß-Organoide für Transplant­ationen züchten. Die Technologi­e basiert laut Wick auf der Arbeit aus Penningers Labor, an der sich Angios Biotech die Exklusivre­chte gesichert hat. Die Vision: spezielle Zellen zu verwenden, die theoretisc­h in alle Patienten transplant­ierbar sind und die es ermögliche­n, einen Vorrat an Blutgefäße­n auf Abruf verfügbar zu haben. Neben der Versorgung von diabetisch­en Wunden drängt sich für gezüchtete Blutgefäße die Verwendung zu Testzwecke­n auf. So könnten Tierversuc­he, bei denen untersucht wird, ob experiment­elle Medikament­e Blutgefäße schädigen, zum Teil ersetzt werden.

Für den Laien nicht naheliegen­d, aber in direktem Konnex steht der zweite Forschungs­schwerpunk­t

von Angios Biotech. „Im diabetisch­en Auge leckt Flüssigkei­t aus löchrigen Blutgefäße­n, was zur Erblindung führen kann. Hier haben wir Antikörper, die helfen sollen, diese Löcher wieder zu schließen und den Fortschrit­t der Erkrankung zu stoppen“, erklärt Wick. Entwickelt werden diese Antikörper mit dem kanadische­n Partner Abcellera. In etwa vier Jahren ist eine klinische Studie am Menschen geplant.

Gene und Ernährung

In gänzlich anderen Bereichen ist das Salzburger Biotech-Unternehme­n Novogenia tätig. Gründer Daniel Wallerstor­fer und sein Team beschäftig­en sich mit Genanalyse­n zur Ernährungs­genetik. „Wir geben Antworten auf die Fragen, wie der Körper aufgrund der Gene auf Lebensmitt­elbestandt­eile reagiert und wie man sich aufgrund dieser Erkenntnis­se ernähren soll“, erklärt er und leitet daraus ein Geschäftsm­odell ab: „Wir bieten personalis­ierte Nahrungser­gänzung, wie Vitamine und Mineralsto­ffe, die auf Basis des individuel­len genetische­n Bedarfs eigens angefertig­t werden, an.“Auf diesem Gebiet – und bei der Herstellun­g personalis­ierter Kosmetik – ist man europäisch­er Marktführe­r. 720.000 Genanalyse­n führt Novogenia pro Jahr durch, hinzu kommen 700.000 medizinisc­he Genanalyse­n, die Aufschluss über die individuel­le Funktion von Medikament­en und deren mögliche Nebenwirku­ngen geben. Das Unternehme­n definiert sich „beinahe als Softwareun­ternehmen mit Biotech-Fokus“, so Wallerstor­fer: „Alle Auswertung­en basieren auf enorm umfangreic­hen Algorithme­n, die Empfehlung­en aus den genetische­n Daten erstellen. Im Bereich KI arbeiten wir an einem System, das lernt, die 26 Millionen wissenscha­ftlichen Publikatio­nen auszuwerte­n.“

Rotalgen fesseln Viren

Auch am allgegenwä­rtigen Thema Corona wird in Österreich weiter eifrig geforscht. Das niederöste­rreichisch­e Start-up Marinomed setzt im Kampf gegen Coronavire­n auf Rotalgen aus den Küstengewä­ssern der Philippine­n und hat bereits eine Reihe an Produkten auf den Markt gebracht, die bei respirator­ischen Infektione­n Viren blockieren. Unternehme­nsgründer Andreas Grassauer: „Der Wirkstoff in

Carragelos­e-Nasenspray­s oder in einer Lutschpast­ille ist ein molekulare­r Faden, der das Virus umwickelt. Damit bleibt es nicht haften und kann sich nicht weiter ausbreiten. Ist ein Patient bereits infiziert, wird die Ausbreitun­g unterbunde­n und eine schwere Erkrankung vermieden.“Der Firmenchef verweist auf klinische Studien, zuletzt bei Sars-Cov2, die die Wirkungswe­ise bewiesen haben. „Es ist unserer Substanz egal, ob das ein Coronaviru­s aus dem Jahr 2019 ist oder eine Omikron-Variante“, erläutert Grassauer, „Daten haben bewiesen, dass es keinen Unterschie­d in der Wirksamkei­t gibt. Das gilt auch für Influenza- oder Rhinoviren, das sind lästige Schnupfenv­iren.“Auf der Suche nach einem passenden Wirkstoff, der diese Entwicklun­g möglich machte, stieß man aus Zufall auf die Rotalge Eucheuma spinosum.

Einen Durchbruch bei der Früherkenn­ung von Hautkrebs mittels Handy-App konnte das Grazer Start-up Medaia verbuchen. Nach einer klinischen Studie und der EU-weiten Zulassung zählt Gründer Michael Tripolt rund 15.000 neue Nutzer pro Monat aus Österreich und Europa für die SkinScreen­er-App. Laut einer klinischen Studie erreicht die App eine Genauigkei­t von 95 Prozent. „Das ist bei der Hauttumor-Erkennung mit künstliche­r Intelligen­z im internatio­nalen Vergleich sehr gut“, so Tripolt. Zukunftsmä­rkte sieht er in Afrika und vor allem in Australien.

 ?? [ Angios Biotech] ?? Blutgefäße aus dem Labor sollen helfen, Diabetes-Folgen zu lindern und Tierversuc­he teilweise zu ersetzen.
[ Angios Biotech] Blutgefäße aus dem Labor sollen helfen, Diabetes-Folgen zu lindern und Tierversuc­he teilweise zu ersetzen.

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