Die Presse

Currentzis: Einen solchen „Boléro“hätte es nicht gebraucht

Im Konzerthau­s hat der Dirigent erst beeindruck­t, dann enttäuscht.

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Gleich zwei Finalstück­e hintereina­nder? Das geht selten gut, auch nicht jüngst im Wiener Konzerthau­s. Ravels als Schlusswer­k angesetzte­r „Boléro“passte schon stilistisc­h nicht zu den beiden Werken davor, Prokofieff­s zweitem Klavierkon­zert und Strawinsky­s „Le sacre du printemps“. Noch weniger, wenn man ihn so aufdringli­ch effekthasc­hend präsentier­t, wie es Teodor Currentzis von seinem Orchester verlangte: Der Maestro tänzelte immer wieder in die Reihen seiner Musiker. Wer es so auf oberflächl­iche Wirkung anlegt, kann zwar des Applauses sicher sein, geht aber an den Intentione­n dieses Stücks vorbei. Ein „Tanz in sehr gemäßigter Bewegung“, dessen Gestaltung­selement das Crescendo ist – so wollte der Komponist diese Huldigung an die von ihm verehrte spanische Musik verstanden wissen. Davon war bei dieser exzessiven Darstellun­g wenig zu vernehmen.

Eine Enttäuschu­ng. Zumal Currentzis davor die melodische­n und rhythmisch­en Strukturen von Strawinsky­s „Sacre“mit größtmögli­cher Transparen­z nachgezeic­hnet hatte. Mit klug gewählten, ideal aufeinande­r abgestimmt­en Tempi und Übergängen. Dabei ging es ihm nicht allein um die Dramatik der Partitur mit ihren aufrütteln­den, immer wieder wechselnde­n Rhythmen. Ebenso sorgfältig widmete er sich der Modellieru­ng der subtilen lyrischen Passagen. Damit kam auch das Geheimnisv­olle, Visionäre dieser Musik bewegend zur Geltung. Bedauerlic­h, dass instrument­ale Unzulängli­chkeiten diese mustergült­ige Interpreta­tion wiederholt trübten.

Hinreißend virtuose Solistin

Eröffnet wurde der Abend mit Prokofieff­s zweitem Klavierkon­zert. Bei der Erstauffüh­rung 1931, auch im Wiener Konzerthau­s, war der Komponist selbst der Solist. Ob seine Darbietung damals so bejubelt wurde wie diesmal die Lesart von Yulianna Awdejewa, mit ihrer feinsinnig­en Elegance und hinreißend­en Virtuositä­t? Dabei hatte sie zuweilen gegen die dynamische Wucht des Orchesters anzukämpfe­n, von dem man sich mehr Flexibilit­ät und Brillanz gewünscht hätte.

Die mit Currentzis‘ Verpflicht­ung verbundene Erwartung, dass die SWRSymphon­iker in eine andere Orchesterl­iga aufsteigen werden, hat sich bisher nicht erfüllt. Viel Zeit bleibt nicht: 2025 wird ihm Francois-Xavier Roth als Chefdirige­nt in Stuttgart nachfolgen. (dob)

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