Operation „Winter überstehen“
Ukraine-Konferenz.
Paris kurbelt internationale Winterhilfe an. Die Zeit drängt, denn Russlands „Energieterror“hört nicht auf.
Wien/Paris. In Frankreich heißt er „hiver“, in der Ukraine „syma“: Der Winter senkt sich über der Ukraine. Und Putin missbraucht ihn schamlos als Waffe. Er lässt Raketen in Transformatoren jagen und damit Löcher ins Energienetz reißen. Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, lud daher am Dienstag Delegationen von 50 Staaten und noch mehr Organisationen zu einer Konferenz ins Außenministerium an der Pariser Seine. Das Ziel des Franzosen in einem Satz: „Dem ukrainischen Volk über den Winter helfen.“Es wird ein Kraftakt, wie neulich Drohnenangriffe auf Odessa zeigten, die eineinhalb Millionen Menschen in der Hafenstadt den Strom abdrehten.
Konkret zieht Paris eine neue digitale Koordinationsplattform hoch, in der Kiew seinen Bedarf an Energie, Transport, Agrar sowie Wasser- und Gesundheitsversorgung einmeldet, damit die Geber rasch und zielsicher reagieren können. So wie also unter der Regie der USA auf der Militärbasis Ramstein die Waffenhelfer ihre Unterstützung abstimmen, wollen die Franzosen die Winterhilfe organisieren. Ihnen schwebt ein ziviles Pendant zum Ramstein-Format vor, bestätigt Frankreichs Botschafter in Wien, Gilles Pécout, einer Handvoll Medien. Vasyl Khymynets, der ukrainische Botschafter, sieht in der Konferenz deshalb „eine Antwort der zivilisierten Welt“auf Putins Terror.
Als Macron Kiew irritierte
Die Bilder von Macron in Paris an der Seite von Olena Selenska, der „First Lady“der Ukraine, hatten auch symbolischen Wert, weil sie ein Signal der Geschlossenheit nach Moskau aussandten. Macron hatte zuletzt für heftige Irritationen in Kiew gesorgt, als er coram publico „Sicherheitsgarantien“für Russland forderte. Aber einen großen Disput gibt es nicht, was auch an „Caesar“liegt, den Haubitzen aus Frankreich, die auf den Schlachtfeldern eine große Hilfe sind. Aber die Zeiten, in denen die Ukrainer nur drei
Dinge brauchten, nämlich „Waffen, Waffen, Waffen“, sind vorbei.
Der nach Paris via Leinwand zugeschaltete ukrainische Präsident sagte, „Generatoren“seien mittlerweile so wichtig geworden wie „gepanzerte Fahrzeuge“, auch deshalb, weil sie Tragödien in Krankenhäusern verhinderten. Den Bedarf an Nothilfe wegen Putins „Energieterror“taxierte er auf 800 Mio. Euro. Die Konferenzteilnehmer sagten laut Veranstalter eilig eine Milliarde Euro zu.
Priorität hat wohl der Energiebereich, dass also Rohre nicht großflächig platzen, weil das Wasser darin gefriert, und dass das Stromnetz nicht kollabiert. Der Westen kann aber nicht überall helfen. Auf der Liste der Ukrainer stehen ganz oben 750-kV- und 330-kV-Transformatoren. Solche Umspanner gibt es im postsowjetischen Raum, aber nicht im Westen, wo die Höchstspannung eine andere ist. Eine Herausforderung ist offenbar auch die Logistik, also das Wintermaterial in die Ukraine zu schaffen.
Unter den Konferenzteilnehmern waren auch Diplomaten aus Indien und den Golfstaaten, aber nicht aus China. Österreich wurde durch Staatssekretär Florian Tursky
vertreten. Sein Fokus liegt auch auf der Lieferung von Generatoren.
Angriff auf Brücke in Melitopol
In Kiew und Paris deuten sie Moskaus Angriffe auf die Infrastruktur als Zeichen der russischen Schwäche auf den Schlachtfeldern. Den Ukrainern gelang nun neuerlich ein Nadelstich. Bilder zeigten Verwüstungen an einer Brücke in Melitopol, was Spekulationen nährte, dass die Ukrainer einen Vorstoß vorbereiten. Melitopol im Süden war die erste von Russland eroberte Großstadt und hat strategisch große Bedeutung, weil es auf der „Landbrücke“zwischen russischem Festland und der Krim liegt.