Die Presse

Erst Eis, dann Tod: Hier sind die USA bis heute barbarisch

Ein österreich­ischer Erzherzog war aufgeklärt­er als dieses Land.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON anne-catherine.simon@diepresse.com

Zuckerfrei­er Pekannussk­uchen, ein Buffalo Steak, eine Geburtstag­storte, die erste im ganzen Leben . . . Zahllose Teller hat die Künstlerin Julie Green mit Gerichten bemalt, die sich US-Häftlinge vor der Hinrichtun­g wünschten. 2021 verstorben, erlebte sie nicht mehr die Henkersmah­lzeit von Thomas Loden: zwei Schweinsko­teletts, panierte Okras, gebackene Süßkartoff­el, Pillsbury-Grands-Gebäck mit Butter und Sirup, Pfirsich-Cobbler (ein traditione­lles Dessert) mit Vanilleeis und Eistee. Verspeist am Mittwoch, dem 14. Dezember, in Mississipp­i vor seiner Hinrichtun­g wegen Mordes an einer 16-Jährigen.

Eine schrecklic­he Hinrichtun­gswelle soll derzeit die iranische Protestbew­egung brechen. Soll man da überhaupt von der anhaltende­n staatliche­n Tötungspra­xis in den USA reden? Ich meine, nur umso mehr.

Wüssten wir nicht, dass sie existiert, würden wir an ihre Existenz glauben, wenn uns jemand davon erzählte? Man kann sich auch kaum noch vorstellen, dass in Frankreich 1977 noch die Guillotine fiel. Erst 1981 war es damit vorbei, viel dafür tat der spätere Justizmini­ster Robert Badinter. Der Prozess gegen Klaus Barbie, den „Schlächter von Lyon“, änderte Badinters Haltung nicht, obwohl sein Vater durch Barbie im KZ gestorben war.

Unter dem österreich­ischen Erzherzog Leopold II. schaffte 1786 das Herzogtum Toskana als erster Staat der Welt die Todesstraf­e ab. Mit dem Aufklärer Karl Anton von Martini hatte Leopold denselben Lehrer wie Joseph von Sonnenfels, unter dessen Einfluss Österreich die Folter abschaffte (als erster europäisch­er Staat) und weitgehend die Todesstraf­e. Die Wurzeln der Kritik an dieser findet man schon im Humanismus. Heute erwähnen ja die wenigsten, die Europas vergangene Verfehlung­en geißeln, dass hier zugleich die geistigen Werkzeuge entstanden sind, mit denen in aller Welt Menschenre­chte eingeforde­rt werden.

Auch dort, wo es einst die erste Erklärung der Menschenre­chte gab. Wo schon 1846 Michigan die Todesstraf­e ganz abschaffte. Und wo diese dennoch in manchen anderen Bundesstaa­ten immer noch existiert.

Was das betrifft, sind die USA bis heute ein barbarisch­es Land.

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