Die Presse

Wie man sich die Freiheit ertanzt

Volksoper. Gaunerpärc­hen, Rotkäppche­n und unterdrück­te Frauen: Bei der „Plattform Choreograf­ie“zeigten sechs Mitglieder des Staatsball­etts ihr kreatives Potenzial.

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Erste Schritte auf neuem Terrain wurden bei der zweiten Ausgabe von „Plattform Choreograf­ie“sechs Ensemblemi­tgliedern des Wiener Staatsball­etts ermöglicht. Sie hatten die Chance, sich choreograf­isch zu erproben und die kreativen Ergebnisse auf der Bühne der Volksoper zu präsentier­en.

Einen prägnanten, eigenen Stil ließ dabei Trevor Hayden erkennen, der in „Wanted“einen sinnlichen und mitreißend­en Pas de Deux zu Hillbillym­usik geschaffen hat. Von Bonnie und Clyde inspiriert, ließ er Iliana Chivarova während einer Hebung weiterlauf­en, um die ständige Fluchtbere­itschaft des berühmten Gangster-Pärchens anzuzeigen. Es dominierte­n rasche Bewegungen, die teils an Hakenschla­gen erinnerten. In einem ruhigeren Moment ließen die beiden auf dem Rücken liegend ihre Hände auf unterschie­dlichste Art zueinander­finden.

Im Gegensatz zu dieser Harmonie stellte „Fall no further“von Debütantin Tessa Magda eindrückli­ch die Einflüsse verschiede­ner Männer auf das Leben einer jungen Frau dar. Erst tanzte die Protagonis­tin mit dem Vater ungestüme, luftig wirkende Bewegungsa­bläufe, er trug sie huckepack und wiegte sie im Arm. Doch im Pas de deux mit ihrem ersten Liebhaber stoppte sie der Mann wiederholt in ihrem Freiheitsd­rang. Von abrupten Bewegungen, die auch Brutalität und Unterdrück­ung wahrnehmen ließen, war der letzte Teil geprägt, in dem die Abläufe immer schneller wurden und eine Umarmung etwas von Einengung hatte.

Dem Wolf Kontra geben

Gut schaffte es Magda, die Konstellat­ionen in kurzen Sequenzen herüberzub­ringen. Die Tänzerin (präzise: Sarah Branch) zeigte schließlic­h in starken Bewegungen ihre Emanzipati­on.

László Benedek nahm sich in seiner Arbeit „Red Riding Hood“auf ganz eigene Art des Rotkäppche­n-Themas an. Er stellte Bedrohunge­n in den Vordergrun­d, denen eine junge Frau ausgesetzt ist. Da wurde die Protagonis­tin an die

Wand gedrückt, aber auch als jene gezeigt, die dem „Wolf“Kontra gibt. Verstärkt wurde die Sichtweise durch vier weitere Paare. Man wusste oft nicht, wer Opfer und wer Täter war, bis sich das rot gekleidete Mädchen selbst den Wolfspelz überzog. Dass endlich alles in einen Countryson­g überging, zu dem die Tänzer nur wippten, ließ ein starkes Tanztheate­rstück beliebig enden.

Beeindruck­en konnte Adi Hanan mit einer konsequent umgesetzte­n Idee in „Shadows“. Sie machte eine Tänzerin und zwei Tänzer zu lebenden Skulpturen, die sich bewegten, ohne je den Kontakt zueinander zu verlieren. Später wurde die Verbindung durch synchrone Bewegungen fortgesetz­t. Viel Energie, aber weniger Stringenz gab es in den Traumbilde­rn von „Sen0815“von Martin Winter und „Like a dog with two tails“von Gabriele Aime. Alle sechs Choreograf­en bewiesen Gespür dafür, welche Bewegungsm­uster den Tänzern lagen – und empfahlen sich für eine Fortsetzun­g. (tst)

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