Der heiße Schatz in der Tiefe
Geothermie. Hohe Energiepreise und Bedarf an CO2neutralen Energieformen machen geothermische Projekte auch in Österreich immer interessanter.
Ein wenig Geothermie gibt es in Österreich ja bereits – auch abseits der touristischen Nutzung in verschiedensten Thermen. So wird laut Klimaschutzministerium in zehn Anlagen (vor allem Oberösterreich und Steiermark) Wärme und in zwei kleinen Kraftwerken sogar Strom aus Tiefenwärme erzeugt. Mit einer Leistung von rund 1,2 Megawatt kommen Letztere bisher zwar nur auf die Leistungsfähigkeit eines halben Windrades, anders sieht es jedoch bei den Wärmeanlagen aus, die zusammen eine Leistung von 100 Megawatt haben – genug, um etwa 100.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen.
Das vorhandene Potenzial sei damit aber erst zu einem Zehntel ausgenutzt. Daher hoffe man auf geplante Projekte wie etwa „Geotief“unter Führung der Wien Energie. Mit diesem sollen ab 2026 Haushalte im Norden der Bundeshauptstadt mit geothermischer Wärme versorgt werden, die aus 3000 Metern in der Tiefe per heißem Wasser nach oben geholt wird. Im Endausbau will der Wiener Versorger ein Viertel der Stadt mit Geothermie heizen.
Aber welches Potenzial hat die Geothermie in Österreich überhaupt? Wäre eine Entwicklung wie in Island möglich, wo rund zwei Drittel des Energiebedarfs über die Tiefenwärme gedeckt werden? „Mit Island kann man Österreich nur schwer vergleichen“, sagt dazu Gregor Götzl, Geothermie-Experte an der Geologischen Bundesanstalt. Grund dafür ist, dass die Insel sozusagen auf einer Naht der Erdkruste liegt. Daher gibt es dort auch knapp unter der Oberfläche Quellen, die mit bis zu 300 Grad aus der Erde geholt werden.
Hierzulande ist die feste Erdkruste hingegen 30 bis 40 Kilometer dick – im Alpenhauptkamm sogar 150 Kilometer. Es muss also wesentlich tiefer gebohrt werden, und das ist teuer. „Die Bohrkosten steigen exponentiell mit der Tiefe“, sagt dazu Angelika Zartl-Klik, die bei der OMV das Thema
Geothermie verantwortet. Auch der heimische Ölkonzern will sich künftig verstärkt um Geothermie kümmern. Er war daher bei der Erkundung von Geotief dabei und hat auch in unmittelbarer Nähe, in Aderklaa, jüngst eine eigene Probebohrung abgeschlossen. Auch hier wurde in knapp 3000 Metern Tiefe etwa 100-Grad-heißes Wasser in erforderlicher Menge von 40 förderbaren Kubikmetern pro Stunde gefunden.
Drei Grad je 100 Meter Tiefe
Diese 100 Grad gelten derzeit als Standard für die Fernwärmeversorgung, weshalb die meisten Projekte auf einen solchen Wert abzielen. Theoretisch könnte man aber auch in Österreich heißeres Wasser in der Tiefe bekommen. Denn laut einer Faustregel steigt alle 100 Meter die Temperatur um drei Grad. Und die tiefste Bohrung
im Land erfolgte 1983 im Weinviertel auf 8553 Meter. „Für Öl hat es sich schon ausgezahlt, so tief zu bohren“, sagt Zartl-Klik. Für heißes Wasser nicht – noch nicht.
So wird weltweit an einer Verbesserung der Bohrtechnologie geforscht. Primär geht es darum, den Bohrkopf langlebiger zu machen. Denn sobald dieser bricht, muss das gesamte Gestänge nach oben gezogen werden, um ihn zu tauschen. Passiert dies 2000 Meter unter der Oberfläche, dauert und kostet das entsprechend. Eine Alternative wäre es auch, die Temperatur im Fernwärmenetz zu reduzieren. Neubauten können auch mit einer Leitungstemperatur (Vorlauf) von 70 Grad beheizt werden. Dafür müsste also rund 1000 Meter weniger tief gebohrt werden.
Das grundsätzliche geologische Potenzial in Österreich sei nämlich durchaus groß, sagt Götzl. So gebe es vor allem im Wiener Becken, in der Ost- und Weststeiermark und der Molassezone zwischen Oberund Niederösterreich, aber etwa auch im Flachgau oder dem Innviertel genügend Möglichkeiten. „Eigentlich gibt es Geothermie überall, wo es eine Therme gibt.“Nur in den wirklich alpinen Regionen sei es etwas aufwendiger.
Der einschränkende Faktor seien derzeit vor allem noch die Kosten. So kostet die Errichtung einer Geothermie-Anlage für 20.000 Haushalte zwischen 50 und 100 Mio. Euro. „Je Megawattstunde sind das etwa 50 bis 60 Euro Entstehungskosten“, sagt ZartlKlik. Bis heuer war man damit gegen Gas, das in den Vorjahren zwischen zehn und 20 Euro je Megawattstunde kostete, nicht konkurrenzfähig. Das hat der Krieg in der Ukraine nun jedoch deutlich geändert, in dessen Folge die Gaspreise auf aktuell rund 140 Euro je Megawattstunde gestiegen sind.
Grundlastfähige Stromerzeugung
„Das Problem ist, dass der Wärmebedarf in den Wintermonaten sehr hoch, im Sommer jedoch eher gering ist. Würde man die Geothermie also auf den Spitzenbedarf ausrichten, wäre das schon sehr teuer“, so ZartlKlik. Optimal sei daher, mit geothermischen Kraftwerken die Grundlast zu stellen und für die Spitzenlast andere Wärmequellen wie Biomasse oder Großwärmepumpen zu nutzen. Grundsätzlich würde sich jedoch bereits für jeden Ort ab etwa 20.000 Haushalten eine Geothermie-Anlage auszahlen.
Und wie sieht es eigentlich beim Strom aus? Auch die Stromproduktion aus Geothermie ist ab Wassertemperaturen von 100 Grad möglich, allerdings noch mit einem derzeit eher geringen Wirkungsgrad von acht bis 15 Prozent, sagt Götzl. Sinnvoll wäre dies daher vor allem, wenn die Wärme ebenfalls genutzt wird. Allerdings bietet die Geothermie einen riesigen Vorteil gegenüber anderen erneuerbaren Quellen wie Wind oder Fotovoltaik – sie ist konstant verfügbar und somit grundlastfähig. Eine wichtige Eigenschaft in einem Stromsystem, das unter der zunehmenden Volatilität leidet.
Auch hier sind es also vor allem die Kosten, die bisher behinderten. In Deutschland wird Geothermie-Strom mit 250 Euro die Megawattstunde vergütet. Laut Zartl-Klik ein realistischer Preis. Je Kilowattstunde sind das 25 Cent – weniger als derzeit von den heimischen Haushaltskunden in der Regel gezahlt werden muss.