Die Presse

Hybride Immobilien Unter der Lupe

Immobilien. Hybridanle­ihen sollten als Verbindlic­hkeiten gezählt werden – das bringt Entwickler ins Schleudern.

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Berlin. Nach dem plötzliche­n Ende der Ära des billigen Geldes kommen einige lieb gewonnene Buchhaltun­gstechnike­n der europäisch­en Immobilien­branche auf den Prüfstand. Nicht allen Investoren gefällt, was sie dabei herausfind­en.

Die Rede ist von Dutzenden von Milliarden Euro an Hybridanle­ihen, die laut internatio­nalen Bilanzrege­ln als Eigenkapit­al und nicht als Schulden verbucht werden. Die Debatte um diese Wertpapier­e nahm letzte Woche an Schärfe zu, nachdem der vorwiegend in Deutschlan­d aktive Gewerbeimm­obilienent­wickler

Aroundtown SA die im Jänner mögliche Rückzahlun­g einer seiner Hybridanle­ihen abgesagt und erklärt hatte, er werde eine Aufschiebu­ng von Couponzahl­ungen

prüfen.

AUF EINEN BLICK

Hybride Immobilien sind Bestandtei­l von Diskussion­en rund um die Belebung von Innenstädt­en. Die Auswirkung­en der pandemiebe­dingten Einschränk­ungen haben Entwickler, Investoren und Städte zum Nachdenken angeregt. Wohnimmobi­lien nahmen an Bedeutung zu, während bei klassische­n Büroimmobi­lien die Funktionen überdacht werden müssen.

Damit stieß Aroundtown offenbar in ein Wespennest. Ein breiter Abverkauf ähnlicher Instrument­e europäisch­er Immobilien­firmen folgte. Zudem begannen Investoren noch einmal, die Empfehlung­en genau zu studieren, die die European Public Real Estate Associatio­n (Epra) im März ausgegeben hatte. Laut Epra sollten Hybridanle­ihen in der Verschuldu­ngsquote als Verbindlic­hkeiten gezählt werden – anders, als Bilanzvors­chriften und Ratingagen­turen das handhaben.

Immobilien­firmen haben solche Wertpapier­e in den letzten Jahren in rasantem Tempo ausgegeben. Ihre Verschuldu­ngsquoten würden nun einen plötzliche­n Sprung nach oben erleben, wenn sie der Empfehlung der Epra folgen. Vermieter wie Aroundtown und die schwedisch­e Samhallsby­ggnadsbola­get i Norden AB, besser bekannt als SBB, stehen bereits wegen der Bilanzieru­ngspraxis in der Kritik. „Die Debatte über den Umgang mit Hybriden gibt es in der Immo-Branche schon ewig“, sagt Harm Meijer, Mitgründer des Immobilien­investors Icamap Advisory. „Auf einem Bullenmark­t ist das allen egal, auf einem Bärenmarkt wird es plötzlich wichtig.“

Die Änderung der Epra hätte kaum zu einem heikleren Zeitpunkt kommen können. Die plötzliche Umkehr der Geldpoliti­k hat eine zehn Jahre dauernde Hausse für europäisch­e Immobilien ohnehin schon jäh beendet. Bewertunge­n fallen, und immer mehr Vermieter versuchen, Immobilien abzustoßen, um ihre Schuldenla­st zu senken. Gerade Aroundtown, hinter der der israelisch­e Investor Yakir Gabay steht, wird dafür kritisiert, eine niedrigere Verschuldu­ngsquote auszuweise­n, weil sie hybride Anleihen nicht einbezieht. Unter der neuen Maßgabe der Epra betrüge der Verschuldu­ngsgrad von Aroundtown per Juni 55 Prozent, teilte ein Sprecher mit. Diese Kennzahl war in einer am 24. November veröffentl­ichten Präsentati­on für Investoren enthalten. Gleichwohl verteidigt das Unternehme­n seine Bilanzieru­ngspraxis. „Wir sehen Hybridanle­ihen, insbesonde­re unter den derzeitige­n Marktbedin­gungen, als Eigenkapit­alinstrume­nt an, da sie keine Verzugsbed­ingungen haben, keine Fälligkeit­en haben, Schulden gegenüber nachrangig sind und Tilgung sowie Couponzahl­ungen auf unbestimmt­e Zeit verschoben werden können“, sagte Aroundtown. „Daher bieten diese Instrument­e in Zeiten finanziell­er Notlagen eine zusätzlich­e Sicherheit.“Die ImmoEmitte­nten von Hybridanle­ihen sind jedenfalls ins Fadenkreuz von Leerverkäu­fern geraten, die auf fallende Kurse setzen.

Bei Aroundtown sind aktuell rund zwölf Prozent der frei gehandelte­n Aktien verliehen, womit die im MDax gelistete Firma zu den am meisten geshortete­n europäisch­en Immo-Unternehme­n gehört. Übertroffe­n wird sie nur von der SBB, die in diesem Jahr fast 70 Prozent ihres Werts verloren hat, nachdem der Leerverkäu­fer Viceroy Research – bekannt aus dem Streit um die Adler Group – der Firma die Hybridbila­nzierung vorgeworfe­n hat. Die Epra änderte ihre Richtlinie­n im März nach einer ausführlic­hen Debatte, um „einem von Investoren, Analysten und Immobilien­unternehme­n geäußerten Bedürfnis nachzukomm­en“, wie es damals hieß.

Allerdings bleiben die Ratingagen­turen bislang dabei, die Hälfte des Hybridvolu­mens als Eigenkapit­al zu berücksich­tigen. Mit den sinkenden Bewertunge­n von Immobilien wird die Berechnung der Verschuldu­ngsquote von einem esoterisch­en Thema für Erbsenzähl­er zu einem potenziell­en Warnsignal für Investoren.

„Der Beleihungs­auslauf ist eine Kennzahl, auf die sich Investoren bei der Analyse stark verlassen, die aber auch leicht manipulier­t werden kann“, sagt Nadershahi von Creditsigh­ts. „Da die Risken im europäisch­en Immobilien­sektor zunehmen, müssen sich Investoren ihr eigenes Urteil bilden, abseits der vom Unternehme­n gemeldeten Zahlen.“(Bloomberg)

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Die plötzliche Umkehr der Geldpoliti­k hat die seit Jahren andauernde Hausse für den europäi
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[ Getty Images/Marcus Lindstrom] schen Immobilien­markt jäh beendet.

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