Auf China rollt ein Corona-Tsunami zu
Die Behörden zählen asymptomatische Fälle nicht mehr. Sie starten eine Impfkampagne für Ältere. Ein massiver Anstieg der Todesfälle ist aber kaum noch zu stoppen.
Peking. China stellt sich auf eine massive Ausbreitung der Coronawelle ein. Das KPRegime hat die Kontrolle über das Virus verloren und dies auch öffentlich eingestanden. Die wahre Zahl der Infektionen könne nicht mehr angegeben werden, ließ die nationale Gesundheitsbehörde verlauten. Vizepremier Sun Chunian gab zu, dass die Zahl der Infektionen in Peking rasant steigt.
Denn die Behörden haben aufgegeben, die asymptomatischen Fälle zu registrieren – nicht zuletzt deshalb, weil sich viele nicht mehr testen lassen. Darum finden sie auch nicht mehr Eingang in die offizielle Statistik. China geht derweil daran, eine Kampagne zur Auffrischungsimpfung von Millionen von Senioren auszurollen. Die Eurasia Group, eine Denkfabrik, schätzt die Todeszahlen in den kommenden Monaten auf bis zu einer Million Menschen. Die offizielle Statistik zählt für das Ursprungsland der Pandemie bisher lediglich 5235 Tote. Inzwischen haben sogar die USA Hilfe angeboten.
Schlangen vor Spitälern
Einige Medien bezeichnen die aktuelle Coronawelle im Land bereits als „wütenden Tsunami“. In den Krankenhäusern von Peking über Chengdu bis nach Guangzhou gehen Ärztinnen und Ärzte trotz Corona-Infektion zur Arbeit, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Vor den Notaufnahmen warten Patienten stundenlang auf Einlass. In Wuhan ist die Situation so prekär, dass ein Spital intravenöse Infusionen im geparkten Auto am Straßenrand verabreicht.
Insbesondere in Peking zeigt sich, wie unvorbereitet und hastig die Regierung die Öffnung des Landes eingeleitet hat: Die zuvor letzte „Null Covid“-Bastion hat sich innerhalb weniger Tage zum weltweit größten Corona-Hotspot entwickelt. Die Angestellte eines Staatsunternehmens im Stadtzentrum
berichtet, dass in ihrer Abteilung derzeit über die Hälfte ihrer Kollegen an CoronaSymptomen leiden. Ein ausländischer Rechtsanwalt bestätigt: In seiner Kanzlei sei derzeit mindestens ein Drittel des Personals entweder positiv oder hat einen Covid-Fall im Haushalt.
Paketberge am Straßenrand
Die Logistik wird zwar weiterhin von Lieferkurieren auf E-Scootern am Laufen gehalten, doch auch das könnte bald kippen: Im zentralen Bezirk Dongcheng liegen riesige, meterhohe Paketberge verwahrlost am Straßenrand. Die Bestellungen werden wohl nicht bei den Kunden ankommen: Zu viele Kuriere liegen Corona-bedingt im Bett.
Doch neben Verunsicherung macht sich ein Gefühl der Erleichterung breit: Nachdem die Regierung ihre rigiden LockdownMaßnahmen aufgegeben hat, verabschiedet sie sich nun auch von der „Reise-App“. Sie hat per Mobilfunk-Daten ermittelt, ob sich der Nutzer in den vergangenen zwei Wochen in einem Hochrisikogebiet aufgehalten hat. Jeder im Land musste sie verpflichtend vorzeigen, um Zugang zu Hotels, Bahnhöfen oder offiziellen Regierungsveranstaltungen zu bekommen. Wann immer der „grüne Pfeil“der App rot aufleuchtete, konnten die Behörden jeden Bürger festsetzen.
Nun können die Chinesen ohne Angst vor Zwangsquarantäne andere Provinzen besuchen. Und schon bald wird auch der internationale Reiseverkehr nachziehen, wie Chinas US-Botschafter Qin Gang andeutete. In Fachkreisen kursiert seit längerem das Gerücht, dass die Volksrepublik spätestens Mitte Jänner die verpflichtende Einreisequarantäne durch ein dreitägiges „Gesundheitsmonitoring“ersetzen wird. Doch momentan trauen sich die meisten Pekinger nicht einmal vor die Haustür, um sich vor einer Infektion zu schützen.
Schwachpunkte der Corona-Politik
Es zeigt, dass es aufgrund der hochinfektiösen Omikron-Variante wohl keine reibungslose Öffnung geben kann. In der Volksrepublik treten deutlich die Schwachstellen der
Regierung offen zutage. Erst jetzt, Monate zu spät, kurbeln die Staatsunternehmen die Produktion von hochwertigen N95-Masken an. Bisher waren vorwiegend OP-Masken üblich. Auch Antigen-Tests und fiebersenkende Medikamente sind derzeit Mangelware. Nicht absehbar ist zudem, wann China endlich ausländische Vakzine zulässt. Dies könnte viele Todesfälle verhindert, da bei den Über-80-Jährigen die Booster-Rate nur bei 40 Prozent liegt.
Die politischen Folgen der überhasteten Öffnung könnten auch für Staatschef Xi Jinping zur massiven Herausforderung werden. Selbst nach vorsichtigen Schätzungen werden in den kommenden Wochen und Monaten hunderttausende Menschen am Virus sterben, ohne dass sie mutmaßlich in den offiziellen Zahlen auftauchen werden.