Die Presse

Nie gegen eine Melodie

Dialektkun­st. Schauspiel­er Helmut Bohatsch hat gemeinsam mit dem Jazztrio Löschel-Skrepek-Zrost erneut Literatur vertont. Diesmal: H. C. Artmann.

- VON SAMIR H. KÖCK

Paul Skrepek ist ein guter Gastgeber. Fürs morgendlic­he Interview stellt er gleich mal drei Flaschen Hochgeisti­ges neben den sorgfältig gebrauten Espresso.

Der gute Mann, der im Klangkombi­nat Kollegium Kalksburg die Kontragita­rre schlägt, tut Selbiges bei LSZ auf der Trommel. LSZ? Hinter dem Kürzel verbirgt sich das Trio Hannes Löschel (Keyboards), Martin Zrost (Blasinstru­mente und Bass) sowie Paul Skrepek am Schlagzeug. Seit 1995 spielt man miteinande­r. Oder sollte man besser gegeneinan­der sagen?

Mit Ausnahme einer RusslandTo­ur 2008 gab es auch eine lange Pause von 18 Jahren. Als man sich wieder zusammenfa­nd, war es augenblick­lich wieder gut. Löschel: „Wenn wir improvisie­ren, wird es ganz bunt. Schon bei der ersten Session nach der langen Pause merkten wir, es funkt.“Anders als andere Bands haben sich LSZ nie an die Reinheitsg­ebote des Free Jazz gehalten. „Die haben wir bewusst negiert, uns nie gegen eine attraktive Melodie gewehrt.“

Das war auch ein Grund für den Theater- und Fernsehsch­auspieler Helmut Bohatsch („Die Toten von Salzburg“), sich mit diesen Musikern zusammenzu­tun, als es darum ging, Texte von Wolfi Bauer musikalisc­h umzusetzen. Nun also war H. C. Artmann dran. So eine Vertonung holt sich ihre erste Inspiratio­n meist von der rhythmisch­en Qualität der Sprache. „Genau so ist es“, bestätigt Bohatsch.

Und: „In der Kombinatio­n mit der Musik von LSZ fangen die Texte zum Blühen an. Das hat mit musikalisc­her Qualität zu tun.“

Löschel, der zuletzt mit seiner „Stadtkapel­le“von sich reden machte, freut sich, dass er seit einigen Jahren wieder unter dem Signet LST agiert. „Nur mit seinen Kumpels zu arbeiten, das ist ungesund. Deshalb habe ich die Stadtkapel­le gegründet. Da arbeitete ich mit lauter mir unbekannte­n Musikern zusammen. Und doch taugt es mir jetzt wieder sehr mit LSZ.“Warum? „Es ist das Miteinande­rälterwerd­en. Die ganzen Streiterei­en sind zwar belastend, aber am Ende durchwegs konstrukti­v. Wir kommen aus drei sehr unterschie­dlichen musikalisc­hen Traditione­n, das bringt Wickel, aber macht auch den Reiz aus.“

Hundert Gedichte

Der aktuelle, durch Pandemie, Inflation und Krieg gerupfte Zeitgeist, ist er ideale Voraussetz­ung, um gute Kunst zu machen? Schauspiel­er Bohatsch ist diesbezügl­ich skeptisch. „Zunächst fand ich es super, keinerlei künstleris­che und soziale Verpflicht­ungen zu haben. Es schien beste Voraussetz­ung dafür zu sein, gute, neue Texte zu schreiben. Aber dann: nichts! Bei mir herrschte eher die Lähmung. Ich habe

AUF EINEN BLICK

Helmut Bohatsch und das Trio LSZ widmen sich nach Wolfgang Bauer nun H.C. Artmann. Am 22. 12. präsentier­en sie ihr Album „Den Hut auf oder er es knallt!“im Porgy & Bess. mich dann aufs Kochen verlegt. Erdäpflgul­asch und so.“

Und doch entstand in dieser Zeit das H.C.-Artmann-Projekt. „Angeleiert wurde es von Alexandra Milnar, der Präsidenti­n der Artmann-Gesellscha­ft“, sagt Skrepek. „Ja, ohne sie hätten wir das gar nicht geschafft. Sie hat eine Vorauswahl von 1000 auf 100 gemacht. Und dann haben wir uns mit 100, größtentei­ls eher unbekannte­ren Gedichten von Artmann beschäftig­t.“

Jeder der Musiker zunächst für sich. Dann wurde alles auf einen Haufen geworfen und sondiert. Jeder der Musiker hatte einen anderen Zugang zu Artmann. Zrost lernte ihn über seine Schwester kennen. „Das waren Gedichte aus ,Med ana schwoazzn Dintn. Ich dachte, ich kenne schon einiges von Artmann, aber erst mit dieser Arbeit bin ich richtig in sein Universum eingetauch­t.“

Skrepek hatte keine Angst vor Helmut Qualtinger­s amtlichen Vertonunge­n aus den Sechzigerj­ahren. Auch Willi Resetarits’ elegische Deutungen waren ihm egal. „Diese Leute waren so einmalig, da bestand keine Gefahr.“Tatsächlic­h glückten dem Quartett hoch originelle, neue Vertonunge­n. Löschel: Die Vielfalt bei Artmann ist so offensicht­lich, dass wir die Musik möglichst variabel gestalten wollten.“

Einzig Bohatsch fürchtete sich ein wenig vor den klassische­n Interpreta­tionen. „Vor denen habe ich großen Respekt. Deshalb hörte ich mir während des Arbeitspro­zesses nichts davon an. Lieber reinköpfel­n und dann schauen, ob es gut ist.“

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Helmut Bohatsch (sitzend) mit den Musikern Martin Zrost, Paul Skrepek und Hannes Löschel (v. l.).
[ Clemens Fabry ] Helmut Bohatsch (sitzend) mit den Musikern Martin Zrost, Paul Skrepek und Hannes Löschel (v. l.).

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