„Fondsbesteuerung bedarf einer Reform!“
Im Gespräch. Ein Beratungsschwerpunkt von Tatjana Polivanova-Rosenauer liegt in der Besteuerung von Finanzinstrumenten und hier sieht die Partnerin am Wiener Standort von LeitnerLeitner noch Aufholbedarf.
Welche Produkte beleben gegenwärtig den Kapitalmarkt?
Tatjana Polivanova-Rosenauer: Ganz klar Exchange Traded Funds (ETFs), Exchange Traded Commodities (ETCs) und Exchange Traded Notes (ETNs). Allerdings sind die Anleger in Österreich bei der Anlage in Fonds noch immer zurückhaltend und das hat sicher auch mit dem Steuerrecht zu tun.
Wie sehen die steuerlichen Konsequenzen aus?
Österreich hat bei Fonds europaweit das komplexeste Steuerregime. Es wird nicht nur die Ausschüttung, sondern auch der nicht ausgeschüttete Fondsertrag besteuert, selbst wenn dieser für Veranlagungszwecke zurückbehalten worden ist. Dieser sogenannte ausschüttungsgleiche Ertrag bzw diese fiktive Ausschüttung ist steuerpflichtig. In Deutschland wurde ein vergleichbares Besteuerungssystem mit 2018 abgeschafft. Wie bei Aktien versteuert der Anleger laufend meistens nur die Ausschüttung. Wenn keine Ausschüttung fließt, dann ist bloß ein geringer pauschaler Betrag steuerpflichtig. Das ist wesentlich anlegerfreundlicher.
Hindert die Fondsbesteuerung in Österreich den Willen, in Fonds zu investieren?
Zum Teil ja, insbesondere bei Private Equity und vergleichbaren Fondsprodukten. Auch bei der Fondsauflage ist Österreich – im Vergleich mit Liechtenstein oder Luxemburg – kein einfacher Standort. Es fehlt eine entsprechende Rechtstradition. Auch die Zulassung von alternativen Fonds ist nicht einfach und dadurch mit höheren Kosten verbunden. Das trägt dazu bei, dass es kaum österreichische Private-Equity-Fonds gibt.
Was wäre eine optimale Fondsbesteuerung?
Die Möglichkeit für Anleger, in alle Produkte investieren zu können, die am Finanzmarkt angeboten werden, mit der einzigen steuerlichen Konsequenz, dass Dividenden (bzw. Zinsen) und Veräußerungsgewinne zu versteuern sind. Leichter nachvollziehbar wäre es auch, wenn der Anleger weiß, dass er in jedes Derivat (Optionen, Futures) investieren kann und dabei nicht überlegen muss, ob die Rückflüsse daraus der Progression oder dem Steuersatz von 27,5 Prozent unterliegen. Dann würde sich das Entscheidungskriterium bei der Auswahl der Finanzinstrumente auf die wirtschaftliche Performance reduzieren. Auch für einen Bankberater wäre es einfacher, dem Anleger ein – für sein Risikoprofil – passendes Finanzprodukt anzubieten.
Wie sieht es steuerrechtlich bei Gold aus?
Kauft man Goldmünzen oder Goldbarren und hält sie ein Jahr und einen Tag, kann man sie steuerfrei verkaufen. Bei allen Finanzprodukten, die von Gold abgeleitet sind, wie etwa Fonds, die in Gold investieren, Derivaten, die auf Gold laufen, oder Indexzertifikaten, wie zum Beispiel Xetra-Produkten an der Frankfurter Börse, ist die Differenz immer steuerpflichtig.
Muss man als Anleger die Steuer selbst berechnen oder wird das automatisch abgezogen?
Hat man ein Depot bei einer österreichischen Bank, zieht die Bank die KESt ab und der Anleger muss sich meistens um nichts mehr küm
mern. Veranlagt aber der Anleger bei einer Schweizer oder deutschen Bank, muss er die Einkommensteuer selbst abführen. In einigen Fällen liefert die ausländische Bank eine zusammenfassende Darstellung der Bemessungsgrundlagen (Steuerreporting). Der Anleger muss dann nur noch die Zahlen in die Steuererklärung übertragen. Hat man aber ein Depot bei einem Anbieter, der kein österreichisches Steuerreporting bereitstellt, muss man die Bemessungsgrundlagen selbst ermitteln und dazu bedarf es eines großen Maßes an Fachwissen, insbesondere bei der Fondsbesteuerung.
Wenn ich ein Depot in Deutschland habe – kann ich mir als Anleger aussuchen, ob ich in Österreich oder Deutschland die Steuern bezahle?
