Joe Biden und die Wiederentdeckung Afrikas
Der US-Präsident umwirbt die Führer Afrikas bei einem Gipfel in Washington und ködert sie mit einer Aufwertung. Im Wettlauf um Einfluss auf dem Kontinent hinken die USA vor allem China hinterher.
Wien/Washington. Wladimir Putin lud Afrikas Staats- und Regierungschefs vor drei Jahren nach Sotschi ein, wo er neben dem Konferenzzentrum eine Militärshow abhielt. Xi Jinping und Recep Tayyip Erdog˘an richteten hochkarätige Afrika-Konferenzen aus, und auch die EU-Kommission und Emmanuel Macron wollten nicht nachstehen in ihrem demonstrativen Engagement für den Kontinent mit der blutigen Kolonialgeschichte.
Jetzt ist Joe Biden an der Reihe, um die Führer Afrikas zu umwerben. Unter Barack Obama, dem Präsidenten mit den kenianischen Wurzeln, haben die USA 2014 mit der Organisation des ersten USA-Afrika-Gipfels noch eine Vorreiterrolle gespielt. Seither hinkt Washington indessen mit seiner AfrikaPolitik vor allem gegenüber China und Russland hinterher, was nicht zuletzt auch an Donald Trump lag, der die Staaten Afrikas pauschal als „shithole countries“verhöhnt hatte.
Aufnahme der AU in die G20
Bei einem Afrika-Trip im Sommer hat USAußenminister Antony Blinken den Kontinent von der Straße von Gibraltar bis zum Kap der Guten Hoffnung als „große geopolitische Kraft“gewürdigt. Für seinen AfrikaGipfel in dieser Woche umschmeichelt Präsident Biden die rund 50 Delegationen mit einer Reihe von Versprechen und Initiativen. Er plädiert für eine Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) in die Runde der G20, der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, in der Afrika bisher nur durch Südafrika vertreten ist. Zugleich macht er sich für einen permanenten Sitz Afrikas im UN-Sicherheitsrat, dem höchsten Gremium der Vereinten Nationen, stark – und für einen größeren Einfluss beim Internationalen Währungsfonds mit Sitz in Washington.
Biden kommt den Forderungen Macky Salls, des derzeitigen AU-Chefs und Präsidenten Senegals, und Cyril Ramaphosas, des unter Korruptionsverdacht stehenden Staatschefs Südafrikas, nach. Sall hat kürzlich kritisiert, die USA hätten zu lange die Stimme Afrikas überhört oder nicht ausreichend ernst genommen. Der US-Präsident stellte zudem Finanzhilfe von 55 Milliarden Dollar für einen Zeitraum von drei Jahren in Aussicht, einen ersten Trip als Präsident nach
Subsahara-Afrika für 2023, die Nominierung eines Beratergremiums für Afrika und des US-Sonderbotschafters Johnnie Carson.
Chinesische Militärbasis am Atlantik?
Wie heikel die Balance zwischen Machtinteressen, Menschenrechten und dem Kampf gegen Korruption für die USA ist, zeigt das Beispiel Teodoro Obiang. Der 80-jährige, jüngst wiedergewählte Präsident Äquatorialguineas hat sich in seiner 43-jährigen Amtszeit – der längsten in Afrika – einen Ruf als Diktator und Kleptokrat erworben. Menschenrechtsorganisationen protestieren lautstark gegen seine Einladung nach Washington. Doch die Biden-Regierung versucht Obiang mit einer Charmeoffensive und pekuniären Anreizen davon abzuhalten, dass er China einen Hafen als Marinebasis am Atlantik zur Verfügung stellt. Es wäre der zweite chinesische Militärstützpunkt in Afrika nach Dschibuti.
Obwohl der Gipfel in Washington explizit nicht im Zeichen der Konkurrenz mit China stehen soll, schwingt die geopolitische Rivalität der USA zu Peking und Moskau stets mit. Russland hat Afrika als militärische Einflusssphäre mit seiner Wagner-Söldnertruppe und als Waffenhändler wiederentdeckt. Und China investiert im Zuge seiner Neuen Seidenstraße im großen Stil in die afrikanische Infrastruktur. Das Handelsvolumen zwischen China und Afrika belief sich im Vorjahr auf 261 Milliarden Dollar – mehr als das Vierfache des US-Volumens.
Menschenrechte spielen für die AfrikaPolitik Chinas und Russlands keine Rolle. Umgekehrt wiederum werfen viele Afrikaner der USA im Ukraine-Krieg – „einem Problem des Westens“– Doppelmoral vor. Wer kümmert sich, so der Tenor, um Afrikas Kriege? Bei der Vermittlung für eine Waffenruhe in Äthiopien wirkten die USA indessen hinter den Kulissen mit.