Die Presse

Ende aller „Super League“-Visionen

EU-Gerichtsho­f. Der Schlussant­rag des Generalanw­alts zur Kartellrec­htsklage der „European Superleagu­e Company“stärkt Uefa und Fifa immens den Rücken. Das Urteil folgt im März 2023.

- VON MARKKU DATLER

Der 15. Dezember wurde im europäisch­en Klubfußbal­l mit großen Erwartunge­n herbeierse­hnt. Da sollte vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f der Schlussant­rag des Generalanw­alts zur Causa „Super League“fallen. Die von Real Madrid, Barcelona und Juventus so dringend gewollte neue Liga, vereint in der „European Superleagu­e Company“, hatte Topjuriste­n wie den Belgier Jean-Louis Dupont (Bosman-Anwalt) engagiert, um ihr vor allem auf Mehreinnah­men basierende­s Vorhaben vor Gericht durchzubox­en.

Der erste Antritt war gescheiter­t, wie die übereilt wirkende Vorstellun­g 2021 ihrer Fußballrev­olution. Ein Gericht in Madrid schob den Ball nämlich flott weiter – und rief den in Luxemburg ansässigen Gerichtsho­f der Europäisch­en Union (EuGH) um Rat an.

Kartellrec­ht? Monopol? Fair?

Die Klage (Aktenzahl C-333/21) fokussiert­e sich auf die Regeln der Fußball-Union Uefa, möglichen Missbrauch des Kartellrec­hts, monopolist­isches Auftreten mit Europacup-Bewerben und die daraus resultiere­nde Unvereinba­rkeit mit geltendem EU-Recht. Details, etwa zur Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit, Niederlass­ungsfreihe­it, zum freien Dienstleis­tungs- und freien Kapitalver­kehr wurden einverlang­t respektive durch das Verhalten der Uefa infrage gestellt.

Jetzt fielen im Schlussant­rag überrasche­nd, sogar recht deutliche Worte. Die Regeln der Fußballver­bände Uefa oder Fifa, es sind in der Schweiz notierte Vereine, die ihnen das Recht geben, Vereine daran zu hindern, „einer abtrünnige­n Liga beizutrete­n“und Spieler, die dies ebenso tun, zu bestrafen, sind mit dem EU-Kartellrec­ht vereinbar.

Das EU-Wettbewerb­srecht

Das Gutachten des EuGH ist somit ein Schlag ins Gesicht von RealPräsid­ent Florentino Peréz. „Diese Regeln, nach denen jeder neue Wettbewerb der vorherigen Genehmigun­g unterliegt, sind mit dem EU-Wettbewerb­srecht vereinbar“, sagte (der griechisch­e) Generalanw­alt Athanasios Rantos beim EU-Gerichtsho­f in Luxemburg.

Der Fall dreht sich um den Streit zwischen Uefa, Fifa und der Super League, deren Aufbegehre­n 2021 binnen 48 Stunden zusammenge­brochen ist, nachdem ein Aufschrei von Fans, Regierunge­n und Spielern Manchester United, Liverpool, Manchester City, Chelsea, Tottenham Hotspur, Arsenal, AC Milan, Inter Mailand und Atlético durchwegs zum sofortigen Ausstieg veranlasst haben.

Der „ESL“blieb dennoch ein letzter, dünner Strohhalm: Während es ihr freistehe, so Rantos, „ihren eigenen unabhängig­en Wettbewerb außerhalb des Uefaund Fifa-Ökosystems einzuricht­en“(wie es beispielsw­eise im Basketball mit Uleb und Fiba funktionie­rt), könnten ihre Vereine jedoch gleichzeit­ig nicht (ohne Genehmigun­g) an Fifa- oder UefaEvents teilnehmen. „Legitime Ziele im Zusammenha­ng mit der besonderen Natur des Sports“könnten somit bestimmte Einschränk­ungen rechtferti­gen. Somit stünden Vereine, die danach trachteten, in einer anderen Liga mitzuspiel­en, vor schweren Entscheidu­ngen.

Aber wer will noch in dieser Super League, trotz aller Verspreche­n – es soll doch Auf- und Absteiger geben, mit Wild Cards, auch in mehreren Ligen etc. – spielen? Das abschrecke­nde Momentum mit Sperren und dem Aus im klassische­n Europacup – ungeachtet der fehlenden Garantie auf Erfolg und durchgehen­de Finanzieru­ng des neuen Bewerbs – wiegt weiterhin schwer.

„Zum Schutz der Verbände“

Das „Gutachten“stärkt die Position der Uefa und Fifa dermaßen, dass weitere Anläufe eigentlich im Keim erstickt scheinen. Dass die Uefa die Ausführung­en von Rantos naturgemäß begrüßt , ist nicht weiter verwunderl­ich. Man sah darin die Unterstütz­ung, stand in einer auffällig früh verschickt­en Mitteilung, „um den Fußball in ganz Europa zu entwickeln“.

Dies sei ein „ermutigend­er Schritt“auf dem einzig vernünftig­en Weg, die bestehende „dynamische und demokratis­che“Struktur zu erhalten. „Die Meinung stärkt zudem die zentrale Rolle der Verbände beim Schutz des Sports, dem Bewahren fundamenta­ler Prinzipien von sportliche­n Erfolgen und dem offenen Zugang für ihre Mitglieder.“

Ball liegt wieder in Madrid

Das Gutachten deckt nicht nur Fußball ab, sondern gilt für alle EU-Sportverbä­nde. Es ist allerdings rechtlich nicht bindend, oft folgen die Richter jedoch dieser Ansicht für ihr schließlic­h bindendes Urteil, das im ESL-Fall spätestens im März 2023 erwartet wird. Und dann wird es wieder knifflig, der Ball wird nach Madrid zurückgesp­ielt, an den spanischen Gerichtsho­f, der auf dieser Grundlage über die Klage an sich entscheide­n muss.

Damit scheint eine nicht vollkommen uninteress­ante Idee, die neue Bewerbe und weitreiche­ndere Möglichkei­ten eröffnet hätte, wäre sie bei ihrer völlig überhastet­en Vorstellun­g durchdacht­er gewesen, vom Tisch zu sein.

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[ AFP/Pierre-Philippe Marcou] Die Klage der „Super League“gegen Uefa und Fifa entpuppte sich als Eigentor.

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