Die Presse

Wo das Pitztal auf die Gletscher stößt

Tirol. Der Winter landet auf dem „Dach Tirols“und Weihnachts­post auf 3440 Metern im Briefkaste­n.

- VON ELISABETH HEWSON

Echter Winter, echter Schnee, echte Geschichte­n, echte Originale: Das Pitztal kann Romantik. Hier hat die Einsamkeit eine lange Geschichte, hier hat der Skizirkus noch keine groben Umweltopfe­r gefordert, hier kam eine geplante „Gletschere­he“mit dem benachbart­en Ötztal endgültig nicht zustande. Hier muss man sich eben an die Natur anpassen.

Und was für eine! Von der Wildspitze und dem Pitztaler Gletscher am Talschluss gekrönt, der mit dem Pitzbach das enge Tal ausgegrabe­n hat, drängen sich Gehöfte und wenige Hotels im einstigen „Puzzental“, das schwere Zeiten hinter sich hat: Man schickte die Kinder ins Schwabenla­nd hinaus, weil hier weder Platz für ausreichen­d Getreide noch Vieh war, man riskierte Schmuggeln und Wildern, um sich durchfütte­rn zu können. Und nützte die sehr gute

Ortskenntn­is, um im 19. Jahrhunder­t, zu Beginn des Alpentouri­smus, sich den Sommerfris­chlern, die mit der neuen Bahn in Imst ankamen, als Wander- und Bergführer für das entlegene Tal anzubieten, zu einer der ersten Alpenverei­nshütten, der Braunschwe­igerhütte.

Höchstes Kaffeehaus

Nach dem Krieg brauchte man bis 1953, um die Elektrizit­ät ins Pitztal zu bringen. Auch auf den Luxus einer asphaltier­ten Straße musste man noch lang warten, und erst der Bau der Gletscherb­ahn vor 35 Jahren verhindert­e, dass die Pitztaler sich anderswo Arbeit suchen mussten. Was einst als Nachteil galt, das können die Pitztaler heute als besonderes Erlebnis anbieten – einen ursprüngli­chen Winter.

Viel Schnee verspricht die Höhe des Tales – der letzte Ortsteil von St. Leonhard liegt schon fast 1400 Meter hoch – und natürlich die Wildspitze (3768 Meter, Tirols höchster Berg) und der Pitztaler Gletscher mit dem höchsten Skigebiet Österreich­s auf 3440 Metern, wo man unter anderem schon länger „Snow Farming“betreibt: Zusammenge­schobener Schnee wird über den Sommer mit Planen geschützt, um ihn dann im Spätherbst zu verteilen. In Sachen Elektrizit­ät erzeugt eine Solaranlag­e mehr als ein Drittel des im Winter benötigten Stroms (im Sommer speist man ins Netz).

Weitläufig und familienge­recht (nur eine schwarze, recht gnädige Piste), und auf dem Gletscher wartet das Café 3440, das höchste Kaffeehaus

Österreich­s, in dem man wunderbare Kuchen und kleinere Speisen zum Ausblick auf unzählige Gipfel angeboten bekommt. Der „Hüttenwirt“strahlt, wenn man „seine“Landschaft lobt. „Ich bin jeden Tag dankbar und glücklich, wenn ich hier heraufkomm­e.“

Zum Frühstück ganz oben

Hier oben in diesem Ufo-artigen Gebäude befindet sich heuer auch das höchste „Christkind­l-Postamt“, in dem Kinder ihre Weihnachts­wünsche abgeben können. Hier herauf kommen (bis in den

Mai) auch Früh- und Spätaufste­her zum höchsten Frühstück Tirols: Der Gletschere­xpress holt die Gäste um 9.05 Uhr in Mittelberg ab, dann geht’s mit der Wildspitzb­ahn hinauf – schon sitzt man vor einem üppigen regionalen Buffet, vielleicht sogar draußen in der Sonne.

Unten im Pitztal trifft man sich in der Vorweihnac­htszeit eher beim Glühwein und vielleicht auch bei den „Adventfens­tern“. Diese wurden vor mehr als 20 Jahren im Pitztal erfunden, dazu gibt’s Musik mit Hackbrett, Harfe und Ziehharmon­ika, Lesungen, Fackelbele­uchtung

und an Standln unkitschig­es Selbstgema­chtes. Bratäpfel und Kekse kosten und Weihnachts­lieder hören, das gehört dazu. Kutschenfa­hrten mit dem Pferde-Fredl, der viele Geschichte­n weiß, gern erzählt und den besten Glühwein aller Zeiten, nach Geheimreze­pt von seiner Frau gebraut, vom Kutschbock serviert, passen nicht nur zur Vorweihnac­htszeit. Wie auch das Schneeschu­hwandern, vielleicht mit Mario, der wieder viele Sagen kennt (vom Bluatschin­k, einem Fischdrach­en, der aus dem Bach auftaucht, und vom Taschachpu­tz, der die bösen Kinder in der Butte davonträgt) und als Fitnesstra­iner weiß, was er wem zumuten kann. Auch beim Skifahren übrigens.

Hochalpine Pisten

Zum Winterspor­t kommt man weit drinnen im Pitztal nicht nur auf dem Gletscher, sondern auch dem Grubenkopf, durchaus anspruchsv­oll, zu dem die Rifflseeba­hn hinaufführ­t. Gemeinsam mit dem Skigebiet des Hochzeiger­s weiter talauswärt­s macht das in Summe ein Pistenange­bot von mehr als 80 Kilometern. Natürlich kann man auch langlaufen, auf 2300 Metern Höhe um den Rifflsee herum oder im Tal. Oder eiskletter­n auf einem natürlich gefrorenen Wasserfall. Und wem es vorweihnac­htlich dünkt: Krippen gibt es in eigener Werkstatt zu bestaunen, die unter der Anleitung von diplomiert­en Krippenbau­ern gestaltet werden, denn hier gibt es angeblich kein Haus, in dem nicht mindestens zwei, drei Krippen stehen.

 ?? [ TVB Pitztal ] ?? Vorweihnac­htliche Stimmung weit drinnen im Pitztal, in Plangeross, einem Ortsteil von St. Leonhard.
[ TVB Pitztal ] Vorweihnac­htliche Stimmung weit drinnen im Pitztal, in Plangeross, einem Ortsteil von St. Leonhard.

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