Ein spezielles Lebenszeichen
Ski. Haben die ÖSV-Stars das Mysterium Saslong entschlüsselt? Vincent Kriechmayrs Sieg beim Gröden-Auftakt, zugleich der erste ÖSV-Erfolg des Winters, ist zumindest ein vielversprechender.
St. Christina/Wien. Was ist los mit den Österreichern in der Königsdisziplin? So lautete eine der großen Fragen, als der Ski-Tross zu den ersten Abfahrtsklassikern des Winters ins Grödner Tal pilgerte. „Nur sich immer abwatschen lassen, das geht auch nicht“, hatte Vincent Kriechmayr erklärt.
Nun gaben der Oberösterreicher und seine Teamkollegen eine erste und aus rot-weiß-roter Sicht vielversprechende Antwort. Kriechmayr sorgte in Gröden nicht nur für den geschlechterübergreifend ersten Saisonsieg der ÖSV-Alpinen, sondern dieser gelang auch auf der Saslong, dieser WikingerHochburg des Skiweltcups, in der die Norweger (und gelegentlich auch die US-Amerikaner) traditionell den Ton angeben – ausgerechnet als mit Max Franz Österreichs einziger Gröden-Abfahrtssieger des vergangenen Jahrzehnts mit gebrochenen Beinen nur vor dem TV-Gerät saß.
▶ ÖSV-Befreiungsschlag. Kriechmayr hat in Gröden die Lehren aus den Enttäuschungen in Nordamerika und dem Studium der Überflieger Aleksander Aamodt Kilde und Marco Odermatt gezogen. „Ich habe mein Leben riskiert. Man hat es bei Kilde und Odi gesehen: Sie sind voll am Limit. Das musst du eben auch so machen. Lässt du dir Reserven, bist du nicht dabei.“
Zwar wurde zum Auftakt des Gröden-Wochenendes noch auf
verkürzter Strecke gefahren (am Samstag wartet der Originalstart), die vielen Wellen und Sprünge, auch die Ciaslat-Wiese waren dennoch zu meistern. Kriechmayr, bei fünf Auflagen der Gröden-Abfahrt zuvor nicht in den Top Ten, erklärte: „Die Sprünge sind ziemlich weit gegangen, aber ich habe versucht, kein Tempo herauszunehmen.“
Auf Platz drei, nur 13 Hundertstel dahinter, landete Matthias Mayer. Sein bestes Abfahrtsresultat in Gröden nach seinem folgenschweren Sturz hier im Jahr 2015.
▶ Odermatt vs. Kilde. Der Schweizer Marco Odermatt bleibt der Mann der Stunde im Skisport. Bei seiner ersten Gröden-Abfahrt überhaupt raste er nun auf Anhieb auf Platz zwei, seine Erfolgsserie weist inzwischen zwölf Weltcuppodestplätze in Folge auf.
„Ich wusste wirklich nicht, ob ich heute um die Punkteränge, die Top Ten oder um das Podest fahre“, meinte der 25-Jährige, der seinen Vorsprung im Gesamtweltcup auf Aleksander Aamodt Kilde (5. in Gröden) weiter ausbaute.
Tatsächlich kann Odermatt dieser Tage eine kleine Vorentscheidung im Kugelkampf herbeiführen: Bis Montag warten gleich vier Rennen, darunter das Riesentorlaufdoppel in Alta Badia, wo er Kilde überlegen sein sollte.
▶ Grödener Überraschungen. Immer wieder hat die Saslong für Abwechslung in den Siegerlisten gesorgt: So gewann im Vorjahr überraschend der US-Amerikaner Bryce Bennet, unvergessen auch wie der Liechtensteiner Markus Foser 1993 mit Startnummer 66 siegte.
Auch heuer musste Kriechmayr lang um den Sieg zittern, Nils Allègre (FRA) etwa fuhr mit Startnummer 51 auf Platz acht, nur 44 Hundertstel betrug sein Rückstand. Der Finne Elian Lehto ging als 65. ins Rennen und verlor nur acht Zehntel – Platz 20.
Gleich dahinter klassierte sich der Salzburger Christopher Neumayer, der im Vorjahr im GrödenTraining einen Kreuzbandriss erlitten hatte. „Das Schönste, das es gibt“, meinte der 30-Jährige zu seinem beachtlichen Comeback.
ABFAHRT HERREN
1. Vincent Kriechmayr (AUT) 1:25,44 Min.
2. Marco Odermatt (SUI) +0,11 Sek.
3. Matthias Mayer (AUT) +0,13.
Weiters: 4. Clarey (FRA) +0,23 5. Kilde (NOR) +0,26 6. Ferstl (GER) +0,28 7. Crawford (CAN) +0,32 8. Alle`gre (FRA) +0,44 9. Feuz (SUI) +0,49
10. Rogentin (SUI) +0,50, Morse (USA) +0,50. Gesamtweltcup (nach acht Rennen): 1. Odermatt 600 2. Kilde 425 3. Kriechmayr 252. Gröden-Programm: heute Super-G, am Samstag eine weitere Abfahrt (je 11.45 Uhr, live, ORF1).