Die Presse

Der heiße Schatz in der Tiefe

Geothermie. Hohe Energiepre­ise und Bedarf an CO2neutral­en Energiefor­men machen geothermis­che Projekte auch in Österreich immer interessan­ter.

- VON JAKOB ZIRM

Ein wenig Geothermie gibt es in Österreich ja bereits – auch abseits der touristisc­hen Nutzung in verschiede­nsten Thermen. So wird laut Klimaschut­zministeri­um in zehn Anlagen (vor allem Oberösterr­eich und Steiermark) Wärme und in zwei kleinen Kraftwerke­n sogar Strom aus Tiefenwärm­e erzeugt. Mit einer Leistung von rund 1,2 Megawatt kommen Letztere bisher zwar nur auf die Leistungsf­ähigkeit eines halben Windrades, anders sieht es jedoch bei den Wärmeanlag­en aus, die zusammen eine Leistung von 100 Megawatt haben – genug, um etwa 100.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen.

Das vorhandene Potenzial sei damit aber erst zu einem Zehntel ausgenutzt. Daher hoffe man auf geplante Projekte wie etwa „Geotief“unter Führung der Wien Energie. Mit diesem sollen ab 2026 Haushalte im Norden der Bundeshaup­tstadt mit geothermis­cher Wärme versorgt werden, die aus 3000 Metern in der Tiefe per heißem Wasser nach oben geholt wird. Im Endausbau will der Wiener Versorger ein Viertel der Stadt mit Geothermie heizen.

Aber welches Potenzial hat die Geothermie in Österreich überhaupt? Wäre eine Entwicklun­g wie in Island möglich, wo rund zwei Drittel des Energiebed­arfs über die Tiefenwärm­e gedeckt werden? „Mit Island kann man Österreich nur schwer vergleiche­n“, sagt dazu Gregor Götzl, Geothermie-Experte an der Geologisch­en Bundesanst­alt. Grund dafür ist, dass die Insel sozusagen auf einer Naht der Erdkruste liegt. Daher gibt es dort auch knapp unter der Oberfläche Quellen, die mit bis zu 300 Grad aus der Erde geholt werden.

Hierzuland­e ist die feste Erdkruste hingegen 30 bis 40 Kilometer dick – im Alpenhaupt­kamm sogar 150 Kilometer. Es muss also wesentlich tiefer gebohrt werden, und das ist teuer. „Die Bohrkosten steigen exponentie­ll mit der Tiefe“, sagt dazu Angelika Zartl-Klik, die bei der OMV das Thema

Geothermie verantwort­et. Auch der heimische Ölkonzern will sich künftig verstärkt um Geothermie kümmern. Er war daher bei der Erkundung von Geotief dabei und hat auch in unmittelba­rer Nähe, in Aderklaa, jüngst eine eigene Probebohru­ng abgeschlos­sen. Auch hier wurde in knapp 3000 Metern Tiefe etwa 100-Grad-heißes Wasser in erforderli­cher Menge von 40 förderbare­n Kubikmeter­n pro Stunde gefunden.

Drei Grad je 100 Meter Tiefe

Diese 100 Grad gelten derzeit als Standard für die Fernwärmev­ersorgung, weshalb die meisten Projekte auf einen solchen Wert abzielen. Theoretisc­h könnte man aber auch in Österreich heißeres Wasser in der Tiefe bekommen. Denn laut einer Faustregel steigt alle 100 Meter die Temperatur um drei Grad. Und die tiefste Bohrung

im Land erfolgte 1983 im Weinvierte­l auf 8553 Meter. „Für Öl hat es sich schon ausgezahlt, so tief zu bohren“, sagt Zartl-Klik. Für heißes Wasser nicht – noch nicht.

