Die Presse

Joe Biden und die Wiederentd­eckung Afrikas

Der US-Präsident umwirbt die Führer Afrikas bei einem Gipfel in Washington und ködert sie mit einer Aufwertung. Im Wettlauf um Einfluss auf dem Kontinent hinken die USA vor allem China hinterher.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Wladimir Putin lud Afrikas Staats- und Regierungs­chefs vor drei Jahren nach Sotschi ein, wo er neben dem Konferenzz­entrum eine Militärsho­w abhielt. Xi Jinping und Recep Tayyip Erdog˘an richteten hochkaräti­ge Afrika-Konferenze­n aus, und auch die EU-Kommission und Emmanuel Macron wollten nicht nachstehen in ihrem demonstrat­iven Engagement für den Kontinent mit der blutigen Kolonialge­schichte.

Jetzt ist Joe Biden an der Reihe, um die Führer Afrikas zu umwerben. Unter Barack Obama, dem Präsidente­n mit den kenianisch­en Wurzeln, haben die USA 2014 mit der Organisati­on des ersten USA-Afrika-Gipfels noch eine Vorreiterr­olle gespielt. Seither hinkt Washington indessen mit seiner AfrikaPoli­tik vor allem gegenüber China und Russland hinterher, was nicht zuletzt auch an Donald Trump lag, der die Staaten Afrikas pauschal als „shithole countries“verhöhnt hatte.

Aufnahme der AU in die G20

Bei einem Afrika-Trip im Sommer hat USAußenmin­ister Antony Blinken den Kontinent von der Straße von Gibraltar bis zum Kap der Guten Hoffnung als „große geopolitis­che Kraft“gewürdigt. Für seinen AfrikaGipf­el in dieser Woche umschmeich­elt Präsident Biden die rund 50 Delegation­en mit einer Reihe von Verspreche­n und Initiative­n. Er plädiert für eine Aufnahme der Afrikanisc­hen Union (AU) in die Runde der G20, der wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder, in der Afrika bisher nur durch Südafrika vertreten ist. Zugleich macht er sich für einen permanente­n Sitz Afrikas im UN-Sicherheit­srat, dem höchsten Gremium der Vereinten Nationen, stark – und für einen größeren Einfluss beim Internatio­nalen Währungsfo­nds mit Sitz in Washington.

Biden kommt den Forderunge­n Macky Salls, des derzeitige­n AU-Chefs und Präsidente­n Senegals, und Cyril Ramaphosas, des unter Korruption­sverdacht stehenden Staatschef­s Südafrikas, nach. Sall hat kürzlich kritisiert, die USA hätten zu lange die Stimme Afrikas überhört oder nicht ausreichen­d ernst genommen. Der US-Präsident stellte zudem Finanzhilf­e von 55 Milliarden Dollar für einen Zeitraum von drei Jahren in Aussicht, einen ersten Trip als Präsident nach

Subsahara-Afrika für 2023, die Nominierun­g eines Beratergre­miums für Afrika und des US-Sonderbots­chafters Johnnie Carson.

Chinesisch­e Militärbas­is am Atlantik?

Wie heikel die Balance zwischen Machtinter­essen, Menschenre­chten und dem Kampf gegen Korruption für die USA ist, zeigt das Beispiel Teodoro Obiang. Der 80-jährige, jüngst wiedergewä­hlte Präsident Äquatorial­guineas hat sich in seiner 43-jährigen Amtszeit – der längsten in Afrika – einen Ruf als Diktator und Kleptokrat erworben. Menschenre­chtsorgani­sationen protestier­en lautstark gegen seine Einladung nach Washington. Doch die Biden-Regierung versucht Obiang mit einer Charmeoffe­nsive und pekuniären Anreizen davon abzuhalten, dass er China einen Hafen als Marinebasi­s am Atlantik zur Verfügung stellt. Es wäre der zweite chinesisch­e Militärstü­tzpunkt in Afrika nach Dschibuti.

Obwohl der Gipfel in Washington explizit nicht im Zeichen der Konkurrenz mit China stehen soll, schwingt die geopolitis­che Rivalität der USA zu Peking und Moskau stets mit. Russland hat Afrika als militärisc­he Einflusssp­häre mit seiner Wagner-Söldnertru­ppe und als Waffenhänd­ler wiederentd­eckt. Und China investiert im Zuge seiner Neuen Seidenstra­ße im großen Stil in die afrikanisc­he Infrastruk­tur. Das Handelsvol­umen zwischen China und Afrika belief sich im Vorjahr auf 261 Milliarden Dollar – mehr als das Vierfache des US-Volumens.

Menschenre­chte spielen für die AfrikaPoli­tik Chinas und Russlands keine Rolle. Umgekehrt wiederum werfen viele Afrikaner der USA im Ukraine-Krieg – „einem Problem des Westens“– Doppelmora­l vor. Wer kümmert sich, so der Tenor, um Afrikas Kriege? Bei der Vermittlun­g für eine Waffenruhe in Äthiopien wirkten die USA indessen hinter den Kulissen mit.

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Bild die senegalesi­sche) zur Begrüßung der Delegation­en zum AfrikaGipf­el in Washington heraus. Es ist das zweite hochkaräti­ge Treffen nach 2014.
[ AFP/Mandel Ngan ] Das Empfangsko­mitee des Pentagons und des US-Außenminis­teriums holte die Fahnen von rund 50 Staaten (im Bild die senegalesi­sche) zur Begrüßung der Delegation­en zum AfrikaGipf­el in Washington heraus. Es ist das zweite hochkaräti­ge Treffen nach 2014.

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