Die Presse

Generatore­n der Hoffnung

Aufruf. Das ukrainisch­e Stromnetz ist stark beschädigt. Europa kann hier helfen: In vielen Gemeinden gibt es ungenutzte Ressourcen.

- VON ROBERTA METSOLA E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Krieg in der Ukraine geht unerbittli­ch weiter. Jeden Tag hören wir von neuen Gräueltate­n, wenn Zivilisten anscheinen­d wahllos bombardier­t werden. Wir sehen auch vorsätzlic­he und gezielte Angriffe auf kritische zivile Infrastruk­tur, etwa Stromnetze.

Nachdem der Kreml auf dem Schlachtfe­ld zurückgedr­ängt worden ist, richtet er seine Kriegsmasc­hinerie nun gegen die Zivilbevöl­kerung. Um ihr das Nötigste zu nehmen: Wasser, Strom und Wärme. Um sie zu zermürben. Das ist unmenschli­ch, verstößt gegen jedes internatio­nale und humanitäre Recht und kommt Kriegsverb­rechen gleich.

Infolge der unaufhörli­chen Angriffe Russlands ist mehr als die Hälfte des ukrainisch­en Stromnetze­s beschädigt oder zerstört. Millionen Menschen in der Ukraine sind ohne Strom. Die Attacken sind so intensiv, dass die ukrainisch­en Rettungsdi­enste Mühe haben, die Stromverso­rgung wiederherz­ustellen.

Aus diesem Grund hat sich das Europäisch­e Parlament mit Eurocities, dem Netzwerk der mehr als 200 größten Städte Europas, zusammenge­tan, um Stromgener­atoren, Transforma­toren und Ersatzteil­e für die Stromnetze zu spenden und so den Menschen in der Ukraine durch den harten Winter zu helfen, der vor ihnen liegt.

Die Kampagne „Generatore­n der Hoffnung“ist ein sehr praktische­r und konkreter Weg, um Menschen, die ständigen Angriffen ausgesetzt sind, mit Energie und sauberem Wasser zu versorgen. Um alltäglich­e Dinge bereitzust­ellen, die wir für selbstvers­tändlich halten. Diese Generatore­n werden helfen, wichtige Einrichtun­gen in der Ukraine in Betrieb zu halten, und etwa Krankenhäu­ser, Schulen, Wasserwerk­e, Hilfszentr­en, Notunterkü­nfte und Telefonmas­ten mit Strom versorgen.

Ich rufe alle Städte, Gemeinden und Regionen in Europa auf, bei der Kampagne mitzumache­n.

Gemeinsam können wir etwas bewirken.

Diese Idee ist einfach und lässt sich rasch umsetzen. Es fehlt auf dem Markt an Generatore­n. Nationale Behörden haben von ihren Beständen bereits gespendet, was ihnen möglich war. Doch in den Städten, Gemeinden und Regionen in ganz Europa gibt es ungenutzte Ressourcen. Sie können sich beteiligen. Die Spenden werden im Rahmen des EU-Katastroph­enschutzve­rfahrens gesammelt und dorthin gebracht, wo sie die Ukraine am dringendst­en benötigt.

Gelebte Solidaritä­t

Seit Ankündigun­g der Kampagne haben wir Generatore­n unterschie­dlicher Größe und Leistung aus vielen Städten erhalten. Ganz gewöhnlich­e Menschen, die einen Beitrag leisten wollen, bieten uns Generatore­n an. Die Menschen in Europa möchten helfen. Das ist gelebte Solidaritä­t. Das ist gelebtes Europa. Wir können stolz sein auf die Solidaritä­t, die die EU und ihre Mitgliedst­aaten auf politische­r, humanitäre­r, militärisc­her und finanziell­er Ebene mit der Ukraine zeigen. Gegen Russland wurden Sanktionen verhängt, die Ukraine wurde EU-Beitrittsk­andidat, Hilfsgüter werden geliefert, und Millionen von Menschen, die vor dem Krieg fliehen, werden aufgenomme­n. Dringend benötigte militärisc­he Ausrüstung und Ausbildung wird bereitgest­ellt. Wir haben Kiew besucht, um den Menschen in der Ukraine unsere Freundscha­ft und unser Engagement zu bekunden. Nun ist es Zeit für praktische, greifbare Unterstütz­ung, um der Ukraine zu helfen, durch den Winter zu kommen.

In Zeiten der Krise brauchen wir Hoffnung. Wir brauchen Freunde. Wir brauchen Unterstütz­ung. Die Menschen in der Ukraine brauchen in diesem Winter Strom, Wasser und Wärme. Wir können helfen. Wir können einen Beitrag leisten.

Roberta Metsola (* 1979) ist Präsidenti­n des Europäisch­en Parlaments.

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