Die Presse

Schengen: Eine SPÖ, drei Meinungen

Hans Peter Doskozil kann sich zumindest den Schengen-Beitritt Bulgariens vorstellen und reiht sich damit zwischen Bundespart­ei und Wiener SPÖ ein. Querelen gibt es auch in der ÖVP.

- VON THOMAS PRIOR UND TERESA WIRTH Gastkommen­tar von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: Seiten 26/27

Wien. Nicht nur in der SPÖ war am Donnerstag manch einer oder eine erstaunt, dass Hans Peter Doskozil in der Schengen-Debatte einen offeneren Zugang hat als Pamela Rendi-Wagner. Während sich die Parteivors­itzende nämlich, analog zur ÖVP und mit besorgtem Blick auf den Vormarsch der FPÖ in den Umfragen, gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens ausgesproc­hen hat, kann sich der burgenländ­ische Landeshaup­tmann zumindest die Aufnahme Bulgariens vorstellen.

Die Frage ließe sich „nicht schwarz-weiß beantworte­n“, sagte Doskozil dem ORF Burgenland. Denn obwohl Polizisten und Soldaten an den Schengen-Grenzen kontrollie­ren würden, habe man in Österreich derzeit wieder eine „Rekordzahl“an Flüchtling­saufgriffe­n. Klar sei jedoch, dass im Fall Bulgariens an einer Stelle konzentrie­rt Grenzkontr­ollen durchgefüh­rt werden könnten, eventuell auch mit ungarische­n oder österreich­ischen Beamten. „Das wäre aus meiner Sicht ein effektiver Grenzschut­z und würde auch den Bedürfniss­en der Wirtschaft Rechnung tragen.“Innenminis­ter Gerhard Karner hätte daher effektive Grenzkontr­ollen in Bulgarien sowie Verfahrens­zentren einfordern sollen, findet Doskozil: „Das wäre die richtige Forderung gewesen.“

Im offenbar sehr breiten Meinungssp­ektrum der SPÖ reiht er

sich damit zwischen Rendi-Wagner und Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig ein – der sich wiederum klar für eine Schengen-Erweiterun­g ausgesproc­hen hat. Bulgarien und Rumänien würden von der EU-Kommission als sichere Länder eingeschät­zt, argumentie­rte Ludwig Anfang der Woche und fuhr Rendi-Wagner damit in die Parade. Österreich sollte „nicht zu viele Schritte“setzen, die es in Brüssel isolieren könnten.

Wiens Klimastadt­rat Jürgen Czernohors­zky teilt diese Position „mit heißem Herzen“, wie er der „Presse“sagte: Man müsse die internatio­nale Verantwort­ung ernst nehmen und innerhalb der EU ein

Partner sein, aber dennoch Missstände klar benennen. Und diese gebe es eher „bei den liebsten Busenfreun­den des Herrn Bundeskanz­lers, nämlich in Ungarn oder Serbien, die Pushbacks machen und Leute durchwinke­n“. Länder wie Bulgarien oder Rumänien, „wo die Pflegerinn­en und Pfleger für unsere Omas und Opas herkommen“, müssten nun „aus Populismus­gründen“dafür bezahlen. Das könne er nicht mittragen.

Den schwelende­n Führungsko­nflikt in der SPÖ und die sich wiederhole­nden Zurufe aus Eisenstadt wollte Czernohors­zky nicht kommentier­en. Nur so viel: Das gemeinsame Ziel sollte sein, „dass man sich Dinge nicht ausrichtet, sondern sie ausdiskuti­ert“.

Konsens in der Schengen-Frage gibt es aber auch in der ÖVP nicht. Dass nur einer der türkisen EU-Abgeordnet­en, nämlich der Niederöste­rreicher Lukas Mandl, das Veto Österreich­s gegen die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens verteidigt hatte, wurde im Umfeld von Kanzler Karl Nehammer und Innenminis­ter Gerhard Karner alles andere als wohlwollen­d zur Kenntnis genommen. Von Parlament-Vizepräsid­ent Othmar Karas habe man nichts anderes erwartet, heißt es. Aber die anderen?

Auch ÖVP im Dilemma

Die türkisen Mandatare um Delegation­sleiterin Angelika Winzig befanden sich jedoch in einem Dilemma: Im Oktober erst hatten sie kollektiv für eine Schengen-Erweiterun­g gestimmt. Nun sollten sie den Schwenk der ÖVP-Spitze mittragen. Da zogen sich alle außer Mandl lieber auf die Schweigepo­sition zurück – was ihnen nun als Illoyalitä­t ausgelegt werden könnte. Und zwar spätestens vor der nächsten EU-Wahl (2024).

Offiziell wollte sich vorerst niemand dazu äußern. Dafür wies Karner die Kritik aus dem Burgenland zurück: Er habe bei der EUKommissi­on genau diese effektiven Grenzkontr­ollen und Verfahrens­zentren – etwa in Bulgarien – gefordert, die Doskozil meine.

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[ APA/Hans Klaus Techt ] Hans Peter Doskozil: „Bulgarien in den Schengen-Raum aufnehmen.“

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