Wo das Pitztal auf die Gletscher stößt
Tirol. Der Winter landet auf dem „Dach Tirols“und Weihnachtspost auf 3440 Metern im Briefkasten.
Echter Winter, echter Schnee, echte Geschichten, echte Originale: Das Pitztal kann Romantik. Hier hat die Einsamkeit eine lange Geschichte, hier hat der Skizirkus noch keine groben Umweltopfer gefordert, hier kam eine geplante „Gletscherehe“mit dem benachbarten Ötztal endgültig nicht zustande. Hier muss man sich eben an die Natur anpassen.
Und was für eine! Von der Wildspitze und dem Pitztaler Gletscher am Talschluss gekrönt, der mit dem Pitzbach das enge Tal ausgegraben hat, drängen sich Gehöfte und wenige Hotels im einstigen „Puzzental“, das schwere Zeiten hinter sich hat: Man schickte die Kinder ins Schwabenland hinaus, weil hier weder Platz für ausreichend Getreide noch Vieh war, man riskierte Schmuggeln und Wildern, um sich durchfüttern zu können. Und nützte die sehr gute
Ortskenntnis, um im 19. Jahrhundert, zu Beginn des Alpentourismus, sich den Sommerfrischlern, die mit der neuen Bahn in Imst ankamen, als Wander- und Bergführer für das entlegene Tal anzubieten, zu einer der ersten Alpenvereinshütten, der Braunschweigerhütte.
Höchstes Kaffeehaus
Nach dem Krieg brauchte man bis 1953, um die Elektrizität ins Pitztal zu bringen. Auch auf den Luxus einer asphaltierten Straße musste man noch lang warten, und erst der Bau der Gletscherbahn vor 35 Jahren verhinderte, dass die Pitztaler sich anderswo Arbeit suchen mussten. Was einst als Nachteil galt, das können die Pitztaler heute als besonderes Erlebnis anbieten – einen ursprünglichen Winter.
Viel Schnee verspricht die Höhe des Tales – der letzte Ortsteil von St. Leonhard liegt schon fast 1400 Meter hoch – und natürlich die Wildspitze (3768 Meter, Tirols höchster Berg) und der Pitztaler Gletscher mit dem höchsten Skigebiet Österreichs auf 3440 Metern, wo man unter anderem schon länger „Snow Farming“betreibt: Zusammengeschobener Schnee wird über den Sommer mit Planen geschützt, um ihn dann im Spätherbst zu verteilen. In Sachen Elektrizität erzeugt eine Solaranlage mehr als ein Drittel des im Winter benötigten Stroms (im Sommer speist man ins Netz).
Weitläufig und familiengerecht (nur eine schwarze, recht gnädige Piste), und auf dem Gletscher wartet das Café 3440, das höchste Kaffeehaus
Österreichs, in dem man wunderbare Kuchen und kleinere Speisen zum Ausblick auf unzählige Gipfel angeboten bekommt. Der „Hüttenwirt“strahlt, wenn man „seine“Landschaft lobt. „Ich bin jeden Tag dankbar und glücklich, wenn ich hier heraufkomme.“
Zum Frühstück ganz oben
Hier oben in diesem Ufo-artigen Gebäude befindet sich heuer auch das höchste „Christkindl-Postamt“, in dem Kinder ihre Weihnachtswünsche abgeben können. Hier herauf kommen (bis in den
Mai) auch Früh- und Spätaufsteher zum höchsten Frühstück Tirols: Der Gletscherexpress holt die Gäste um 9.05 Uhr in Mittelberg ab, dann geht’s mit der Wildspitzbahn hinauf – schon sitzt man vor einem üppigen regionalen Buffet, vielleicht sogar draußen in der Sonne.
Unten im Pitztal trifft man sich in der Vorweihnachtszeit eher beim Glühwein und vielleicht auch bei den „Adventfenstern“. Diese wurden vor mehr als 20 Jahren im Pitztal erfunden, dazu gibt’s Musik mit Hackbrett, Harfe und Ziehharmonika, Lesungen, Fackelbeleuchtung
und an Standln unkitschiges Selbstgemachtes. Bratäpfel und Kekse kosten und Weihnachtslieder hören, das gehört dazu. Kutschenfahrten mit dem Pferde-Fredl, der viele Geschichten weiß, gern erzählt und den besten Glühwein aller Zeiten, nach Geheimrezept von seiner Frau gebraut, vom Kutschbock serviert, passen nicht nur zur Vorweihnachtszeit. Wie auch das Schneeschuhwandern, vielleicht mit Mario, der wieder viele Sagen kennt (vom Bluatschink, einem Fischdrachen, der aus dem Bach auftaucht, und vom Taschachputz, der die bösen Kinder in der Butte davonträgt) und als Fitnesstrainer weiß, was er wem zumuten kann. Auch beim Skifahren übrigens.
Hochalpine Pisten
Zum Wintersport kommt man weit drinnen im Pitztal nicht nur auf dem Gletscher, sondern auch dem Grubenkopf, durchaus anspruchsvoll, zu dem die Rifflseebahn hinaufführt. Gemeinsam mit dem Skigebiet des Hochzeigers weiter talauswärts macht das in Summe ein Pistenangebot von mehr als 80 Kilometern. Natürlich kann man auch langlaufen, auf 2300 Metern Höhe um den Rifflsee herum oder im Tal. Oder eisklettern auf einem natürlich gefrorenen Wasserfall. Und wem es vorweihnachtlich dünkt: Krippen gibt es in eigener Werkstatt zu bestaunen, die unter der Anleitung von diplomierten Krippenbauern gestaltet werden, denn hier gibt es angeblich kein Haus, in dem nicht mindestens zwei, drei Krippen stehen.