Das Gute in schlechten Zeiten
Die Wirtschaft stagniert nicht völlig, es gibt 2023 sogar einen Reallohnzuwachs – manches kann man in der Krise auch positiv sehen. Aber nicht alles.
Man muss in Zeiten wie diesen das Positive suchen und es betonen. Also: Es könnte wirtschaftlich noch viel schlimmer sein. In Deutschland etwa, wo das Institut für Weltwirtschaft jetzt ein kleines Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorhersagt. Um 0,3 Prozent werde die Wirtschaft 2023 zulegen – im Gegensatz zur Prognose im September, wo man noch von einem Rückgang von 0,7 Prozent ausgegangen ist.
In Österreich waren IHS und Wifo immer zuversichtlicher und bestätigten am Donnerstag ein Wachstum von 0,3 bzw. 0,4 Prozent. Das ist nicht viel – übertrieben formuliert genügt es, dass der Finanzminister niest, und aus dem Wachstum wird eine Stagnation. Aber Stand Donnerstag ist es ein leichtes Plus – und das sehen wir jetzt einmal positiv, wenn wir die Inflation außer Acht lassen (sie soll 2023 bei „nur“– sehr dicke Anführungszeichen – 6,5 bis 6,7 Prozent liegen).
Aber selbst bei der Inflation können wir etwas Positives finden. Nicht für die Staatsbürger, denen ihr bei all den hohen Steuern in Österreich wirklich mühsam Erspartes gerade dahinschmilzt. Aber für den Staat. Bei dem sprudeln nämlich dank der Teuerung die Steuereinnahmen.
Der Bund hat für das kommende Jahr mit noch nie dagewesenen Rekordeinnahmen von 98 Milliarden Euro budgetiert. Da man aber auch Rekordausgaben von 115 Milliarden Euro plant, bleibt unter dem Strich eine Neuverschuldung von 17 Mrd. Euro (diesmal kein Superlativ, das Defizit war in absoluten Zahlen 2020, 2021 und 2022 höher). Trotzdem erreicht man dank des starken BIP-Wachstums das Maastricht-Defizit. Sogar die Staatsschulden von fast 400 Milliarden Euro (in absoluten Zahlen wieder ein Rekord) werden im Vergleich mit dem BIP sinken.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) kann sich also relativ entspannt zurücklehnen, die Inflation erledigt den positiven Budgetpfad mehr oder weniger für ihn. Er könnte das kurze Zeitfenster, bevor steigende Zinsen wieder am Budget knabbern, aber auch nützen, um jetzt bei manchen Ausgaben auf die Bremse zu steigen und um Reformen anzugehen.
Beispielsweise bei den Direkthilfen des Bundes. Auch wenn wir derzeit alle mehr bezahlen und die Teuerung in der Geldtasche spüren, im kommenden Jahr wird es wegen der hohen Gehaltsabschlüsse erstmals seit Jahren wieder einen Reallohnzuwachs geben. Mit der Abschaffung der kalten Progression geht ab 2023 auch eine Valorisierung der Sozialleistungen von der Familienbeihilfe bis zum Kinderabsetzbetrag einher – etwas, was es bisher nicht gegeben hat. Die staatlichen Zuschüsse müssen also nicht mehr breit mit der Gießkanne über alle Einkommensschichten verteilt, sondern können zumindest teilweise gegengerechnet werden.
Und man wird sich – trotz aller ideologischer Unterschiede der Koalitionspartner – noch einmal die Regelungen für das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe anschauen müssen. Wenn beispielsweise die Wiener Linien bei einem Einstiegsgehalt von 2300 Euro keine Straßenbahnfahrer finden, dann läuft etwas falsch.
Auch bei den heimischen Unternehmen kann man etliche Hilfen zurückfahren. Problematisch sind die hohen Energiepreise und die Gaspreisbremse in Deutschland. Hier drohen österreichischen Unternehmen massive Wettbewerbsnachteile, die Regierung wird sich etwas einfallen lassen müssen.
Und wenn wir gerade bei Reformen sind: Wichtiger als ein finanzieller Tropf ist vielen heimischen Unternehmen eine massive Entbürokratisierung. Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern. Regierung und Verwaltung sollten den Menschen vermitteln, dass es sich lohnt, ein Unternehmen zu gründen. Selbstständige sollten nicht den Eindruck bekommen, dass man mit allen Mitteln die Gründung einer Firma verhindern und den Betrieb möglichst erschweren will. Das gilt vor allem auch für die Wirtschaftskammer, der es manchmal prioritär zu sein scheint, die überholte Gewerbeordnung zu schützen.
Man kann also selbst in diesen schlechten Zeiten manches positiv sehen – aber halt doch nicht alles.