Kahlenberg: Telefonzelle mit Anschluss an die Ewigkeit
Wo sich ungesagt Gebliebenes doch noch sagen lässt: Nachschau im Kahlenberger Friedhof.
Die kleine Silbe „un“: zwei Buchstaben bloß, doch große Wirkung. Unentbehrlich, unvergesslich, unzertrennlich: Leicht macht uns derlei glauben, es müsse, was so beschrieben, unendlich fortbestehen, wo wir doch nur zu gut um die eigene Endlichkeit wissen müssten. Die Ewigkeit, die jenes „un“verheißt, sie bleibt Ewigkeit auf Zeit: ein Immerwährendes mit Ablaufdatum.
Was alles hat uns allein im Alltag schon als unentbehrlich gegolten! Und wie entbehrlich war es bald danach. Denken wir an die Telefonzelle. 1878 in New Haven, Connecticut, in einem ersten Exemplar aufgestellt, schien sie alsbald auch aus europäischen Straßenbildern nicht mehr wegzudenken. Und noch bis ins Vorjahr verlangte ein heimisches Gesetz die „flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen“.
Mittlerweile ist’s mit jener Vorschrift, schon länger mit der Unentbehrlichkeit vorbei. Telefonzellen finden sich zu öffentlichen Bücherschränken, Stromtankstellen oder Paketstationen umgebaut, so sie nicht überhaupt aus Städten und Dörfern getilgt werden.
Und dann das: Plötzlich sieht man sich einer Telefonzelle an einem Ort gegenüber, an dem noch vor gar nicht so langer Zeit gewiss keine war. Und überhaupt: Was um alles in der Welt kann eine Telefonzelle ausgerechnet im Kahlenberger Friedhof zu suchen haben?
Nun, damit hat’s seine eigene Bewandtnis: Der Wiener Künstler Gottfried Löcker hat sie hier platziert und mit einem blauen Telefon ausgestattet. Das verfügt zwar über keinen Anschluss, will dafür Möglichkeit bieten, jenseits aller Technik Verbindung herzustellen. „Unausgesprochenes auszusprechen“ist sein Sinn, das auszusprechen, was der Tod eines Angehörigen auszusprechen auf immer verhindert hat. Am blauen Telefon des Kahlenberger Friedhofs lässt es sich doch noch sagen – und vielleicht hört’s sogar wer im Irgendwo.