Schengen: Eine SPÖ, drei Meinungen
Hans Peter Doskozil kann sich zumindest den Schengen-Beitritt Bulgariens vorstellen und reiht sich damit zwischen Bundespartei und Wiener SPÖ ein. Querelen gibt es auch in der ÖVP.
Wien. Nicht nur in der SPÖ war am Donnerstag manch einer oder eine erstaunt, dass Hans Peter Doskozil in der Schengen-Debatte einen offeneren Zugang hat als Pamela Rendi-Wagner. Während sich die Parteivorsitzende nämlich, analog zur ÖVP und mit besorgtem Blick auf den Vormarsch der FPÖ in den Umfragen, gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens ausgesprochen hat, kann sich der burgenländische Landeshauptmann zumindest die Aufnahme Bulgariens vorstellen.
Die Frage ließe sich „nicht schwarz-weiß beantworten“, sagte Doskozil dem ORF Burgenland. Denn obwohl Polizisten und Soldaten an den Schengen-Grenzen kontrollieren würden, habe man in Österreich derzeit wieder eine „Rekordzahl“an Flüchtlingsaufgriffen. Klar sei jedoch, dass im Fall Bulgariens an einer Stelle konzentriert Grenzkontrollen durchgeführt werden könnten, eventuell auch mit ungarischen oder österreichischen Beamten. „Das wäre aus meiner Sicht ein effektiver Grenzschutz und würde auch den Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung tragen.“Innenminister Gerhard Karner hätte daher effektive Grenzkontrollen in Bulgarien sowie Verfahrenszentren einfordern sollen, findet Doskozil: „Das wäre die richtige Forderung gewesen.“
Im offenbar sehr breiten Meinungsspektrum der SPÖ reiht er
sich damit zwischen Rendi-Wagner und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ein – der sich wiederum klar für eine Schengen-Erweiterung ausgesprochen hat. Bulgarien und Rumänien würden von der EU-Kommission als sichere Länder eingeschätzt, argumentierte Ludwig Anfang der Woche und fuhr Rendi-Wagner damit in die Parade. Österreich sollte „nicht zu viele Schritte“setzen, die es in Brüssel isolieren könnten.
Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky teilt diese Position „mit heißem Herzen“, wie er der „Presse“sagte: Man müsse die internationale Verantwortung ernst nehmen und innerhalb der EU ein
Partner sein, aber dennoch Missstände klar benennen. Und diese gebe es eher „bei den liebsten Busenfreunden des Herrn Bundeskanzlers, nämlich in Ungarn oder Serbien, die Pushbacks machen und Leute durchwinken“. Länder wie Bulgarien oder Rumänien, „wo die Pflegerinnen und Pfleger für unsere Omas und Opas herkommen“, müssten nun „aus Populismusgründen“dafür bezahlen. Das könne er nicht mittragen.
Den schwelenden Führungskonflikt in der SPÖ und die sich wiederholenden Zurufe aus Eisenstadt wollte Czernohorszky nicht kommentieren. Nur so viel: Das gemeinsame Ziel sollte sein, „dass man sich Dinge nicht ausrichtet, sondern sie ausdiskutiert“.
Konsens in der Schengen-Frage gibt es aber auch in der ÖVP nicht. Dass nur einer der türkisen EU-Abgeordneten, nämlich der Niederösterreicher Lukas Mandl, das Veto Österreichs gegen die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens verteidigt hatte, wurde im Umfeld von Kanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner alles andere als wohlwollend zur Kenntnis genommen. Von Parlament-Vizepräsident Othmar Karas habe man nichts anderes erwartet, heißt es. Aber die anderen?
Auch ÖVP im Dilemma
Die türkisen Mandatare um Delegationsleiterin Angelika Winzig befanden sich jedoch in einem Dilemma: Im Oktober erst hatten sie kollektiv für eine Schengen-Erweiterung gestimmt. Nun sollten sie den Schwenk der ÖVP-Spitze mittragen. Da zogen sich alle außer Mandl lieber auf die Schweigeposition zurück – was ihnen nun als Illoyalität ausgelegt werden könnte. Und zwar spätestens vor der nächsten EU-Wahl (2024).
Offiziell wollte sich vorerst niemand dazu äußern. Dafür wies Karner die Kritik aus dem Burgenland zurück: Er habe bei der EUKommission genau diese effektiven Grenzkontrollen und Verfahrenszentren – etwa in Bulgarien – gefordert, die Doskozil meine.