Nein, das Wohnsitzprinzip sieht vor, dass man dort steuerpflichtig ist, wo man einen Wohnsitz hat. Hat der Anleger in Österreich einen Wohnsitz und in Deutschland einen Zweitwohnsitz, dann ist Steuerpflicht nach dem Welteinkommensprinzip prinzipiell in beiden Staaten gegeben. Durch das Doppelbesteuerungsabkommen erfolgt die Besteuerung in der Regel dort, wo man den Mittelpunkt der persönlichen Interessen (Familie, Freunde) hat. Bei den Finanzinstrumenten darf man seit kürzerer Zeit natürlich auch nicht auf Kryptowährungen vergessen.
Was tut sich steuerlich auf diesem Gebiet?
Seit 1. März 2022 gibt es eine eigene Steuergesetzgebung für Kryptowährungen, die Folgendes besagt: Kryptowährungserträge
führen immer zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Das bedeutet, wenn Sie heute Bitcoins kaufen und in einem Jahr einen Gewinn aus dem Verkauf realisieren, dann versteuern Sie diesen zu 27,5 Prozent. Allerdings ist es so, dass dieser Gewinn nur dann besteuert wird, wenn Kryptowährung in eine Fiat-Währung (EUR, USD) getauscht wird. Der Wechsel zwischen Kryptowährungen ist steuerlich ohne Bedeutung.
Begrüßen Sie die KryptowährungSteuergesetzgebung?
Es ist eines der Steuergesetze, das überwiegend gut durchdacht ist. Das Gesetz ist auch für einen Anleger in Finanzinstrumente gut verständlich. Die Veranlagung in Bitcoin ist einer Kapitalanlage in Aktie oder Fonds vergleichbar und soll damit auch gleich besteuert werden.
Längst fällig wäre auch eine Vermögens-, Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Was tut sich hier?
Aus Fairness- und Steuergerechtigkeitsüberlegungen wäre eine Vermögenssteuer notwendig. In Kombination mit erhöhter Mobilität der Anleger kann aber eine Vermögenssteuer auch dazu führen, dass Betroffene wegziehen. Damit würde aber auch gleichzeitig das Steueraufkommen bei der Umsatzsteuer sinken, die für das Budget wesentlich ist.
Zeigen die gegenwärtigen Krisen Auswirkungen auf die Finanzierungsinstrumente?
Derzeit ist es eher so, dass die Anleger zum Teil die weitere Entwicklung
abwarten. Bewegung gibt es aber dort, wo das Vermögen des Anlegers von einer Bank oder einem Vermögensverwalter veranlagt wird, weil hier eine bestimmte Strategie (wie Indexentwicklung) nachgebildet wird. Entwicklungen am Kapitalmarkt bedingen dann auch den Verkauf von verlustträchtigen Wertpapierpositionen.
Wo sehen Sie bei Finanzierungsinstrumenten noch Entwicklungsbedarf?
Es braucht in Österreich eine Art zweite Pensionssäule, denn das fehlt komplett. Solche Systeme gibt es in UK, Frankreich, aber auch in den USA. Wünschenswert ist hier die Möglichkeit einer bis zum Pensionsantritt gebundenen Veranlagung. Dabei müssen die Einzahlungen die Lohnsteuer mindern und die Erträge aus der Veranlagung steuerfrei erzielt werden können. Die Besteuerung würde in diesem Fall erst bei Auszahlung einsetzen. In diesem Kontext ist auch das Vorsorgekonto zu sehen.
Bis jetzt ist das Vorsorgekonto aber in Österreich noch nicht umgesetzt worden. Wie wichtig wäre es für den Kapitalmarkt?
Der österreichische Kapitalmarkt würde davon profitieren, wenn jeder Arbeitnehmer einen Teil des Gehaltes in den Aktienmarkt vor Bezahlung der Steuern investieren kann. Bei sinkenden staatlichen Pensionen wäre dies eine individuelle Absicherung für die Zukunft. Zugleich würde das den Kapitalmarkt beleben.
Es gibt mit Private Equity noch ein weiteres Vehikel der Kapitalveranlagung. Wird es auch in Österreich zum Trend?
Private Equity ist in Österreich im institutionellen Bereich vertreten, allerdings in keinem wesentlichen Ausmaß. Ganz anders ist es in Deutschland, Schweiz und den USA, wo Universitäten, Pensionskassen, NPOs in Private-Equity-Fonds investieren – als sinnvolle Alternative und Beimischung zum Portfolio. Hierzulande gibt es kaum österreichische Private-Equity-Fondsmanager, weil die Rahmenbedingungen für Private Equity fehlen. Wenn die Gesetzgeber in Bewegung kommen, dann kann Private Equity auch in Österreich zum Trend werden.
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