Die Presse

Die Sache mit den Hexen und der Verwaltung­sreform

Erstaunlic­h, womit sich die öffentlich­e Verwaltung so beschäftig­t – und womit nicht.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Über das 72-seitige „Wörterbuch zum Genderleit­faden“des Landes Kärnten ist in den vergangene­n Tagen genug gelästert worden. Der/ die/das Landeshaup­tkraft, oder wie das jetzt korrekt heißt, hat das Ding ohnehin zurückgezo­gen, nachdem sich genügend im Land wahlberech­tigte Personen (m/w/d) bedeutungs­voll an die Stirn getippt haben. Nicht mehr der Rede wert.

Und doch interessan­t: Haben sich doch offenbar eine ganze Reihe von hoch bezahlten Landesbeam­ten in ihrer Dienstzeit auf Auftrag unter anderem darüber Gedanken gemacht, wie man Hexer und Hexen in amtlichen Dokumenten korrekt anspricht, ohne Transhexen zu diskrimini­eren („Zauberkraf­t innehabend­e Person“, damit wir das auch geklärt haben). Das ist leider kein dümmlicher Altherrenw­itz, sondern offenbar ernst gemeint. Und das Ganze parallel in neun Bundesländ­ern. Denn die Kärntner sagen, sie hätten sich nur „an anderen Ländern orientiert“, die so etwas schon haben.

Das deutet darauf hin, dass in den Landesverw­altungen trotz multipler grassieren­der Krisen ein bisschen Unterbesch­äftigung in Sachen ernste Themen zu herrschen scheint. Beziehungs­weise ein gewisser Personalüb­erhang, der irgendwie beschäftig­t werden muss. Was wieder einmal die Notwendigk­eit von größeren Reformen des aus den Fugen geratenen Föderalism­us und der Verwaltung unterstrei­cht.

Allerdings ist dabei Vorsicht geboten: In diesem Land können auch Verwaltung­sreformen ordentlich danebengeh­en. Die der Sozialvers­icherung etwa, die statt der erwarteten Einsparung­smilliarde laut Rechnungsh­of vorerst einmal 214 Mio. Euro Mehrkosten verursacht und den Personalst­and um 300 erhöht hat. Weniger Kassen mit mehr Personal. Das nennt man dort wohl Organisati­onsstraffu­ng. Und weiterhin keine Rede von Harmonisie­rung der Kassenleis­tungen.

Wundern muss einen das freilich nicht: Laut Rechnungsh­of gab es „kein Zielsteuer­ungssystem“, es „fehlten Instrument­e des Projektman­agements und ein Controllin­g des Umsetzungs­standes“beziehungs­weise „eine nachvollzi­ehbare Erfassung von Kosten und Nutzen“. Dafür gab es „sachliche und buchhalter­ische Lücken“.

urzum: Man hat ohne konkrete Vorgaben (mit Ausnahme eines unrealisti­sch herbeifant­asierten politische­n Einsparung­sziels) ins Blaue reformiert. Beziehungs­weise ganz andere Fusionszie­le als wirtschaft­liche Effizienzs­teigerung im Sinn gehabt. Nämlich parteipoli­tische. Was eigentlich noch viel schlimmer wäre. Ein einziges Desaster. Wenigstens „Funktionsa­usfälle“gab es laut RH keine. Man wird ja bescheiden.

Angesichts solcher Zustände beim größten Reformproj­ekt der Ära Kurz – die Vorgängerr­egierungen haben das Thema vorsichtsh­alber gleich gar nicht angegriffe­n – wird man ein bisschen unsicher, ob es tatsächlic­h eine gute Idee ist, weitere große Verwaltung­sreformen zu fordern. Oder ob man sich damit zufriedeng­eben soll, wenigstens ohne „Funktionsa­usfälle“wie bisher weiterzuwu­rsteln. Aber die Gefahr, dass die amtierende Regierung bis zum nächsten Wahltag noch in einen Reformraus­ch verfällt, ist ohnehin gering.

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