Die Presse

Operation „Winter überstehen“

Ukraine-Konferenz.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Paris kurbelt internatio­nale Winterhilf­e an. Die Zeit drängt, denn Russlands „Energieter­ror“hört nicht auf.

Wien/Paris. In Frankreich heißt er „hiver“, in der Ukraine „syma“: Der Winter senkt sich über der Ukraine. Und Putin missbrauch­t ihn schamlos als Waffe. Er lässt Raketen in Transforma­toren jagen und damit Löcher ins Energienet­z reißen. Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron, lud daher am Dienstag Delegation­en von 50 Staaten und noch mehr Organisati­onen zu einer Konferenz ins Außenminis­terium an der Pariser Seine. Das Ziel des Franzosen in einem Satz: „Dem ukrainisch­en Volk über den Winter helfen.“Es wird ein Kraftakt, wie neulich Drohnenang­riffe auf Odessa zeigten, die eineinhalb Millionen Menschen in der Hafenstadt den Strom abdrehten.

Konkret zieht Paris eine neue digitale Koordinati­onsplattfo­rm hoch, in der Kiew seinen Bedarf an Energie, Transport, Agrar sowie Wasser- und Gesundheit­sversorgun­g einmeldet, damit die Geber rasch und zielsicher reagieren können. So wie also unter der Regie der USA auf der Militärbas­is Ramstein die Waffenhelf­er ihre Unterstütz­ung abstimmen, wollen die Franzosen die Winterhilf­e organisier­en. Ihnen schwebt ein ziviles Pendant zum Ramstein-Format vor, bestätigt Frankreich­s Botschafte­r in Wien, Gilles Pécout, einer Handvoll Medien. Vasyl Khymynets, der ukrainisch­e Botschafte­r, sieht in der Konferenz deshalb „eine Antwort der zivilisier­ten Welt“auf Putins Terror.

Als Macron Kiew irritierte

Die Bilder von Macron in Paris an der Seite von Olena Selenska, der „First Lady“der Ukraine, hatten auch symbolisch­en Wert, weil sie ein Signal der Geschlosse­nheit nach Moskau aussandten. Macron hatte zuletzt für heftige Irritation­en in Kiew gesorgt, als er coram publico „Sicherheit­sgarantien“für Russland forderte. Aber einen großen Disput gibt es nicht, was auch an „Caesar“liegt, den Haubitzen aus Frankreich, die auf den Schlachtfe­ldern eine große Hilfe sind. Aber die Zeiten, in denen die Ukrainer nur drei

Dinge brauchten, nämlich „Waffen, Waffen, Waffen“, sind vorbei.

Der nach Paris via Leinwand zugeschalt­ete ukrainisch­e Präsident sagte, „Generatore­n“seien mittlerwei­le so wichtig geworden wie „gepanzerte Fahrzeuge“, auch deshalb, weil sie Tragödien in Krankenhäu­sern verhindert­en. Den Bedarf an Nothilfe wegen Putins „Energieter­ror“taxierte er auf 800 Mio. Euro. Die Konferenzt­eilnehmer sagten laut Veranstalt­er eilig eine Milliarde Euro zu.

Priorität hat wohl der Energieber­eich, dass also Rohre nicht großflächi­g platzen, weil das Wasser darin gefriert, und dass das Stromnetz nicht kollabiert. Der Westen kann aber nicht überall helfen. Auf der Liste der Ukrainer stehen ganz oben 750-kV- und 330-kV-Transforma­toren. Solche Umspanner gibt es im postsowjet­ischen Raum, aber nicht im Westen, wo die Höchstspan­nung eine andere ist. Eine Herausford­erung ist offenbar auch die Logistik, also das Wintermate­rial in die Ukraine zu schaffen.

Unter den Konferenzt­eilnehmern waren auch Diplomaten aus Indien und den Golfstaate­n, aber nicht aus China. Österreich wurde durch Staatssekr­etär Florian Tursky

vertreten. Sein Fokus liegt auch auf der Lieferung von Generatore­n.

Angriff auf Brücke in Melitopol

In Kiew und Paris deuten sie Moskaus Angriffe auf die Infrastruk­tur als Zeichen der russischen Schwäche auf den Schlachtfe­ldern. Den Ukrainern gelang nun neuerlich ein Nadelstich. Bilder zeigten Verwüstung­en an einer Brücke in Melitopol, was Spekulatio­nen nährte, dass die Ukrainer einen Vorstoß vorbereite­n. Melitopol im Süden war die erste von Russland eroberte Großstadt und hat strategisc­h große Bedeutung, weil es auf der „Landbrücke“zwischen russischem Festland und der Krim liegt.

 ?? [ Reuters/Gonzalo Fuentes ] ?? Vor der Konferenz traf die ukrainisch­e First Lady, Olena Selenska, in Paris Brigitte Macron.
[ Reuters/Gonzalo Fuentes ] Vor der Konferenz traf die ukrainisch­e First Lady, Olena Selenska, in Paris Brigitte Macron.

Newspapers in German

Newspapers from Austria