Hoffen auf die künstliche Sonne
Kernfusion. Erstmals gelang es Forschern, bei Kernfusion mehr Energie zu erhalten, als hineingesteckt wurde. Für die aktuellen Energieprobleme wird sie aber zu spät kommen.
Wien. Es sei ein Moment, der in die Geschichtsbücher eingehen werde. Mit diesen Worten gab US-Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstagnachmittag bekannt, was am Montag vergangener Woche in der US-Forschungseinrichtung Lawrence Livermore National Laboratory gelungen ist. Erstmals ist bei einer Kernfusion mehr Energie erzeugt worden, als zuvor benötigt worden war, um die Fusion zu starten. Damit wurde bewiesen, dass Kernfusion eine saubere und CO2-freie Energiequelle der Zukunft sein könne, so Granholm weiter. Ein Beweis, auf den die Forschung seit rund 60 Jahren hingearbeitet hat.
Doch was bedeutet der aktuelle Durchbruch? Und welche Rolle kann Kernfusion bei der Energieversorgung künftig spielen?
1 Was ist eigentlich Kernfusion und wie funktioniert sie?
Bei der Kernfusion werden zwei Wasserstoffisotope (Deuterium und Tritium) miteinander zu Helium verschmolzen. Dabei werden ein Neutron und Energie abgegeben. Dieser Prozess ist der Antrieb von Sternen wie der Sonne. Ihn auf der Erde nachzumachen verspricht eine unendliche Energiequelle. So lässt sich Wasserstoff aus Wasser erzeugen. Und bereits ein Gramm des Deuterium-Tritium-Gemischs enthält so viel Energie wie elf Tonnen Kohle. Die Fusion ist dabei auch effizienter als die Kernspaltung, bei der aus einem Gramm Uran der Energiegehalt von 2,5 Tonnen Kohle geholt werden kann.
2 Warum kann Kernfusion bisher noch nicht zur Energieerzeugung verwendet werden?
In der Theorie ist der Prozess klar, die praktische Umsetzung jedoch sehr komplex. So müssen extrem hohe Temperaturen von etwa 150 Millionen Grad erzielt werden – dem Zehnfachen der Temperatur auf der Sonne (aufgrund der geringeren Masse und somit des geringeren Drucks auf der Erde). Möglich ist das durch zwei Methoden: Entweder wird Wasserstoffgemisch so lange aufgeheizt, bis es sich in extrem heißes Plasma wandelt und die Fusion zündet. Das Plasma wird dabei von Elektromagneten in einem quasi unsichtbaren Käfig gehalten. Diese Methode wird etwa beim in Bau befindlichen internationalen Versuchsreaktor Iter verwendet. Oder der Wasserstoff-Brennstoff wird in kleine Metallkugeln gefüllt, die mit fast 200 Lasern beschossen werden und so die Zündung der Fusion starten. Diese Methode wurde nun in den USA angewandt. Dabei wurden etwa 120 Prozent der direkt eingesetzten Energie erzeugt. Allerdings ist in dieser Rechnung der Energieverbrauch der gesamten Anlage noch nicht enthalten. Außerdem müsste die Fusion, um wirtschaftlich nutzbar zu sein, nicht nur einmal kurz gelingen, sondern ununterbrochen wiederholt werden.
3 Ist Kernfusion gefährlich? Entsteht dabei wie bei der Kernspaltung Radioaktivität?
Anders als bei der Kernspaltung wird keine Kettenreaktion gestartet. Sollte etwa die Kühlung ausfallen, kommt der Prozess selbst zum Erliegen. Ein GAU wie in Tschernobyl ist somit nicht möglich. Allerdings fällt durch das Tritium radioaktiver Müll an. Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 1995 wird die gesamte Menge des strahlenden Abfalls bei einem Fusionskraftwerk während einer 30-jährigen Lebenszeit samt Abriss auf knapp 60.000 Tonnen geschätzt – etwa gleich viel wie bei einem AKW. Allerdings beträgt die Halbwertszeit lediglich 12,3 Jahre. Bereits nach 50 Jahren kann die Hälfte des Abfalls bereits unbeschränkt freigegeben werden, der Rest nach 100 Jahren.
Bei aller Freude über den aktuellen Erfolg lautet die Antwort hierzu leider eindeutig Nein. Denn auch wenn die Fusionsforschung derzeit an Auftrieb gewinnt, wird es laut Wissenschaftlern noch Jahrzehnte dauern, bis die Technologie im großen Stil wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Zeit, die aufgrund der globalen Erwärmung nicht mehr zur Verfügung steht. Ein Ersatz von fossilen Energieträgern durch erneuerbare ist daher unumgänglich. Kernfusion kann später als zusätzliche Quelle für weiterhin steigenden Energiebedarf hinzukommen.