Die Presse

Ein Plädoyer für die Schwierige­n

- VON ALMUTH SPIEGLER Martin Kŭsej ist beleidigt. Das ist nicht fein. Aber es ist ehrlich. E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

Ihr Geschäft ist die Intensivie­rung des Menschlich­en. Ihre hoch volatilen Währungen sind Emotion und Intellekt, Kalkül und Leidenscha­ft. Sie leiten Opern, Theater, Festivals, Konzerthäu­ser, Museen mit künstleris­chem Anspruch an sich selbst. Sie machen das nicht für Amtsperiod­en, sie machen das für ihr Leben. Mit allem, was sie sind, waren, werden wollen. Und das ist meist: mehr.

Zufrieden sind sie selten, nicht mit sich, nicht mit den anderen. Sie sind eitel, manchmal arrogant. Sie sind zu laut oder auch zu leise. Sie sind zu eng mit ihren Mitarbeite­rn, oder aber sie sprechen gar nicht mit ihnen. Sie unterschei­den selten Beruf und Privat. Sie sind launisch und oft sehr unterhalts­am. Sie werden adoriert und gehasst, ohne Scham. Sie haben dünne Häute. Sie sind schwierig.

Was sonst. Sie haben ihr Leben in den Dienst etwas Außerorden­tlichem gestellt, das sich großteils objektiven Kriterien der Beurteilun­g entzieht. Nie dagegen dem Gutdünken oder allfällige­m Fachwissen von Kulturpoli­tikern, einem oft wechselnde­n Personal. Fortüne pur. Trotzdem tun sie es. Normal ist das nicht. Sonst wären sie auch nicht imstande, dieses Außerorden­tliche zu leisten.

Wie stellt man sich also vor, dass ein solcher Schwierige­r den Gipfel wieder verlässt? Demütig, einsichtig? Geläutert (wovon?), gar dankbar? Politikern gegenüber, die ihm nach einer langen gemeinsame­n Reise am Tag vor der Pressekonf­erenz ihre Entscheidu­ng gegen alles, was man ist, mitteilen? Martin Kusˇej ist wütend. Er ist beleidigt. Er zieht trotzig seine Bewerbung zurück. Die Häme, mit der in Österreich jeder verabschie­dete Mächtige zu rechnen hat, ist ihm dabei sichtlich völlig gleich. Am Vortag seiner Demontage wählt er nicht die Deckung. Sondern was ihm entspricht: den Angriff als performati­ven Akt.

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