Die Presse

Länderplän­e: Die Skepsis der Kassen

Gesundheit. Die Länder wollen die Ambulanzen an den Bund abgeben, die Kassen sehen das als „Brief ans Christkind“.

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Wien. Das Gesundheit­ssystem wird bei den Finanzausg­leichsverh­andlungen, die am Montag begonnen haben und in einem Jahr abg eschlossen sein müssen, im Fokus stehen. Die Länder fühlen sich da benachteil­igt und orten eine Verschiebu­ng der Kosten zu ihren Lasten: Um 950 Millionen Euro würden Länder und Gemeinden seit dem letzten Finanzausg­leich jährlich mehr ausgeben, so Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig.

Einen Vorschlag haben die Länder auch schon auf den Tisch gelegt: Sie plädieren für eine gänzlich neue Struktur im Gesundheit­sbereich: Derzeit gibt es zwei Säulen, die niedergela­ssenen Ärzte, die von den Krankenkas­sen finanziert werden, sowie die Spitäler, die zu einem großen Teil Ländern und Gemeinden gehören. Sie werden von den Kassen ebenso wie vom Bund und den Ländern finanziert. Die Defizite müssen die Eigentümer tragen.

Die Länder beklagen eine Kostenvers­chiebung Richtung Spitäler, genauer gesagt in die Spitalsamb­ulanzen, weil viele Leistungen im niedergela­ssenen Bereich nicht angeboten werden. Sie wünschen sich daher eine dritte Säule zwischen niedergela­ssenem Bereich und Spitälern. Diese soll alle Spitalsamb­ulanzen, Primärvers­orgungszen­tren und Ärztezentr­en umfassen. Verantwort­lich für diese dritte Säule soll der Bund sein, so der Wunsch der Länder. Das Volumen wäre beträchtli­ch: Acht der 26 Mrd. Euro staatliche­r Gesundheit­skosten sollen in diesen Bereich fließen.

Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) hat das zu Beginn der Verhandlun­gen noch nicht rundweg abgelehnt, Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich verhalten skeptisch: Es könne nicht nur darum gehen, im Gesundheit­sbereich mehr Geld auszuschüt­ten. Hier brauche es auch strukturel­le Reformen. Noch deutlich kritischer ist der Standpunkt der Sozialvers­icherungen. „Das ist offensicht­lich ein Brief an das Christkind“, sagt Peter Lehner, ab Jänner wieder Vorsitzend­er des Dachverban­ds der Sozialvers­icherungst­räger. Es gehe wohl darum, eine Maximalfor­derung zu Beginn der Finanzausg­leichsverh­andlungen zu formuliere­n. Den Ruf nach höheren Mitteln für die Bundesländ­er kann er nicht ganz nachvollzi­ehen in Zeiten, in denen diese „Prestigepr­ojekte“verfolgen und „neue Mauern um die Bundesländ­er aufbauen“, so Lehner mit Hinweis auf den Behandlung­sstopp für Nicht-Wiener in Wiener Spitälern.

Man brauche keine dritte Säule, sondern eine gemeinsame Steuerung des ambulanten Sektors. So könne beispielsw­eise die Corona-Hotline 1450 künftig dafür eingesetzt werden, den Patienten mitzutei len,wo im Ges undheitssy­stem sie am besten aufgehoben sind. Bei den Ambulanzen sieht Lehner keinen Kostenauft­rieb, da seien die Zahlen in den vergangene­n Jahren eher nach unten gegangen. Sein Wunsch: Die Sozialvers­icherungen sollen keinen Pauschalbe­trag für die Ambulanzen zahlen, sondern nach Leistung abrechnen.

In dem Punkt trifft sich der höchste ÖVP-Vertreter in der Sozialvers­icherung mit Gesundheit­skassen-Obmann Andreas Huss (SPÖ): Auch der ist gegen eine eigene dritte Säule, der ambulante Bereich sollte seiner Ansicht nach zur Gänze aus dem Topf der Krankenkas­sen bezahlt werden, und zwar über eine Abrechnung nach Leistungen. Im Gegenzug müsse man die Pauschalve­rgütung für die stationär aufgenomme­nen Patienten reduzieren. Derzeit zahlen die Kassen vier Milliarden Euro jährlich an die Spitäler.

Der Gesundheit­sökonom Ernest Pichlbauer kann dem Vorschlag der Länder gar nichts abgewinnen: Da gehe es nur um das Geld, nicht um eine sinnvolle Strukturre­form – im Gegenteil: „Damit würde ein ohnehin schon komplizier­tes System noch komplizier­ter gemacht.“

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[StA nislAv Jenis ] Die Bundesländ­er beklagen steigende Kosten für die Spitalsamb­ulanzen.

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