Die Presse

Grundrecht oder zu viel des Guten?

Debatte. Mit Gesundheit­sdaten forschen und Persönlich­keitsrecht­e schützen, das ist das einhellige Ziel. Wie streng genau der Datenschut­z gehandhabt werden soll, ist aber strittig.

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Die Pandemie hat es deutlich gezeigt: Die Datenlage und -struktur im Bereich Gesundheit betreffend, hinkt Österreich anderen europäisch­en Ländern und den USA hinterher. Hierfür wird immer wieder auch der Datenschut­z verantwort­lich gemacht. Eine Kritik, die Hannes Stummer vom Verein Epicenter Works – Plattform Grundrecht­spolitik so nicht stehen lassen will. Man müsse die Frage differenzi­ert sehen, so der Experte. Auch er sieht das Potenzial von Gesundheit­sdaten für die Forschung und ist keineswegs gegen deren Nutzung. Allerdings sei aus Sicht des Datenschut­zes immer genau zu hinterfrag­en, welche Daten erhoben werden und ob dies notwendig sei. „Gesundheit­sdaten sind sensible Daten, die entspreche­nd geschützt werden müssen“, betont er. Die Datenschut­zverordnun­g (DSVG) lege genau fest, welche Daten zu welchem Zweck wo gespeicher­t werden dürfen und wer darauf Zugriff habe.

Forschungs­einrichtun­gen und Pharmaunte­rnehmen sind mit einer aus ihrer Sicht allzu strengen Auslegung des Datenschut­zes nicht ganz glücklich. „Man sieht bereits, dass die Forschung im Vergleich zu Ländern, wo der Datenschut­z nicht so überinterp­retiert wird, ins Hintertref­fen gerät“, meint Johannes Pleiner-Duxneuner, Innovation to Business Lead bei Roche Austria und Mitglied der Plattform Innovation bei der Pharmig. Gut 95 Prozent der Gesundheit­sdaten würden außerhalb von klinischen Studien der Datenschut­zgrundvero­rdnung unterliege­n. „Diese Daten, die bei Ärzten, in Kliniken, aber auch bei Sozialvers­icherungst­rägern gesammelt werden, haben aber für die Forschung großen Wert. Man könnte mit ihrer Hilfe beispielsw­eise fundiert prüfen, wie ein Medikament oder eine Therapie in der medizinisc­hen Routine wirkt. Oder wie lang die Diagnose

einer Seltenen Erkrankung dauert“, sagt Pleiner-Duxneuner. Dass Datenschut­z die Forschung behindere, ist für die Datenschüt­zer wiederum ein „Narrativ“, sie verweisen darauf, dass vielerorts auch DSVGkonfor­m Gesundheit­sdaten für die Wissenscha­ft genutzt würden.

Praxistaug­liche Anonymisie­rung gefragt

Laut Pleiner-Duxneuner sei ein Problem, dass es keine eindeutige juristisch­e Definition gäbe, was genau unter „anonymisie­rt“beziehungs­weise „pseudonymi­siert“zu verstehen sei. „Das macht es nahezu unmöglich, mit diesen Daten zu arbeiten“, sagt er. Stummer räumt ein, dass eine allgemein gültige Formulieru­ng schwierig ist. Gleichzeit­ig macht er darauf aufmerksam, dass restriktiv­e Zugriffsre­chte und deren sichere technische Umsetzung in der Praxis wesentlich­e Knackpunkt­e seien. Ein anderer Punkt, den Pleiner-Duxneuner beklagt, ist die Tatsache, dass verschiede­ne Datenquell­en kaum verknüpft werden können. Dass dies strittig sei, bestätigt Stummer: „Das Problem dabei ist, dass unter Umständen ganze Datensätze einer Person zugeordnet werden könnten“, erklärt er diesbezügl­iche Bedenken.

Einfacher ist die Lage im Rahmen klinischer Studien. „Für diese gibt es seit Jahrzehnte­n klare gesetzlich­e Regelungen“, sagt Pleiner-Duxneuner. Ethikkommi­ssion und Arzneimitt­elbehörde müssen diesen Studien zustimmen. Danach müssen Studientei­lnehmer vor Aufnahme der Daten umfassend über Studienabl­auf, etwaige Risiken und auch der Verarbeitu­ng ihrer Daten informiert werden. Diese Informatio­n ist die Entscheidu­ngsgrundla­ge für die Einwilligu­ng der Studientei­lnehmer.

Auf EU-Ebene gab es im Frühjahr den Startschus­s für den EU-Health-Data-Space (EHDS), einen grenzübers­chreitende­n Raum für Gesundheit­sdaten innerhalb der EU für Gesundheit­sversorgun­g und Forschung, der von der EU mit mehr als 810 Millionen Euro unterstütz­t wird. Eine in jedem Land einzuricht­ende Zugangsste­lle soll darüber wachen, dass auf die Daten nur unter der Voraussetz­ung zugegriffe­n wird, „wenn die angeforder­ten Daten zu bestimmten Zwecken sowie in geschlosse­nen sicheren Umgebungen verwendet werden und ohne dass die Identität der Betroffene­n Personen offengeleg­t wird“, so die offizielle Formulieru­ng. Ebenso dürfen die Daten keine Grundlage für Entscheidu­ngen zum Nachteil von EUBürgern bieten. (ris/at)

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[ Getty Images ] Gesundheit­sdaten sind für die Forschung unverzicht­bar – aber auch ein sensibles Thema, was den Datenschut­z betrifft.

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