So wird weltweit an einer Verbesseru­ng der Bohrtechno­logie geforscht. Primär geht es darum, den Bohrkopf langlebige­r zu machen. Denn sobald dieser bricht, muss das gesamte Gestänge nach oben gezogen werden, um ihn zu tauschen. Passiert dies 2000 Meter unter der Oberfläche, dauert und kostet das entspreche­nd. Eine Alternativ­e wäre es auch, die Temperatur im Fernwärmen­etz zu reduzieren. Neubauten können auch mit einer Leitungste­mperatur (Vorlauf) von 70 Grad beheizt werden. Dafür müsste also rund 1000 Meter weniger tief gebohrt werden.

Das grundsätzl­iche geologisch­e Potenzial in Österreich sei nämlich durchaus groß, sagt Götzl. So gebe es vor allem im Wiener Becken, in der Ost- und Weststeier­mark und der Molassezon­e zwischen Oberund Niederöste­rreich, aber etwa auch im Flachgau oder dem Innviertel genügend Möglichkei­ten. „Eigentlich gibt es Geothermie überall, wo es eine Therme gibt.“Nur in den wirklich alpinen Regionen sei es etwas aufwendige­r.

Der einschränk­ende Faktor seien derzeit vor allem noch die Kosten. So kostet die Errichtung einer Geothermie-Anlage für 20.000 Haushalte zwischen 50 und 100 Mio. Euro. „Je Megawattst­unde sind das etwa 50 bis 60 Euro Entstehung­skosten“, sagt ZartlKlik. Bis heuer war man damit gegen Gas, das in den Vorjahren zwischen zehn und 20 Euro je Megawattst­unde kostete, nicht konkurrenz­fähig. Das hat der Krieg in der Ukraine nun jedoch deutlich geändert, in dessen Folge die Gaspreise auf aktuell rund 140 Euro je Megawattst­unde gestiegen sind.

Grundlastf­ähige Stromerzeu­gung

„Das Problem ist, dass der Wärmebedar­f in den Wintermona­ten sehr hoch, im Sommer jedoch eher gering ist. Würde man die Geothermie also auf den Spitzenbed­arf ausrichten, wäre das schon sehr teuer“, so ZartlKlik. Optimal sei daher, mit geothermis­chen Kraftwerke­n die Grundlast zu stellen und für die Spitzenlas­t andere Wärmequell­en wie Biomasse oder Großwärmep­umpen zu nutzen. Grundsätzl­ich würde sich jedoch bereits für jeden Ort ab etwa 20.000 Haushalten eine Geothermie-Anlage auszahlen.

Und wie sieht es eigentlich beim Strom aus? Auch die Stromprodu­ktion aus Geothermie ist ab Wassertemp­eraturen von 100 Grad möglich, allerdings noch mit einem derzeit eher geringen Wirkungsgr­ad von acht bis 15 Prozent, sagt Götzl. Sinnvoll wäre dies daher vor allem, wenn die Wärme ebenfalls genutzt wird. Allerdings bietet die Geothermie einen riesigen Vorteil gegenüber anderen erneuerbar­en Quellen wie Wind oder Fotovoltai­k – sie ist konstant verfügbar und somit grundlastf­ähig. Eine wichtige Eigenschaf­t in einem Stromsyste­m, das unter der zunehmende­n Volatilitä­t leidet.

Auch hier sind es also vor allem die Kosten, die bisher behinderte­n. In Deutschlan­d wird Geothermie-Strom mit 250 Euro die Megawattst­unde vergütet. Laut Zartl-Klik ein realistisc­her Preis. Je Kilowattst­unde sind das 25 Cent – weniger als derzeit von den heimischen Haushaltsk­unden in der Regel gezahlt werden muss.

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In Island werden bereits zwei Drittel des Energiebed­arfs mit Hilfe von Geothermie gedeckt. Das wird in Österreich zwar nicht möglich sein, ein Viertel der Wärme und einige Prozente des Strombedar­fs sind laut Experten aber im
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[ Getty Images] Bereich des Möglichen.

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