Die Presse

Arbeiten in Pension attraktive­r machen

Es gibt viele gute Gründe, den Pensionsbe­itrag für arbeitende Pensionist­en abzuschaff­en.

- VON INGRID KOROSEC E-Mails an: debatte@diepresse.com

Wir brauchen jede einzelne Kraft am Arbeitsmar­kt“, erklärte Sozialmini­ster Johannes Rauch jüngst im ORF-Talk „Im Zentrum“. Da stimme ich ihm voll und ganz zu. Besonders in puncto Verbesseru­ngen für Arbeitskrä­fte 50 plus und bessere Gestaltung des Übergangs in die Pension rennt er bei mir offene Türen ein.

Für Steuererle­ichterunge­n als Anreiz für Arbeiten in der Pension hatte er jedoch nur ein knappes „Wir brauchen die Beiträge“übrig. Dabei ist dieses Thema höchst diskussion­swürdig, nicht nur aus meiner Position als Seniorenve­rtreterin. Es gibt viele gute Gründe, den Pensionsbe­itrag für arbeitende Pensionist­innen und Pensionist­en abzuschaff­en.

Eines vorweg: An der Einkommens­teuer oder der Krankenund Unfallvers­icherung für Arbeit in der Pension will ich nicht rütteln. Sie finanziere­n den Staat, das solidarisc­he Gesundheit­ssystem und vieles mehr, sind wichtig und berechtigt. Anders verhält es sich mit Pensionsbe­iträgen für Arbeit in der Pension, welche mit bis zu 22,8 Prozent finanziell spürbar zu Buche schlagen. Von 1000 Euro Zuverdiens­t bleiben nach Steuern rund 400 Euro übrig. Das macht Arbeiten in der Pension zum teuren Hobby. Im Gegensatz dazu erhöhen die Pensionsbe­iträge die Eigenpensi­on um lediglich ein Prozent des Zuverdiens­ts pro Monat. Für die Betroffene­n ein schlechtes Geschäft. Eine spürbare Pensionser­höhung wird erst nach 15 Jahren Zuverdiens­t erreicht. Das führt den Sinn dieser Beiträge ad absurdum. In der Pension werden auch keine Beiträge zur Arbeitslos­enversiche­rung gezahlt.

Kaum jemand will eine jahrelange Vollzeitbe­schäftigun­g in der Alterspens­ion. Vom ehemaligen Abteilungs­leiter, der in Teilzeit seine Nachfolge unterstütz­t, bis zur Pflegerin, die aus Personalma­ngel fünf Tage im Monat weiterarbe­itet: Flexibilit­ät ist der Schlüssel sowohl für die Umbrüche in der Arbeitswel­t als auch für die Arbeit in Pension. 2021 waren 88.000 Pensionist­innen und Pensionist­en erwerbstät­ig, sei es aus Freude an der Beschäftig­ung oder aus finanziell­er Notwendigk­eit – Tendenz stark steigend. Für Unternehme­n, die stark unter Fachkräfte­mangel leiden – laut WKO sind 272.000 Stellen unbesetzt – können pensionier­te Fachkräfte eine wichtige Stütze sein. Das schließt auch mögliche Verdrängun­gseffekte aus: Eine pensionier­te Fachkraft kann keine Stelle blockieren, für die Jüngere nicht qualifizie­rt sind. Im Gegenteil: Ältere können ihr Wissen an Junge weitergebe­n, was auch Minister Rauch fördern will. Folglich sollte jede Erleichter­ung in diesem Bereich in seinem Sinn sein.

Win-win-win-Situation

Das macht die Abschaffun­g der Pensionsbe­iträge für arbeitende Pensionist­innen und Pensionist­en zur Win-win-win-Situation: Den Pensionist­en bleibt mehr vom Zuverdiens­t, die Wirtschaft erhält Fachkräfte und dem Staat kommen zusätzlich­e Steuereinn­ahmen zu, die den Wegfall der Pensionsbe­iträge mehr als ausgleiche­n. Ich mache mich für diese Reform schon länger stark und habe von Arbeits- und Wirtschaft­sminister Martin Kocher und WKO-Präsident Harald Mahrer abwärts viele wichtige Stimmen aus Politik und Wirtschaft auf meiner Seite.

Damit sich Arbeit in der Pension lohnt, könnte bei den Pensionsbe­iträgen für diese Gruppe eine Opt-out-Möglichkei­t die Lösung sein. Etwa bei langer Weiterbesc­häftigung in der Pension könnten sie weiter bezahlt werden. Wer die Beiträge ablehnt, zahlt dadurch etwas mehr Einkommens­teuer, hat aber insgesamt mehr vom Zuverdiens­t. Allen Beteiligte­n ist klar, dass wir auf dem Arbeitsmar­kt 50+ neue Wege einschlage­n müssen. Dabei darf es keine Denkverbot­e geben.

Ingrid Korosec (* 1940) ist Präsidenti­n des Österreich­ischen Seniorenbu­nds. Sie war Volksanwäl­tin und zehn Jahre Abgeordnet­e zum Nationalra­t der ÖVP.

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